Stefano della Bella
Galoppierender Reiter mit Fahne in Rückenansicht, links im Hintergrund ein zweiter Reiter,
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Stefano della Bella

Galoppierender Reiter mit Fahne in Rückenansicht, links im Hintergrund ein zweiter Reiter,

Stefano della Bella

Galoppierender Reiter mit Fahne in Rückenansicht, links im Hintergrund ein zweiter Reiter

Die Studie zweier Reiter ist ein wichtiges und interessantes Beispiel für della Bellas kreativen Umgang mit Vorlagen. So stimmt der rechte Reiter weitgehend mit einer entsprechenden Figur auf einem wohl um 1617 entstandenen Gemälde Filippo Napoletanos mit der Darstellung einer antiken Reiterschlacht überein.(Anm. 1) Die Ähnlichkeit ist so groß, dass gefragt werden muss, ob es sich nicht um eine Vorzeichnung von Napoletano selbst handeln könne. Marco Chiarini schloss diese Möglichkeit trotz einer gewissen zeichentechnischen Übereinstimmung mit einer diesem Künstler zugeschriebenen Studie aus.(Anm. 2)
Die hier vertretene Zuschreibung an della Bella wird durch die Herkunft aus dem Klebeband gestützt und lässt sich zudem mit der Qualität der subtilen Verwendung des Rötelstifts begründen, für die weitere Beispiele im Hamburger Bestand nach-weisbar sind (vgl. z. B. Inv.-Nrn. 1967-354, -355).
Della Bella hat die von Napoletano kraftvoll und hervorragend komponierte Gruppe von Pferd und Reiter aus dem Zusammenhang des Schlachtgetümmels gelöst und partiell, so z.B. bei den auf dem Gemälde rechts beschnittenen Pferdeläufen, ergänzt. Als wesentliche Änderung stellt della Bella diese Gruppe nun in einen anderen Zusammenhang. Zum einen komponierte er einen zweiten Reiter, der sich nicht bei Napoletano findet, hinzu; zum anderen ist kein eigentliches Kampfgeschehen mehr erkennbar. Drittens sind die Figuren durch die Veränderung der Kleidung nicht mehr als antike Kämpfer, sondern eher als Zeitgenossen charakterisiert. Allenfalls können sie als einfache Soldaten des frühen 17. Jahrhunderts gelten, wobei allerdings keine Waffe erkennbar ist. Im Ergebnis dieser Anverwandlung entstand eine sehr lebendige und glänzend komponierte Zeichnung, die della Bellas eigenständigen Umgang mit einer Vorlage dokumentiert.
Da sich das Gemälde stets im Besitz der Medici befand, darf als sicher angenommen werden, dass es della Bella bekannt gewesen ist. Die Beschäftigung mit diesem Werk wird auch durch eine Zeichnung in München belegt.(Anm. 3) In diesem Fall hat della Bella einen sich umdrehenden gerüsteten Krieger auf einem vorpreschenden Pferd nachgezeichnet. Allerdings ist diese Studie wesentlich abstrahierender als das Hamburger Blatt skizziert. Die Lebendigkeit der Studie ist so groß, dass man ohne Kenntnis der oben beschriebenen Sachlage durchaus von einer Vorzeichnung für das Gemälde ausgehen könnte.
Die Studien in Hamburg und München dürften in den 1630er Jahren entstanden sein, in denen sich della Bella intensiv mit Kopien und vor allem mit der Technik farbiger Kreiden beschäftigte.

David Klemm

1 Florenz, Galleria degli Uffizi; Inv.-Nr. 1890, n. 982. Vgl. Marco Chiarini: Teodoro Filippo di Liagno detto Filippo Napoletano 1589-1626. Vita e opere, Florenz 2007, S. 268, Nr. 37 sowie die Abb. S. 82, 83. Die von Chiarini hervorgehobenen Einflüsse von Giuseppe Cesaris Malereien im Konservatorenpalast in Rom auf diese Komposition treffen zwar im Allgemeinen sicher zu, sind aber nicht für diese Motivgruppe im Speziellen nachweisbar. Vgl. Herwarth Roettgen: Il Cavalier Giuseppe Cesari D’Arpino. Un grande pittore nello splendore della fama e nell’incostanza della fortuna, Rom 2002, S. 305.
2 Mündliche Mitteilung auf der Grundlage einer Digitalphotographie, 24. 3. 2008. Vgl. Florenz, Gabinetto Disegni e Stampe degli Uffizi, Inv.-Nr. 8950 S. Die Zeichnung zeigt ebenfalls ein Schlachtengetümmel und weist eine vergleichbare Verwendung dichter Parallelschraffuren auf.
3 München, Staatliche Graphische Sammlung, Inv.-Nr. 1918:224, S. 31.

Details zu diesem Werk

Provenienz

Erworben 1967 aus Privatbesitz

Bibliographie

David Klemm: Italienische Zeichnungen 1450-1800. Stefano della Bella. Katalog und Tafeln. Kupferstichkabinett der Hamburger Kunsthalle, hrsg. von Hubertus Gaßner und Andreas Stolzenburg, Die Sammlungen der Hamburger Kunsthalle Kupferstichkabinett, Bd. 2, Böhlau Verlag Köln u. a. 2009, S.31-32, Nr.85, Abb.Farbtafel S. 119

Jahrbuch der Hamburger Kunstsammlungen, hrsg. von Hamburger Kunsthalle und dem Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg, Bd. 13, Dr. Ernst Hauswedell & Co Verlag Hamburg 1968, S.174-175