Anonym (deutsch 15. Jh.) Oberrhein
Maria mit dem Kind im Gemach, um 1465/70
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Anonym (deutsch 15. Jh.) Oberrhein

Maria mit dem Kind im Gemach, um 1465/70

Anonym (deutsch 15. Jh.) Oberrhein

Maria mit dem Kind im Gemach, um 1465/70

Das Blatt ist von Harzen in seinem handschriftlichen Inventar einem anonymen Meister der Ulmer Schule aus der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts zugeschrieben worden. Wohl in Unkenntnis dieser Lokalisierung ist das Blatt wenig später als Zeichnung in der Art des Meisters E. S. (um 1420-um 1486) inventarisiert worden. Stange hat dann 1951 den engen Zusammenhang zwischen der Hamburger Maria und der Madonna auf einem Altarflügelfragment mit der „Anbetung der Könige“ in Zürich herausgestellt, die er der Schule des Konrad Witz (1400/10–1444/46) zuordnete. Das Hamburger Blatt sei von derselben „behaglichen Stimmung“ erfüllt, „die Falten des Gewandes sind ebenso kleinteilig brüchig, der Kopf von ähnlich vollrunder Form.“ Die oberrheinische Herkunft des Meisters wird auch durch den Vergleich mit dem 1467 datierten Kupferstich „Die betende Maria in ihrem Gemach“ des Meisters E. S. bestätigt.(Anm. 1) Nicht nur die Türeinfassungen ähneln einander, auch in der Raumauffassung besteht weitgehende Übereinstimmung: Der bildparallelen Rückwand beim Meister E. S. entspricht die offene Tür auf dem Hamburger Blatt, während beim Meister E. S. der kapellenartige Gewölbebau auf der linken Seite perspektivisch genauso wenig überzeugend angebunden ist wie auf dem Hamburger Blatt die linke Wand mit dem Fenster. Auf die oberrheinische Herkunft des Künstlers weist zudem die ausgeprägte Lavierung des Blattes hin.
Die Darstellung ist bisher als die Anbetung des Kindes durch Maria gedeutet worden, doch hat Dietmar Lüdke 2001 im Karlsruher Katalog darauf hingewiesen, dass keine eigentliche Anbetung gemeint ist, sondern Maria die Hände erhoben hat, weil das Christuskind offensichtlich gerade den vor Maria liegenden Apfel hat fallen lassen. Ihre Geste ist eine abwehrende Bewegung aus Sorge, auch das Kind könne von ihrem Schoß fallen. Die Schilderung dieses dramatischen Moments ist ohne Vorbild bzw. Nachfolge und dürfte die eigenständige Erfindung des unbekannten Meisters sein.

Peter Prange

1 Meister E. S. Ein oberrheinischer Kupferstecher der Spätgotik, Ausst.-Kat. München 1986, S. 40–41, Nr. 25, Taf. 18.

Details zu diesem Werk

Beschriftung

Auf dem Verso unten links bezeichnet: "5.10 8.7" (Bleistift); Stempel der Hamburger Kunsthalle (L. 1328)

Wasserzeichen / Kettenlinien

ca. 33 mm

Provenienz

Georg Ernst Harzen (1790-1863), Hamburg (L. 1244), NH Ad: 01: 04, fol. 142: "Fünfzehntes Jahrhundert 1te Hälfte Schule von Ulm Maria sitzend in einer Kammer neben einem Fenster betrachtet mit Liebe und Vorsehung das Christkind auf ihrem Schooße; durch eine offene Thür im Hintergrunde, welche die Aussicht auf eine flache Landschaft gewehrt schwebt ein Engel mit einer Krone in Händen. Feder und Bister. 5.10. 8.7."; und Ad: 02: 01, S. 239; Legat Harzen 1863 an die „Städtische Gallerie“ Hamburg; 1868 der Stadt übereignet für die 1869 eröffnete Kunsthalle

Bibliographie

Peter Prange: Deutsche Zeichnungen 1450-1800. Katalog, Die Sammlungen der Hamburger Kunsthalle Kupferstichkabinett, Bd. 1, Köln u.a. 2007, S.391-392, Nr.1175

Spätmittelalter am Oberrhein. Maler und Werkstätten 1450-1525, Ausst.-Kat. Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, Stuttgart 2001, S.61-62, Nr.6, Abb.

Von Dürer bis Baselitz. Deutsche Zeichnungen aus dem Kupferstichkabinett der Hamburger Kunsthalle, Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle 1989, S.10-1, Abb., Nr.1

Alfred Stange: Deutsche Malerei der Gotik. Südwestdeutschland in der Zeit von 1400 bis 1450, Bd. 4, München 1951, S.151, Abb.212