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Felice Giani
SĂ€ule mit weiblichen Relieffiguren,
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Felice Giani

SĂ€ule mit weiblichen Relieffiguren,

Felice Giani

SĂ€ule mit weiblichen Relieffiguren

Die Zeichnung gehört mit den Inv.-Nrn. 52324, 52323-52325 zu einer kleinen Gruppe von Rötelstudien, die bislang der Meinung des Stifters Philippi folgend als Werk eines unbekannten italienischen Zeichners eingeordnet waren. Per anonymer Kartonnotiz wurden sie zu einem nicht genau bestimmbaren Zeitpunkt Felice Giani zugeschrieben. Diese EinschĂ€tzung soll hier vorbehaltlos unterstĂŒtzt werden.(Anm. 1) Anna Ottani Cavina bestĂ€tigte die Zuschreibung nachdrĂŒcklich.(Anm. 2)
Der Zeichenstil mit breiten Rötelstrichen im Allgemeinen wie auch die Art der Figurenbehandlung im Speziellen lassen sich bei allen vier BlĂ€ttern eindeutig mit einigen fĂŒr den KĂŒnstler gesicherten Zeichnungen in Einklang bringen. Charakteristisch ist z. B. die Anordnung der Parallelschraffuren in Verbindung mit leicht verwischten Kreidestrichen. Dank der lockeren StrichfĂŒhrung wird die Ausbildung allzu dunkler Partien vermieden. Im Zusammenspiel mit weiß belassenen FlĂ€chen erzielen diese BlĂ€tter zumeist eine leichte, unbeschwerte Wirkung. Gut vergleichbar sind z. B. Zeichnungen mit Darstellungen von Vasen.(Anm. 3)
Allen vier BlĂ€ttern gemeinsam ist die Rezeption von Antiken, die sich im 18. Jahrhundert ausnahmslos im Besitz des Kardinals Alessandro Albani (1692–1779) befunden haben. Obgleich die Herkunft dem zeitgenössischen Betrachter bekannt gewesen sein dĂŒrfte, wurde in allen FĂ€llen vom KĂŒnstler mit einer Aufschrift darauf verwiesen. Charakteristisch fĂŒr die Zeichnungen ist das besondere GrĂ¶ĂŸenverhĂ€ltnis der Menschen zu den antiken Kunstwerken. Dabei entspricht die Betrachtung bzw. das Abzeichnen von Antiken durchaus den Konventionen der Zeit. Zahlreiche KĂŒnstler – z. B. Hubert Robert – haben Menschen in Ă€hnlichen Positionen vor antiken Werken gezeichnet.(Anm. 4)
Das Besondere an Gianis BlĂ€ttern ist jedoch, dass er die Kunstwerke nicht in ihrem Kontext dokumentiert, sondern sie zumeist in eine andere Umgebung einbindet und zudem ihre GrĂ¶ĂŸenverhĂ€ltnisse zum Monumentalen hin verĂ€ndert. Dadurch entsteht zuweilen ein komischer Effekt, so beim Monument des Pavians (siehe Inv.-Nr. 52325), der die ehrwĂŒrdigen Antiken ins LĂ€cherliche zieht. Vor diesem Hintergrund können Gianis Darstellungen als ironische Kommentare der im 18. Jahrhundert weit verbreiteten Antikenverehrung verstanden werden. Sie sind in dieser Hinsicht ungewöhnlich und bemerkenswert.
Ganz anders ist die Wirkung einer Zeichnung Johann Heinrich FĂŒsslis, die ebenfalls mit der Zusammenstellung ungewohnter MaßstĂ€be aufwartet. FĂŒssli zeigte einen KĂŒnstler, der angesichts der GrĂ¶ĂŸe der ihn umgebenden antiken Monumente zutiefst erschĂŒttert ist. Dieser Mensch gerĂ€t anders als die Kunstinteressierten auf Gianis BlĂ€ttern angesichts der ihn ĂŒberragenden antiken Kunst in eine Sinnkrise.(Anm. 5)
Bei der vorliegenden Zeichnung hat Giani ein sogenanntes Puteal dargestellt, das wohl in der Mitte des 2. Jahrhunderts vor Christi in Athen wahrscheinlich fĂŒr den römischen Kunstmarkt entstanden ist.(Anm. 6) Der Fries umfasst insgesamt sechs Nymphen, von denen die Zeichnung drei zeigt. Sehr Ă€hnlich ist die rechte der beiden dargestellten Figuren wiedergegeben, bei der linken sind die Kopfhaltung und auch die Armhaltung am Original anders. Sie ist im antiken Relief eindeutig rĂŒckwĂ€rts gewandt. Diese VerĂ€nderung ist insofern bemerkenswert, als Giani bei den anderen Hamburger Zeichnungen nach Antiken relativ genau vorgegangen ist. Bei der rechten Figur ist durch die VerkĂŒrzung eine Beurteilung schwierig, doch dĂŒrfte es sich um die entsprechende antike Figur handeln.(Anm. 7) Wie bei den anderen Zeichnungen hat Giani die originale GrĂ¶ĂŸe (mit Basis 128 cm) betrĂ€chtlich gesteigert.(Anm. 8)
Anders als bei der Wiedergabe des Rundmals (Inv.-Nr. 52323) ist hier die Aufstellung im Freien richtig wiedergegeben. Das Puteal befand sich mit einem weiteren Werk dieser Gattung wohl schon seit dem frĂŒhen 18. Jahrhundert im Albani-Besitz und wurde vom Kardinal im oberen Gartenparterre seiner Villa aufgestellt. Dort dienten sie als Basen fĂŒr zwei Togastatuen und wurden erst 1838 bzw. 1854 in den Portikus des Casinos gebracht.(Anm. 9)

David Klemm

1 Die Zuschreibung wurde mit dem KĂŒrzel „AMC“ versehen.
2 Mitteilung per E-Mail auf der Grundlage einer Digitalphotographie, 19. 3. 2007.
3 New York, Cooper-Hewitt Museum, Inv.-Nr. 1901-39–419; Inv.-Nr. 1901-39–460; Anna Ottani Cavina, unter Mitarbeit v. Attilia Scarlini: Felice Giani 1758-1823 e la cultura di fine secolo, 2 Bde., Mailand 1999, II, S. 762, Abb. 1097 und S. 763, Abb. 1098.
4 Vgl. z. B. Hubert Robert: „Ein KĂŒnstler zeichnet im Kapitolinischen Museum“, Valence, MusĂ©e des Beaux-Arts, Inv.-Nr. D. 80; vgl. Ägyptomanie. Ägypten in der europĂ€ischen Kunst 1730-1930. Die Sehnsucht Europas nach dem Land der Pharaonen. Zur Begegnung von Orient und Okzident am Beispiel des Alten Ägypten, Ausst.-Kat. Paris, MusĂ©e du Louvre, Ottawa, National Gallery of Canada, Wien, Kunsthistorisches Museum, Wien 1995, S. 107, Nr. 44, mit Abb.
5 „Der KĂŒnstler verzweifelnd vor der GrĂ¶ĂŸe der antiken TrĂŒmmer“; ZĂŒrich, Kunsthaus, Inv.-Nr. 1940/144; vgl. Gert Schiff: Johann Heinrich FĂŒssli 1741-1825, 2 Bde., ZĂŒrich, MĂŒnchen 1973, I/1, S. 478–479, Nr. 665; I/2, S. 145, Abb. 665.
6 Der Bildhauer hat verschiedene athenische Vorlagen aus der zweiten HĂ€lfte des 4. Jahrhunderts v. Chr. miteinander kombiniert. Bei den drei laufenden Nymphen orientierte er sich an einem einheitlichen spĂ€tklassischen Vorbild, das er weitgehend getreu nachbildete. Vgl. Hans-Ulrich Cain: Marmorputeal mit Darstellung von sechs Nymphen, in: Forschungen zur Villa Albani 1990, S. 236–248, Taf. 167–173; vgl. auch das Marmorputeal mit Darstellung der vier Horen und einer FackeltrĂ€gerin, in: Forschungen zur Villa Albani II, 1990, S. 227–236 (Beitrag H.-U. Cain).
7 Die Reliefs sind heute schlecht erhalten und waren vielleicht auch schon zu Gianis Zeit in keinem guten Zustand. Denkbar ist, dass sich Giani daher zu einer freieren Interpretation entschlossen hat.
8 Die Höhe der SĂ€ule ist durch spĂ€tere ErgĂ€nzung verfĂ€lscht. UrsprĂŒnglich war das Ganze gedrungener, wie bereits eine Skizze Maarten van Heemskercks nachweist. Vgl. Hans-Ulrich Cain: Marmorputeal mit Darstellung von sechs Nymphen, in: Forschungen zur Villa Albani 1990, S. 236-248, S. 238, Abb. 3.
9 Vgl. Forschungen zur Villa Albani. Katalog der antiken Bildwerke II. Bildwerke in den Portiken, dem VestibĂŒl und der Kapelle des Casino, Schriften des Liebieghauses, hrsg. v. Peter C. Bol, Berlin 1992, S. 230.

Details zu diesem Werk

Beschriftung

Auf der SÀulenbasis bezeichnet: römische Ziffern [?] und "Villa Albani" (schwarze Kreide)

Unten rechts: Stempel der Sammlung Philippi (L. 1334); auf dem Verso in der Mitte rechts: Stempel der Sammlung Philippi (L. 1334); unten in der Mitte Stempel der Hamburger Kunsthalle (L. 1233)

Provenienz

Ludwig Hermann Philippi (1848-1908), Hamburg (L. 1335); Legat Philippi an die Hamburger Kunsthalle 1908

Bibliographie

David Klemm: Italienische Zeichnungen 1450-1800. Kupferstichkabinett der Hamburger Kunsthalle, Die Sammlungen der Hamburger Kunsthalle Kupferstichkabinett, Bd. 2, Köln u. a. 2009, S.190-191, Nr.245