Taddeo Zuccari (auch: Zuccaro)
Der Engel fordert Joseph auf, nach Ägypten zu fliehen, 1550/66
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Taddeo Zuccari (auch: Zuccaro)

Der Engel fordert Joseph auf, nach Ägypten zu fliehen, 1550/66

Taddeo Zuccari (auch: Zuccaro)

Der Engel fordert Joseph auf, nach Ägypten zu fliehen, 1550/66

Während Georg Ernst Harzen in der Zuschreibung des Blattes in seinen beiden Inventaren zwischen Federico (irrtümlich von ihm Francesco genannt) und Taddeo Zuccari schwankte, hat John A. Gere überzeugend für letzteren plädiert.(Anm.1) Gere datierte die großformatige, virtuose Studie auf kaum später als Mitte der 1550er Jahre und brachte sie mit dem zwischen 1550 und 1555 entstandenen, freskierten Altarbild in der Kirche S. Caterina della Rota in Rom in Verbindung.(Anm.2) Dieses wurde jedoch nicht von Taddeo, sondern von Girolamo Muziano (1532–1592) ausgeführt.(Anm.3) Gere hat daraus gefolgert, dass Taddeo seine Entwurfszeichnung dem – laut Ridolfi – mit ihm befreundeten Künstler aus Gefälligkeit zur Ausführung für dessen ersten wichtigen Auftrag überlassen habe. Ein derartiger Freundschaftsdienst unter Künstlern ist für das 16. Jahrhundert keineswegs ungewöhnlich – man denke an Michelangelos Unterstützung von Sebastiano del Piombo und Daniele da Volterra.
Ein genauer Vergleich zwischen Altarbild und Zeichnung lässt aber allenfalls den Schluss zu, dass Muziano von Zuccari die Grundidee der Komposition und einige figürliche Anregungen übernommen hat. Dies betrifft vor allem die sehr ungewöhnliche Anordnung von Joseph und Maria in den beiden äußeren Bereichen des Vordergrundes. Demgegenüber fällt auf, dass Muziano keine der Figuren genau in das Gemälde übernommen hat. So hat Maria nicht nur eine andere Haltung, auch ihr Gewand unterscheidet sich grundsätzlich von Zuccaris Entwurf. Selbst beim Hl. Joseph, der Zuccaris Entwurf noch am nächsten kommt, ist die Gestik abgewandelt. Vor allem die komplex gestaltete Himmelszone ist weitgehend verändert. Muziano konzentriert seine Darstellung entgegen Zuccari auf einen einzigen, von rechts oben heranschwebenden Engel. Völlig unterschiedlich gestaltet er die Landschaft. Hier setzt Muziano sein auch später immer wieder erkennbares Interesse an diesem Genre gegenüber Taddeos nur skizzenhafter Landschaftsauffassung durch. Unverkennbar hat Muziano demnach zwar Anregungen von Taddeo Zuccari übernommen, doch sind die Veränderungen gegenüber der Vorlage derart zahlreich, dass der Wille und die Fähigkeit des Künstlers zur eigenständigen Gestaltung spürbar werden.(Anm.4)
Vor diesem Hintergrund ist auch denkbar, dass die beiden befreundeten Künstler das Thema der Verkündigung in einer Art Konkurrenz ausarbeiteten. Hierfür spräche auch die Tatsache, dass sich von Taddeo nicht nur das Hamburger Blatt, sondern noch weitere Studien erhalten haben. Sie betreffen allesamt die Darstellung der Engel und deuten darauf hin, dass Zuccari das Projekt weit über eine Ideenskizze hinaus beschäftigt hat.(Anm.5) Von Interesse ist dabei, dass sämtliche Detailstudien ohne Einfluss auf das Gemälde Muzianos geblieben sind.

David Klemm

1 John A. Gere: Girolamo Muziano and Taddeo Zuccaro. A note on an early work by Muziano, in: The Burlington Magazine 108, 1966, Nr. 761, S. 417-418, S. 418.
2 Ebd., S. 417–418.
3 Ebd., Abb. 1 vor S. 397; Farbabb. bei Kunst & Architektur, hrsg. v. Marco Bussagli, Köln 1999, S. 480.
4 Unverkennbar ist der Einfluss von Taddeos Joseph-Figur auf einen der Propheten in der Lünette der Kapelle in S. Caterina della Rota. Doch wiederum verzichtete Muziano darauf, die Vorgabe genau zu übernehmen. Vgl. die Abb. bei John A. Gere: Girolamo Muziano and Taddeo Zuccaro. A note on an early work by Muziano, in: The Burlington Magazine 108, 1966, Nr. 761, S. 417-418, nach S. 418, Nr. 47 u. 49.
5 John A. Gere: Taddeo Zuccaro. His Development Studied in his Drawings, Chicago 1969, S. 179–180, Nr. 145, Abb. 81; Studie eines fliegenden Engels, Kunsthalle Bremen, Inv.-Nr. 43/20; vgl. Sonja Brink: Italienische Zeichnungen des 16. bis 18. Jahrhunderts. Eine Auswahl aus den Beständen der Kunsthalle Bremen, Ausst.-Kat. Kunsthalle Bremen 1994, S. 138–139, Nr. 64; New York, Privatbesitz; vgl. Drawings from New York Collections I: The Italian Renaissance, bearb. v. Jacob Bean, Felice Stampfle, Ausst.-Kat. New York, The Metropolitan Museum of Art, The Pierpont Morgan Library, New York 1965, S. 75, Nr. 133; vgl. auch Aukt.-Kat. New York, Christie’s, Old Master Drawings, 10.1.1996, S. 26–27, Nr. 10, mit Abb.

Details zu diesem Werk

Beschriftung

Umfassungslinie (Feder in Braun); auf dem Verso oben rechts bezeichnet: "g Antonio" (Graphit); unten in der Mitte Stempel der Hamburger Kunsthalle (L.1328); unten rechts bezeichnet: "l.[?]" (Bleistift)

Wasserzeichen / Kettenlinien

WZ: Gekreuzte Pfeile mit sechszackigem Stern darüber; ähnlich Briquet 6292 (Florenz 1509-10).

Verso

Titel verso: Zwei Fußstudien (Kreide mit Weißhöhungen); ineinander übergehende Gruppen herabschwebender Engel (Feder in Braun)

Provenienz

Georg Ernst Harzen (1790-1863), Hamburg (L. 1244); NH Ad : 02 : 01, S. 223 (als Taddeo Zuccari); NH Ad : 01 : 03, fol. 119 (als Francesco[sic] Zuccari): "Die Heilige Familie ruhend auf der Flucht im Vorgrund einer einfachen Landschaft. Über ihrem Haupte erscheint eine Glorie von Engeln, deren einer den Weg zur Weiterreise andeutet. Feder und Bister auf blauem P. gehöht. Hinten Studien zweyer Füße, in Kreide und Federentwürfe. 14.4. 16.0"; Legat Harzen 1863 an die "Städtische Gallerie" Hamburg; 1868 der Stadt übereignet für die 1869 eröffnete Kunsthalle

Bibliographie

David Klemm: Italienische Zeichnungen 1450-1800. Kupferstichkabinett der Hamburger Kunsthalle, Die Sammlungen der Hamburger Kunsthalle Kupferstichkabinett, Bd. 2, Köln u. a. 2009, S.378, Nr.575, Abb.Farbtafel S. 29

David Klemm: Von Leonardo bis Piranesi. Italienische Zeichnungen von 1450 bis 1800 aus dem Kupferstichkabinett der Hamburger Kunsthalle, hrsg. von Hubertus Gaßner, David Klemm und Andreas Stolzenburg, Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle, Bremen 2008, S.84-85, Frontispiz detail, Abb, S. 226, Nr.36

John Marciari: Girolamo Muziano and the Dialogue of Drawings in Cinquecento Rome, in: Master Drawings 40, 2002, Nr. 2, S. 113-134, S.115, Abb.3

Petra Roettig, Annemarie Stefes, Andreas Stolzenburg: Von Dürer bis Goya. 100 Meisterzeichnungen aus dem Kupferstichkabinett der Hamburger Kunsthalle, Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle 2001, S.34-35, Nr.12, Abb.

Eckhard Schaar, David Klemm: Italienische Zeichnungen der Renaissance aus dem Kupferstichkabinett der Hamburger Kunsthalle, Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle 1997, S.114-115, Nr.70, Abb.72

Old Master Drawings, Christie's, 10. 1. 1996, London, 1996, S.27, Abb.1

Sonja Brink: Italienische Zeichnungen des 16. bis 18. Jahrhunderts. Eine Auswahl aus den Beständen der Kunsthalle Bremen, Ausst.-Kat. Kunsthalle Bremen 1994, S.138, Nr.bei 64 (Erwähnung)

John A. Gere: Taddeo Zuccaro. His Development Studied in his Drawings, Chicago 1969, S.49-50, 158, Nr.86, Abb.78

Hundert Meisterzeichnungen aus der Hamburger Kunsthalle 1500-1800, Bd. 5, Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle 1967, S.25, Nr.20, Abb.Taf. 17

John A. Gere: Girolamo Muziano and Taddeo Zuccaro. A note on an early work by Muziano, in: The Burlington Magazine 108, 1966, , S.417-418, Abb.49

[Wolf Stubbe]: Italienische Zeichnungen 1500-1800. Ausstellung aus den Beständen des Kupferstichkabinetts, Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle 1957, S.23, Nr.102, Abb.Taf. 17