Julius Schnorr von Carolsfeld
Die Schlacht Rudolfs von Habsburg gegen Ottokar von Böhmen im Jahre 1278 auf dem Marchfeld, 1835
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Julius Schnorr von Carolsfeld

Die Schlacht Rudolfs von Habsburg gegen Ottokar von Böhmen im Jahre 1278 auf dem Marchfeld, 1835

Julius Schnorr von Carolsfeld

Die Schlacht Rudolfs von Habsburg gegen Ottokar von Böhmen im Jahre 1278 auf dem Marchfeld, 1835

Während der umfangreichen Arbeiten an den Nibelungensälen (vgl. Kat.-Nr. XX) erhielt Schnorr von Ludwig I. den Auftrag, eine weitere Folge von Prunksälen in dem von Leo von Klenze errichteten Neubau der Münchner Residenz mit Wandbildern in enkaustischer Technik auszumalen. Die drei dem Thronsaal des bayerischen Königs vorgelagerten Räume wurden 1835-42 mit Darstellungen aus der Geschichte Karls des Großen, Friedrich Barbarossas und Rudolfs von Habsburg ausgestattet. Schnorr kam diese weitere Aufgabe eher ungelegen, und es entstanden über die Auffassung von Geschichte bals Unstimmigkeiten zwischen dem heilsgeschichtlich orientierten Künstler und seinem eher nüchternen und pragmatischen Auftraggeber, dem verständlicherweise mehr die aktuelle politische Wirkung der Bilder am Herzen lag (vgl. Kat.-Nr. XX).
Die historisch hoch bedeutenden Wandbilder, die aufgrund ihrer unkritischen Verherrlichung von Kirche und Staat jedoch bald heftigst kritisiert wurden, fielen den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs komplett zum Opfer. Deshalb kommt heute den erhaltenen Studien und Reinzeichnungen für die originalgroßen Kartons eine wichtige Schlüsselrolle bei der Beurteilung von Schnorrs künstlerischer Leistung zu. Die monumentalen Kartons befinden sich Dresden und wurden unlängst wenigstens zum Teil der Öffentlichkeit vorgestellt (Julius Schnorr von Carolsfeld. Aus dem Leben Karls des Großen, Ausst.-Kat. Staatliche Kunstsammlungen Dresden 1999).
Die erst kürzlich für das Hamburger Kupferstichkabinett zusammen mit Kat.-Nr. XX erworbene große Pinselzeichnung mit der Darstellung der „Schlacht Rudolfs von Habsburg gegen Ottokar von Böhmen“ ist bildmäßig durchgezeichnet und diente sicher als unmittelbare Vorlage für die Übertragung auf den Karton. Auch der Auftraggeber wird solche repräsentativen Blätter zur Begutachtung und Zustimmung vorgelegt bekommen haben. Ein erster, kompositorisch noch abweichender, aber teilweise aquarellierter Entwurf vom April 1835 befindet sich im Museum der bildenden Künste Leipzig (Julius Schnorr von Carolsfeld 1794-1872, Ausst.-Kat. Museum der bildenden Künste Leipzig 1994, S. 263, Nr. 218). Ein weiterer farbiger Entwurf von 1838 ist in der Sammlung Georg Schäfer in Schweinfurt (Ausst.-Kat. Leipzig 1999, S. 263, Nr. 219). Das Hamburger Blatt wird dem Maler Gustav Jäger 1839 zusammen mit dem 1836 gezeichneten Karton sowie dem farbigen Entwurf in Schweinfurt als Vorlage für die Ausführung des Wandbilds in der Residenz gedient haben.
Im Zentrum der Komposition stürmt Rudolf von Habsburg zu Pferd gegen seinen Herausforderer König Ottokar von Böhmen. Auffallend ist die üppige Grasvegetation, die den Ort des Geschehens, das Marchfeld, charakterisiert. Ottokars scheuendes Pferd scheint bereits den Ausgang der Schlacht, den Sieg Rudolfs und den Tod des Böhmen, anzudeuten. Rudolf bildet die Spitze einer Dreieckskomposition, die links durch eine stark verschränkte Kampfgruppe und rechts durch einen Reiter mit Banner auf sich aufbäumendem Pferd gestützt wird. Der Reiter ist historisch belegt, es handelt sich um den Markgrafen von Hochberg, der mit seinem fingierten Ruf “Die Feinde fliehen“ die fast schon verlorene Schlacht zum Sieg wendete.

Andreas Stolzenburg

Details zu diesem Werk

Beschriftung

Datiert unten links: "October 1835."; bezeichnet unten Mitte: "Schlacht Rudolphs von Habsburg gegen Ottokar anno 1278."; rechts unten beschriftet: "II." (alles Feder in Braun)

Unten Mitte: "543" (Bleistift)

Provenienz

Möglicherweise Sammlung Hermann Ernst Freund (1840-1898; Bruder des Kunstsammlers Dr. phil. Georg August Freund, 1836-1914); evtl. Friedrich Wilhelm Klever (* um 1840), Rechtsanwalt in Köln; Jenny Klever (?-1989), Frau von Dr. Helmut Klever (1881-1970), Sohn von Friedrich Wilhelm Klever; 10.12.1990 Kunsthaus Lempertz; Sammlung Stephan Seeliger, München; von dort erworben 2003 als Geschenk eines Kunstfreundes

Bibliographie

Kunst aus acht Jahrhunderten, hrsg. von Hamburger Kunsthalle und Freunde der Kunsthalle e.V., Hamburg 2016, S.311, Abb.

Neuerwerbungen 2003/2004, in: Im Blickfeld. Die Jahre 2003/2004 in der Hamburger Kunsthalle, 2005, S. 140-151, S.146

Hamburger Kunsthalle. Museum Guide, Hamburg 2005, S.145, Abb.

Andreas Stolzenburg: Julius Schnorr von Carolsfeld. Die Schlacht Rudolfs von Habsburg gegen Ottokar von Böhmen im Jahre 1278 auf dem Marchfeld. Rudolf von Habsburg und der Priester, in: Im Blickfeld. Die Jahre 2003/2004 in der Hamburger Kunsthalle Hamburg 2005, S. 72-73, S.72, Abb.

Peter Prange, Petra Roettig, Andreas Stolzenburg u. a.: Von Runge bis Menzel. 100 Meisterzeichnungen aus dem Kupferstichkabinett der Hamburger Kunsthalle, Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle 2003, S.76, Nr.33, Abb.S. 77

Peter Prange, Petra Roettig, Andreas Stolzenburg u.a.: Ideas on Paper. 100 Masterdrawings from the collections of the Hamburger Kunsthalle (in griech. Sprache), hrsg. von Marilena Cassimatis, Andreas Stolzenburg, Ausst.-Kat. Athen, Nationalgalerie 2003, S.202, Nr.86, Abb.

Stephan Seeliger, Hinrich Sieveking, Norbert Suhr: Julius Schnorr von Carolsfeld. Zeichnungen, Ausst.-Kat. Landesmuseum Mainz, München 1994, S.10, 126, Nr.47, Abb., Abb.S. 127

Alte Kunst. Gemälde, Zeichnungen, Skulpturen, u.a. Sammlung Jenny Klever, 10.12., Kunsthaus Lempertz, 660. Math. Lempertz'sche Kunstversteigerung, Köln 1990, S.72, Nr.358.2, Abb.Taf. 72 (unten)

Friedrich von Boetticher: Malerwerke des neunzehnten Jahrhunderts. Beitrag zur Kunstgeschichte, Bd. 2 (Mayer-Zengauer), 2 Bde, Dresden 1898, S.619, Nr.279

Katalog zur Kunst-Ausstellung enthaltend Werke von Julius Schnorr von Carolsfeld. Veranstaltet durch Ernst Arnold, Dresden 1878, Nr.316