Martin Gensler, Zeichner
Innerer Hof im vormaligen St. Johannis-Kloster in Hamburg (sogenannter Hühnerhof), 1828
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Martin Gensler, Zeichner

Innerer Hof im vormaligen St. Johannis-Kloster in Hamburg (sogenannter Hühnerhof), 1828

Martin Gensler, Zeichner

Innerer Hof im vormaligen St. Johannis-Kloster in Hamburg (sogenannter Hühnerhof), 1828

1826 wurde Gensler während seiner Zeichenexkursionen in Hamburg auf das ehemalige Dominikanerkloster St. Johannis aufmerksam. Der künstlerische Reiz lag für ihn in der ursprünglichen Erscheinung der weitläufigen, aus dem 13. Jahrhundert stammenden Anlage, die seit der Reformation ihrer Funktion enthoben, aber unverändert erhalten war. Gensler fand ein nahezu unerschöpfliches Motivrepertoire und skizzierte die Gebäudeteile und das Inventar. Pittoreske Motive und exakte Beschreibungen liegen in den Blättern dicht beieinander. Gerade diese “Vereinigung malerischer Auffassung mit wissenschaftlicher Exactheit”, so Hans Speckter 1882, bestimmt ihre Qualität (Reuther 1999, S. 14).
Als man sich 1828 gegen den Erhalt des Klosters entschied, widmete Gensler sich seiner umfassenden zeichnerischen Darstellung. Als erste Motive hielt er die Küchen- und Wirtschaftsgebäude fest, darunter auch den sogenannten “Hühnerhof”. Frontal öffnet sich der Blick in den sonnendurchfluteten Innenhof, dessen Hinfälligkeit deutlich zur Schau gestellt ist. Ein herabgestürztes Gesims zur Linken focussiert den Blick und weist in seiner Ausrichtung auf die Reste verfallenen Mauerwerks, die rechts im gleißenden Sonnenlicht hervorgehoben sind. Den steilen Lichteinfall benutzte Gensler als Inszenierungsmittel. Die so hervorgerufenen kräftigen Schlagschatten betonen die Bogenformen der Gewölbe. Als Tuschlavierung sind Licht und Schatten in malerischer Qualität verteilt. Dazu bildet der feine Federstrich, in dem die verschiedenen Strukturen des Mauerwerks herausgearbeitet sind, einen spannungsvollen Kontrast. Die präzise Zeichnung macht die baulichen Eingriffe ebenso anschaulich wie den fortgeschrittenen Verfall der Architektur. Dass Gensler hier an einer exakten Kenntnis gelegen war, offenbart die detaillierte Bildunterschrift: “Alle Bogenstellungen gegen Süden gelegen, sind ursprünglich offen gewesen, in denen sämtliche Fenster mit der Ummauerung später eingesetzt waren - etwa um 1700 - sowie die Bögen im 2ten Geschoß doppelt waren, wie die unteren, so daß der zweite zurückliegende Bogen den inneren bildete, während der obere [...] nur der Fassade angehörte. [...] Ein Theil des unteren Gangs nach der Küche (hier auf der Zeichnung rechts), sowie der darüber liegende Boden waren noch offen, ohne Glasverschluß oder Luken.”
Bereits 1830 trug Gensler sich mit der Idee, das Andenken an das St. Johanniskloster in einem Bildband zu bewahren. Als das Buch 1881 erschien, hielt er seine Beschäftigung mit dem Kloster unter dem Titel “Erinnerungen” fest. Seine Zeichnungen, darunter der “Hühnerhof”, wurden als lithographierte Bildtafeln beigegeben. S. R.

Details zu diesem Werk

Beschriftung

Innerhalb der Darstellung unten links monogrammiert und datiert: "∙MG∙ [lig.] / 1828 / Octbr"; bezeichnet unten rechts: "Innerer Hof im vormal. S. Johannis Kloster sogenannter Hühnerhof bei der Küche"; auf dem alten Untersatzbogen eigenhändige, ausführliche Beschreibung der Darstellung: "Innerer Hof - sogen̄. Hühnerhof, bei der Küche - im vormal. St. Johanniskloster _. Alle Bogenstellungen, gegen Süden gelegen, / sind ursprünglich offen gewesen, indem sämtliche Fenster mit der Ummauerung später eingesetzt waren, etwa um 1700 - / sowie auch die Bögen im 2ᵗᵉⁿ ["ten" unterstrichen] Geschoß doppelt waren, wie die unteren, so daß der zweite zurückliegende Bogen den / inneren bildete, während der obere, in das folgende Geschoß hineinreichend, nur der Facade angehörte; eine / ornamentale Construction, welche im Ziegelbau des 15. und 16. Jahrh., u. auch später, u.a. am vormal. Kaisers= / hof, öfterer angewendet ist. Ein Theil des unteren Ganges nach der Küche (hier auf der Zeichnung rechts), / sowie der darüber liegende Boden waren noch offen, ohne Glasverschluß oder Luken." (Feder in Schwarz)

Provenienz

Wahrscheinlich Vermächtnis Günther Gensler, Hamburg

Bibliographie

Peter Prange, Petra Roettig, Andreas Stolzenburg u. a.: Von Runge bis Menzel. 100 Meisterzeichnungen aus dem Kupferstichkabinett der Hamburger Kunsthalle, Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle 2003, S.140, Nr.65, Abb.S. 141

Peter Prange, Petra Roettig, Andreas Stolzenburg u.a.: Ideas on Paper. 100 Masterdrawings from the collections of the Hamburger Kunsthalle (in griech. Sprache), hrsg. von Marilena Cassimatis, Andreas Stolzenburg, Ausst.-Kat. Athen, Nationalgalerie 2003, S.64, Nr.20, Abb.

Silke Reuther: Martin Gensler und das St. Johanniskloster, in: Zeitschrift des Vereins für Hamburgische Geschichte 87, 2001, S. 173-185, S.176, Abb.4

Fritz Bürger: Die Gensler. Drei Hamburger Malerbrüder des 19. Jahrhunderts, Straßburg 1916, S.32-33, 97, Nr.57

Cipriano F. Gaedechens, Martin Gensler, Karl Koopmann: Das St. Johanniskloster in Hamburg, Hamburg 1884, S.5-6, Abb.Taf. XX