Taddeo Zuccari, Kopie nach
Antike Seeschlacht, nach 1560
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Taddeo Zuccari, Kopie nach

Antike Seeschlacht, nach 1560

Taddeo Zuccari, Kopie nach

Antike Seeschlacht, nach 1560

Das Blatt mit der Darstellung einer antiken Seeschlacht wurde von Georg Ernst Harzen als Werk Polidoro da Caravaggios erworben, von ihm dann jedoch Perino del Vaga zugeschrieben. Bei der Einordnung in das Kupferstichkabinett ist man dann der ursprünglichen Einschätzung gefolgt, was insofern nachvollziehbar ist, als Polidoro zahlreiche Szenen aus der römischen Geschichte entworfen hat. Zudem ist ein Detail des Kampfgeschehens im Vordergrund in ähnlicher Form an der Fassade des Palazzo Gaddi in Rom nachweisbar.(Anm.1)
Dank der Forschungen von John Gere kann die Darstellung jedoch eindeutig mit Taddeo Zuccari in Verbindung gebracht werden.(Anm.2) Dieser hatte Anfang der 1560er Jahre für Guidobaldo II. della Rovere, Herzog von Urbino, ein Majolika-Service entworfen, das als Geschenk für Philipp II. von Spanien gedacht war. Die Umsetzung der Entwürfe geschah bis 1562 in der Werkstatt der Familie Fontana. Der Großteil des Services ist verloren, doch gelang John Gere durch Identifizierung einzelner Teile sowie unter Zuhilfenahme von Entwurfszeichnungen und Kopien die Rekonstruktion der ursprünglichen Zusammenstellung.(Anm.3)
Als Themen waren offensichtlich in schmeichelnder Anspielung auf den spanischen Herrscher Szenen aus dem Leben Caesars gewählt worden. Das Hamburger Blatt zeigt die Darstellung einer inszenierten spektakulären Seeschlacht (Naumachia), die der Überlieferung nach 46 v. Chr. während triumphaler Feierlichkeiten zu Ehren Caesars stattgefunden hat. Die Umsetzung des Entwurfs ist überliefert auf einem großen tiefen Rundteller mit plastischen Applikationen und reichem Dekor, von dessen nachweisbaren Ausführungen diejenige im Bargello in Florenz wohl die Bedeutendste ist.(Anm.4)
Der Vergleich der Majolika mit der Hamburger Zeichnung zeigt eine Reihe von kleineren Unterschieden auf. So befinden sich auf dem Teller im rechten Hintergrund Säulen, während auf der Zeichnung Pilaster zu sehen sind. Wesentlicher ist, dass das rechte Bein des rechten Kriegers der Hauptszene zwar auf dem Teller, aber nicht auf der Zeichnung erkennbar ist. Manche Details wurden offensichtlich bei der Majolika im Interesse größerer Klarheit variiert, d. h. es wurden Personen, Rüstungsteile usw. weggelassen. So befinden sich auf der Zeichnung beim Kampf direkt vor der Treppe im hinteren Mittelteil noch Figuren zwischen den beiden Kämpfenden. Auch die Gruppe der Soldaten rechts, vor allem die Schildhalter, sind in vielen Details anders ausgeführt. Diese Beobachtungen lassen einzig den Schluss zu, dass es sich bei dem Hamburger Blatt keineswegs um eine Kopie nach dem Teller handeln kann.
Allerdings stellt das Blatt wohl trotz der erkennbaren Unterschiede nicht die originale Vorzeichnung dar. Neben ihm existieren weitere Blätter mit fast identischem Motiv, so in Budapest (Anm.5), Florenz (Anm.6), London (Anm.7), Paris (Anm.8), Stockholm (Anm.9) sowie in der Sammlung des Earl of Leicester auf Holkham Hall (Anm.10). Die Mehrzahl dieser Zeichnungen wurde, wie auch das Hamburger Blatt, einst Polidoro oder Perino zugeschrieben. Einzig die Stockholmer Version wurde seit jeher mit Taddeo Zuccari in Verbindung gebracht. Dieser Bestand an sehr ähnlichen Darstellungen verdeutlicht, wie einflussreich und prägend die Komposition auf die Zeitgenossen gewesen ist. Offensichtlich kann keine dieser Zeichnungen als genaue und eigenhändige Vorzeichnung angesprochen werden. Vereinzelt handelt es sich, wie bei dem Londoner Blatt, wohl um Kopien nach Taddeos Entwürfen. Zu dieser Gruppe könnte auch das Hamburger Blatt zählen, das wie eine Weiterentwicklung der Londoner Zeichnung wirkt und eine stärkere Nähe zum ausgeführten Entwurf aufweist. Wenn auch das Blatt nicht ganz an Taddeos beste Entwürfe heranreichen mag, so handelt es sich dennoch um eine sehr qualitätvolle Zeichnung. Dies verdeutlichen vor allem die Details, die eine sehr sichere Hand erkennen lassen. Vor diesem Hintergrund ist anzunehmen, dass das Hamburger Blatt im direkten Umfeld Taddeos, vielleicht nach einer verlorenen Zeichnung des Künstlers, entstanden ist.

David Klemm

1 Vgl. den Fries mit einer Seeschlacht an der Fassade des Palazzo Gaddi (gestochen von Pietro Santi Bartoli); vgl. auch Lanfranco Ravelli: Polidoro Caldara da Caravaggio. I. Disegni di Polidoro II. Copie da Polidoro, Monumenta Bergomensia XLVIII, Mailand 1978, S. 356–364.
2 John A. Gere: Taddeo Zuccaro. His Development Studied in his Drawings, Chicago 1969, S. 162–163, Nr. 100.
3 John A. Gere, Philip Pouncey, unter Mitarbeit v. Rosalind Wood: Italian Drawings in the Department of Prints and Drawings in the British Museum. Artists Working in Rome c. 1550 to c. 1640, 2 Bde., London 1983, I, S. 213, Nr. 341. Zum Zyklus vgl. auch Cristina Acidini Luchinat: Taddeo e Federico Zuccari. Fratelli pittori del Cinquecento, 2 Bde., Mailand, Rom 1999, I, S. 79–102.
4 Florenz, Bargello. Weitere Teller befinden sich im Flint Museum von Detroit, im Prado in Madrid und in Privatbesitz. Vgl. Cristina Acidini Luchinat: Due modelli opposti per il „Giudizio“ nella cupola, in: Winner/Heikamp 1999, S. 117-124, I, S. 83; mit Abb.
5 Budapest, Szépművészeti Múzeum, Inv.-Nr. 1878.
6 Florenz, Gabinetto Disegni e Stampe degli Uffizi, Inv.-Nr. 358 S, Inv.-Nr. 964 E u. Inv.-Nr. 1512 F.
7 London, British Museum, Department of Prints and Drawings, Inv.-Nr. 1895–9-15-652.
8 Paris, Musée du Louvre, Département des Arts Graphiques, Inv.-Nr. 11779 u. RF 1870-29497.
9 Stockholm, Nationalmuseum, Inv.-Nr. NM 456/1863; Italian Drawings. Umbria, Rome, Naples. Drawings in Swedish Public Collections 6, Nationalmuseum Stockholm, bearb. v. Per Bjurström, Börje Magnusson, Stockholm 1998, o. S. Nr. 613.
10 Holkham Hall, Sammlung des Earl of Leicester.

Details zu diesem Werk

Beschriftung

Unten in der Mitte bezeichnet: "di Polidoro" (Feder in Braun); rechts davon: Stempel der Sammlung Zomer (L. 1511); rechts davon: Stempel der Sammlung Lely (L. 2092); rechts davon: Signet der Sammlung Esdaile (L. 2617); auf dem Karton unten in der Mitte bezeichnet: "Antike Seeschlacht" (verblichen, Bleistift); unten links bezeichnet: "x 4- Windham 1811." (Feder in Braun); unten in der Mitte bezeichnet: "Polidoro Caldara." (Feder in Braun); unten rechts: Spuren von Bleistift (nicht zu entziffern); auf dem Verso im unteren Bereich: Signet der Sammlung Thane (L. 1544); unten links bezeichnet: "g[?]" (Bleistift); unterhalb davon bezeichnet: "Windham's sale 1811 WE P 24 N 85 x" (Feder in Braun); in der Mitte bezeichnet: "Formerly in the collection of Sr Peter Lely/& In ° Peter Zoomers." (Feder in Braun); im unteren Bereich in der Mitte: Stempel der Hamburger Kunsthalle (L. 1328)

Wasserzeichen / Kettenlinien

WZ: Vielleicht doppelkonturiges „P“; nicht identifiziert.

Provenienz

Jan Pietersz. Zoomer [auch: Zomer] (1641-1724), Amsterdam (L. 1511); Peter Lely (1618-1680), London (L. 2092); Joseph Windham (gest. 1811?); auf dessen Nachlaßauktion 1811 (Lugt, Ventes 8026, Nr. 210); John Thane (1748-1818), London (L. 1544); William Esdaile (1758-1837), London (L. 2617); auf dessen Nachlaßauktion 1840 von Georg Ernst Harzen (1790-1863), Hamburg (L. 1244) als Polidoro erworben; NH Ad : 02 : 01, S. 222 (als Perino del Vaga); NH Ad : 01 : 03, fol. 107 (als Perino del Vaga): "Ein heftiger Kampf auf mehreren aneinander gerathenen[?] Schiffen im Hafen einer Stadt, deren Prachtgebäude den Hintergrund einnehmen. Große Vortreffliche Composition in der Hauptsache sehr vollendet; die Schiffe antiker Bauart sind mit Ornamenten reich geschmückt. Feder mit Seppia. Rund. Diam 12.2. [...?]lich bez. di Polidoro Samml. J. P. Zomers P Lely. Windham u Esdaile 1811."; am Rand: "Hauptblatt"; Legat Harzen 1863 an die "Städtische Gallerie" Hamburg; 1868 der Stadt übereignet für die 1869 eröffnete Kunsthalle

Bibliographie

David Klemm: Italienische Zeichnungen 1450-1800. Kupferstichkabinett der Hamburger Kunsthalle, Die Sammlungen der Hamburger Kunsthalle Kupferstichkabinett, Bd. 2, Köln u. a. 2009, S.379-380, Nr.577

Michiel C. Plomp: Collectionner, passionnément. Les collectionneurs hollandais de dessins au XVIIIe siècle, Paris 2001, S.128

Per Bjurström, Börje Magnusson: Italian Drawings: Umbria, Rome, Naples [Stockholm, Nationalmuseum], , Stockholm 1998, S.o.S., Nr.bei Nr. 613

J. A. Gere, Philipp Pouncey: Italian Drawings in the Department of Prints and Drawings in the British Museum. Artists Working in Rome c. 1550 to c. 1640, Bd. 1, London 1983, S.213, Nr.341 (Erwähnung)

Hundert Meisterzeichnungen aus der Hamburger Kunsthalle 1500-1800, Bd. 5, Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle 1967, S.24, Nr.16, Abb.Taf. 19

John A. Gere: Taddeo Zuccaro as a designer for Maiolica, in: The Burlington Magazine 105, 1963, Nr. 724, S. 306-315, S.309, Anm. 15

V. T. [nicht aufgelöst]: Amburgo: Mostra di disegni italiani dal XV al XVIII secolo, in: Emporium. Rivista mensile illustrata d'arte e di cultura 76, 1957, Nr. 126, S. 228-229, S.229

[Wolf Stubbe]: Italienische Zeichnungen 1500-1800. Ausstellung aus den Beständen des Kupferstichkabinetts, Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle 1957, S.17, Nr.63

A Catalogue of the Very Important Collection of the late William Esdaile, Esq. Part III. Comprising Drawings, by Italian, German, Flemish, and Dutch Masters; which will besold by Auction,, Christie and Manson, 18.-23. 6. 1840, London, 1840, S.9, Nr.90

A Catalogue of the collection of engraved prints, fine etchings and capital drawings by old masters ... the property of the late Joseph Esq., 21.-23. März, Leigh & Sotheby, London 1811, S.12, Nr.210