Blickwechsel

jeden Sonntag von 14:30 – 17:30 Uhr
in der Ausstellung MAX BECKMANN. weiblich–mĂ€nnlich

WĂ€hrend unserer Schließzeit haben wird aus Blickwechsel Wortwechsel . Weitere BeitrĂ€ge finden Sie hier.


Offenes Format, einfach vorbeischauen! Im Eintritt enthalten.

Max Beckmanns Hauptinteresse galt dem Menschen. Die Ausstellung untersucht die zahlreichen, oft widersprĂŒchlichen Rollen von Weiblichkeit und MĂ€nnlichkeit in seiner Kunst. Wie definierte der KĂŒnstler weiblich und mĂ€nnlich? VerĂ€ndern sich Geschlechterzuschreibungen im Lauf der Zeit, und wie verstehen wir sie heute?

Expert*innen aus verschiedenen Fachbereichen verlegen ihren Arbeitsplatz temporĂ€r in die Ausstellung und bringen ihren Blick auf Beckmanns Kunst und auf Geschlechterfragen ein. Wir freuen uns ĂŒber Ihre Teilnahme!

 Aus diesem »Blickwechsel« sind mit der temporĂ€ren Schließung der Hamburger Kunsthalle bis vorraussichtlich Ende November 2020 nun schriftlich gefĂŒhrte »Wortwechsel« geworden. 

Galerie

Termine

27. Sept 2020 — Dr. Gabriele Himmelmann, Kunsthistorikerin

Gabriele Himmelmann hat in Gießen Kunstgeschichte und Literaturwissenschaften studiert. Sie ist freie Mitarbeiterin u. a. an der Hamburger Kunsthalle; außerdem Lehrbeauftragte fĂŒr Kunstgeschichte am Zentrum fĂŒr Weiterbildung (ZfW) der UniversitĂ€t Hamburg sowie an der TU Hamburg-Harburg. Einer ihrer Arbeitsschwerpunkte ist das VerhĂ€ltnis von Kunst und Literatur. Sowohl in Kunstwerken wie auch in literarischen Texten wurde das jeweilige VerhĂ€ltnis zur Welt gestaltet; setzt man dies in Beziehung zueinander, ergibt sich ein erweiterter Erkenntnisrahmen. Max Beckmann war ein ĂŒberaus belesener KĂŒnstler, der vielfach literarische Quellen in seinen Werken verarbeitet hat. Wir gehen der Frage nach, in welcher Weise Beckmann die literarischen Texte bildlich deutet.

04. Okt 2020 — Dr. Karin Schick, Kuratorin der Ausstellung

Karin Schick (* 1968), Studium der Kunstgeschichte, Philosophie und Germanistik in TĂŒbingen und Boston. Dissertation zur Rezeption Paul CĂ©zannes in den USA. Nach Anstellungen an der Hamburger Kunsthalle und dem Kunstmuseum Stuttgart von 2006 bis 2012 Direktorin des Kirchner Museum Davos. Seit Dezember 2012 Leitung Klassische Moderne an der Hamburger Kunsthalle. Publikationen und Ausstellungen u. a. zu Otto Dix, Ernst Ludwig Kirchner, Emil Nolde, Dieter Roth und Sophie Taeuber-Arp sowie 2014 zu Max Beckmann. Die Stillleben.

11. Okt 2020 — Dr. Andrea Weniger, Leitung Bildung & Vermittlung, Hamburger Kunsthalle

Andrea Weniger studierte Kunst- und Kulturgeschichte, Romanistik und PĂ€dagogik in Augsburg und Lyon (B.A.), schloss daran ein Masterstudium »Museum und Ausstellung« in Oldenburg an. 2015 promovierte sie an der Ludwig-Maximilians-UniversitĂ€t MĂŒnchen mit einer Dissertation ĂŒber Bremer Kunstsammler und -sammlungen des frĂŒhen 19. Jahrhunderts. WĂ€hrend des Promotionsstudiums in MĂŒnchen war sie u.a. als freiberufliche Kunstvermittlerin im MuseumspĂ€dagogisches Zentrum, in den Bayerische StaatsgemĂ€ldesammlungen und in der StĂ€dtischen Galerie im Lenbachhaus tĂ€tig. Von 2015-2017  absolvierte sie ein wissenschaftliches Volontariat an der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe, 2017-2019 leitete sie den Besucherservice und die Vermittlung im Haus der Kunst in MĂŒnchen und 2019-2020 war sie fĂŒr die digitale Vermittlung der wissenschaftlichen Sammlungen im Staatlichen Museum fĂŒr Naturkunde in Karlsruhe verantwortlich.

18. Okt 2020 — Claudia Rasztar, M.A., Kulturwissenschaftlerin und Kunstvermittlerin

Claudia Rasztar, Studium der Kulturwissenschaften, der Kunstgeschichte und der Romanistik in Paris (Sorbonne, École du Louvre) und an der UniversitĂ€t Bremen. Galerieleitung in Wendhausen / Braunschweig. Seit 1996 freiberufliche Dozentin und Kunstvermittlerin: Entwicklung und DurchfĂŒhrung von Kunstcamps im Grandhotel Heiligendamm seit 2010; seit 2011 Ausbildung und Evaluierung von Guides fĂŒr die Hansestadt Buxtehude. In der Hamburger Kunsthalle seit 2015 tĂ€tig fĂŒr die Abteilung Bildung & Vermittlung (und anderem). Freie Mitarbeit im Schloss Agathenburg seit 2017 und Kunstvermittlerin sowie Leitung der Projekte » Hereinspaziert. Mein Weg zu Kunst« sowie »happy veddel« fĂŒr die Stiftung KulturglĂŒck.

25. Okt 2020 — Monika Mertens, Autorin und Spoken Word Artist

Die gebĂŒrtige Hamburgerin Monika Mertens (*1980), ist seit 2012 bundesweit erfolgreich auf Poetry-Slam-, Lese- sowie weiteren VeranstaltungsbĂŒhnen unterwegs und aus der deutschsprachigen Spoken-Word-Szene nicht mehr wegzudenken. Sie ist mehrfache Finalistin der Hamburger Stadtmeisterschaften im Poetry Slam sowie Halbfinalistin der Deutschsprachigen Meisterschaften im Poetry Slam 2015, fĂŒr die sie sich im Jahr 2018 erneut qualifizierte. Zudem erreichte sie das Hamburger Bunker-Slam-Finale 2017 und 2019. Ihre Texte sind bisher in verschiedenen Anthologien erschienen. Monika Mertens schreibt Lyrik und Prosa, laut und leise, schreckt auch vor Rap-Gedichten nicht zurĂŒck und auch ansonsten eigentlich vor gar nichts. Ihr Mut und ihre UnbekĂŒmmertheit ebenso mit Themen, die ans Eingemachte gehen, spiegeln sich in ihrer starken BĂŒhnenprĂ€senz wider. Ihre fast ausschließlich autobiografische Textwelt erstreckt sich von ernst ĂŒber nachdenklich bis hin zu brechend komisch und unvermutet.

01. Nov 2020 — Singa Behrens, M.A., wissenschaftliche Mitarbeiterin Philosophisches Seminar, UniversitĂ€t Hamburg

Singa Behrens ist wissenschaftliche Mitarbeiterin und Doktorandin im Emmy-Noether-Projekt »Relevanz« an der UniversitĂ€t Hamburg. Sie promoviert zu der Frage der logischen und metaphysischen Autonomie normativer Tatsachen. Dabei interessiert sie sich insbesondere fĂŒr semantische AnsĂ€tze, die eine detaillierte Sicht auf semantische Gehalte bieten und so insbesondere die Frage der Relevanz in den Vordergrund rĂŒcken. 
Ihr philosophisches Interesse richtet sich vor allem auf gegenwĂ€rtige Debatten in der Metaphysik, Logik und Metaethik. Neben diesen Bereichen der Spezialisierung beschĂ€ftigt sie sich mich mit dem Werk Immanuel Kants. Vor dem Beginn ihrer Arbeit an der Promotion hat sie an der UniversitĂ€t Hamburg den Master in Philosophie mit einer Arbeit zur Rolle von moralischen Gesetzen in der BegrĂŒndung von moralischen Tatsachen erworben. Zuvor erlangte Behrens den Bachelor in dem Studiengang Lehramt an Gymnasien mit den FĂ€chern Mathematik und Philosophie.  

08. Nov 2020 — Prof. Dr. Alexander Klar, Direktor Hamburger Kunsthalle

Alexander Klar (*1968) in Waiblingen bei Stuttgart geboren und wuchs in Athen auf. Er studierte Kunstgeschichte, Geschichte und christliche ArchĂ€ologie in Erlangen. 2000 promovierte er an der Friedrich-Alexander-UniversitĂ€t in Erlangen mit einer Dissertation ĂŒber Friedrich BĂŒrklein. Nach Stationen am Solomon R. Guggenheim Museum in New York (1997), an der Peggy Guggenheim Collection in Venedig (2000) und an der Kunsthalle in Emden (2002-2004) war er ab 2004 war er Ausstellungskurator am Victor and Albert Museum in London und  von 2008-2009 GrĂŒndungsdirektor des Emil Schumacher Museums in Hagen. Das Museum Wiesbaden leitete er von 2010-2019. Seit August 2019 ist er Direktor der Hamburger Kunsthalle.

15. Nov 2020 — Dr. Jan Metzler, Literaturwissenschaftler und Leitung Kommunikation & Marketing, Hamburger Kunsthalle

Jan Metzler, Studium der Deutschen Philologie, Psychologie und Kommunikationswissenschaften an der WestfĂ€lischen Wilhelms UniversitĂ€t MĂŒnster. Seit 2003 an der Hamburger Kunsthalle, leitet die Abteilung Kommunikation & Marketing. Promotion ĂŒber De /Formation: Autorschaft, Körper und MaterialitĂ€t im expressionistischen Jahrzehnt. Veröffentlichungen zu Weiblichkeit und Tod in Heinrich Manns FrĂŒhwerk, zur transdisziplinĂ€ren MaterialitĂ€tsdebatte und Mitherausgeber des Sammelbandes Aus dem Verborgenen zur Avantgarde zur feministischen Literaturwissenschaft der 80er Jahre.

 Aus diesem Blickwechsel sind mit der temporĂ€ren Schließung der Hamburger Kunsthalle bis zum 11. Januar 2021 nun schriftlich gefĂŒhrte Wortwechsel geworden. Wir erleben nun Dr. Jan Metzler, Literaturwissenschaftler und Leiter Kommunikation & Marketing an der Hamburger Kunsthalle, in einem sehr feinsinnigen GesprĂ€ch mit der Kuratorin und Leiterin der Sammlung Klassische Moderne, Dr. Karin Schick, ĂŒber die Lithographie Bildnis Peter Beckmann von Max Beckmann aus dem Jahr 1918.

Zum Interview

22. Nov 2020 — Sabine Zorn, M.A., Leitung Restaurierung Graphik & Fotografie, Hamburger Kunsthalle

Sabine Zorn ist seit 2011 Leiterin der Konservierung/Restaurierung von Graphik und Fotografie an der Hamburger Kunsthalle. Sie studierte Konservierung und Restaurierung von Graphik, Schriftgut und Fotografie an der Hochschule der KĂŒnste Bern. Von 2004 bis 2010 hatte sie Anstellungen am Aargauer Kunsthaus in Aarau, im Kunstmuseum Bern und an der Hochschule der KĂŒnste Bern. Sabine Zorn publizierte u. a. zu dem lichtinduzierten Alterungsverhalten von Diasec-Arbeiten, den Zeichenmitteln Stefano della Bellas, Leonardo da Vincis und zu Anita RĂ©e.

 Aus diesem Blickwechsel sind mit der temporĂ€ren Schließung der Hamburger Kunsthalle bis zum 11. Januar 2021 nun schriftlich gefĂŒhrte Wortwechsel geworden. Wir erleben Sabine Zorn, Restauratorin und Leiterin der Restaurierung Graphik & Fotografie an der Hamburger Kunsthalle, mit Sophia Colditz und Ann-Kathrin Hubrich (wissenschaftliche Mitarbeiterinnen) im Interview ĂŒber Beckmanns großformatige Tuschzeichnung Selbstbildnis mit Fisch aus dem Jahr 1949:

ZUM INTERVIEW

06. Dez 2020 — Nathalie David, Filmemacherin und Fotografin

Geboren in Frankreich, lebt Nathalie David seit 1989 in Hamburg. Sie studierte freie Kunst an der Villa Arson in Nizza und an der HfBK in Hamburg bei Katharina Sieverding, mit anschließendem Zusatzstudium am Institut des Hautes Études von Ponthus Hulten in Paris und an der HfBK in Visueller Kommunikation. 1992 erhielt sie das Hamburg-Stipendium, die FIACRE Stipendium, Paris, und 2003 ein einjĂ€hriges Stipendium an der HFF Potsdam-Babelsberg.  Nathalie David ist Filmemacherin, Zeichnerin und Fotografin.  Sie sieht den dokumentarischen Blick als Genre und als spezifischen Kunstprozess.

13. Dez 2020 — Dr. Anja Tiedemann, Kunsthistorikerin mit Schwerpunkt Kunstmarktforschung

Die Kunstmarktforschung ist eine junge Disziplin der Kunstgeschichte. Die HĂ€ndler des Malers, Zeichners und Graphikers Max Beckmanns weckten dabei schon frĂŒh das Interesse von Anja Tiedemann. Wer waren die maßgeblichen Akteure vor, wĂ€hrend und nach dem Krieg? Wie erlebte der Handel die Zeit des Nationalsozialismus? Worauf begrĂŒndete sich der Erfolg des KĂŒnstlers in den USA noch wĂ€hrend des Krieges? Hatte die Aktion »Entartete Kunst« darauf Einfluss? Seit April 2016 erarbeitet die Wissenschaftlerin ein neues Werkverzeichnis fĂŒr die GemĂ€lde Beckmanns, das noch in diesem Jahr im Internet freigeschaltet und kĂŒnftig unter ihrer Regie an der Hamburger Kunsthalle fortgefĂŒhrt wird. Interessierte Besucher*innen sind eingeladen, ihre Fragen mit Dr. Anja Tiedemann zu erörtern.

20. Dez 2020 — Inga Dreesen, M.A., Kunsthistorikerin mit Schwerpunkt Gender Studies

Inga Dreesen studierte Kunstgeschichte und Kulturanthropologie an der UniversitĂ€t Hamburg und am University College London. Seit 2014 ist sie Mitarbeiterin in Ausstellungs- und Forschungsprojekten der Hamburger Kunsthalle, u. a. Anita RĂ©e. Retrospektive und Trauern. Von Verlust und VerĂ€nderung. DarĂŒber hinaus ist sie als freiberufliche Kunstvermittlerin sowie Autorin tĂ€tig. WĂ€hrend ihres Studiums war Inga Dreesen Stipendiatin der Claussen-Simon-Stiftung und arbeitete als Hilfskraft im Museumsreferat der Kulturbehörde sowie am Kunstgeschichtlichen Seminar der UniversitĂ€t Hamburg. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen auf Kunstwerken der Klassischen Moderne und Moderne. Sie untersucht diese aus der Perspektive der Gender Studies und analysiert IdentitĂ€tskonstruktionen, MachtverhĂ€ltnisse und queer-feministische Praktiken.

17. Jan 2021 — Gaby Zipfel, M.A., Sozialwissenschaftlerin, Hamburger Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kultur

Gaby Zipfel ist Senior Researcher bei der Hamburger Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kultur. Sie ist Koordinatorin der Arbeitsgruppe »Krieg und Geschlecht« und MitbegrĂŒnderin der Internationalen Forschungsgruppe Sexual Violence in Armed Conflict (SVAC). Von 1992 bis 2012 war sie Redakteurin der Zeitschrift des Hamburger Instituts fĂŒr Sozialforschung Mittelweg 36. Sie ist MitbegrĂŒnderin der Internetplattform Eurozine. Nach dem Studium der Philosophie, Germanistik und Politikwissenschaft in Berlin und Hamburg war sie in verschiedenen Feldern der Feministischen Wissenschaft, spĂ€ter Genderstudies, engagiert. Zu ihren jĂŒngst erschienenen Veröffentlichungen gehören: »LibertĂ©, EgalitĂ©, Sexualité« in: Mittelweg 36 (August/September 2018); zusammen mit Regina MĂŒhlhĂ€user und Kirsten Campbell (Hrsg.): »In Plain Sight. Sexual Violence in Armed Conflict« (2019).

10. Jan 2021 — Özlem Nas, M.A., Turkologin und Erziehungswissenschaftlerin, SCHURA, Rat der islamischen Gemeinschaft in Hamburg, e. V.

Özlem Nas ist Erziehungswissenschaftlerin und Bildungsbeauftragte bei der Schura - Rat Islamischer Gemeinschaften in Hamburg. Sie ist stellvertretende Vorsitzende des Interreligiösen Forums Hamburg und Referentin bei der Reihe »Kunst im Interreligiösen Dialog«. Als interkulturelle Trainerin, Moderatorin und Mediatorin arbeitet sie an den Schwerpunkten DiversitĂ€t, Kommunikation und interkulturelle Öffnung.

 Aus diesem Blickwechsel sind mit der temporĂ€ren Schließung der Hamburger Kunsthalle bis zum 11. Januar 2021 nun schriftlich gefĂŒhrte Wortwechsel geworden. Wir erleben im dritten Wortwechsel Özlem Nas, Turkologin und Erziehungswissenschaftlerin sowie Bildungsbeauftragte bei der SCHURA – Rat der Islamischen Gemeinschaften in Hamburg e. V., im GesprĂ€ch mit Sophia Colditz (wissenschaftliche Mitarbeiterin) ĂŒber das  Doppelbildnis Max Beckmann und Minna Beckmann-Tube, das in der  Ausstellung Max Beckmann. weiblich-mĂ€nnlich ausgestellt ist. 

ZUM INTERVIEW

24. Jan 2021 — Melas Eichhorn, KĂŒnstler*in

Melas Eichhorn ist KĂŒnstler*in und  freie Mitarbeitende fĂŒr Bildung und Vermittlung an der Hamburger Kunsthalle.

»The Curator is in« Blickwechsel 4. Oktober 2020

Am Sonntag, dem 4. Oktober 2020 hat Dr. Karin Schick, Kuratorin der Ausstellung Max Beckmann. weiblich-mĂ€nnlich, ihren Arbeitsplatz in die Ausstellung verlegt. Drei Stunden lang stand sie fĂŒr Fragen und GesprĂ€che bereit. Um Punkt 14.30 Uhr fanden sich die ersten Besucher*innen ein, um persönlich mit Karin Schick ĂŒber ihre Ausstellung zu sprechen: Was waren ihre BeweggrĂŒnde, das VerhĂ€ltnis von weiblich und mĂ€nnlich in den Fokus zu rĂŒcken? Warum wĂ€hlte sie lavendel als Wandfarbe? Wie erfolgte die Auswahl der ausgestellten Werke?
Die Gelegenheit der 1:1-Begegnung mit der Kuratorin war eine Besonderheit fĂŒr viele Besucher*innen. »Blickwechsel – Wortwechsel« entfaltet eine neue, andere Form der Dynamik: der persönliche, direkte Austausch, die Möglichkeit, hinter die Kulissen zu blicken, zu fragen und eigene Gedanken zu teilen.

»Mach Kunst.Teile Deine Gedanken.« Blickwechsel 25. Oktober 2020

Intensive GesprĂ€che, gemeinsames Nachdenken und persönlicher Austausch – all das fand am Sonntag, dem 25. Oktober 2020 in der Ausstellung Max Beckmann. weiblich-mĂ€nnlich am »Blickwechsel«-Tisch statt. Zwischen den Besucher*innen und der Spoken Word-KĂŒnstlerin Monika Mertens ergaben sich zahlreiche Fragen: Was bedeutet mĂ€nnlich, was ist weiblich? Was liegt zwischen diesen Kategorien, und wie verstand der KĂŒnstler Max Beckmann sie? Wie erleben die Besucher*innen Geschlechterzuschreibungen heute, im privaten und öffentlichen Leben?

Aus Stichworten dieser Dialoge formte die KĂŒnstlerin spontan kurze Texte und Gedichte. Aus dem flĂŒchtigen Gedanken wurde so geschriebenes Wort. Am Tisch ausgelegt, konnten die Ergebnisse wiederum kommentiert werden und Ausgangspunkte fĂŒr eine weitere Auseinandersetzung mit dem Thema der Geschlechter und ihrer gesellschaftlichen Relevanz sein.

Max-Beckmann - Wortwechsel Teil 1

Aus diesem Blickwechsel sind mit der temporĂ€ren Schließung der Hamburger Kunsthalle bis zum 11. Januar 2021 nun schriftlich gefĂŒhrte Wortwechsel geworden. Wir erleben nun Dr. Jan Metzler, Literaturwissenschaftler und Leiter Kommunikation & Marketing an der Hamburger Kunsthalle, in einem sehr feinsinnigen GesprĂ€ch mit der Kuratorin und Leiterin der Sammlung Klassische Moderne, Dr. Karin Schick, ĂŒber die Lithographie Bildnis Peter Beckmann von Max Beckmann aus dem Jahr 1918.

KS: Lieber Jan, aus den vielen Werken der Ausstellung »Max Beckmann. weiblich-mĂ€nnlich«  hast Du ein PortrĂ€t des Sohnes Peter Beckmann im Alter von 10 Jahren ausgewĂ€hlt. Was interessiert oder berĂŒhrt Dich an dieser Darstellung besonders?

JM: In meinem Studium habe ich mich viel mit der Literatur des Expressionismus beschĂ€ftigt, der Zeit zwischen 1910 und 1920. Also genau der Zeit, in der auch Max Beckmanns PortrĂ€t seines Sohnes entstand. Der Expressionismus wird oft als Revolte der Söhne gegen die VĂ€ter gelesen, sozusagen die pubertĂ€re Phase der Literatur der Moderne. Das Ganze gipfelt dann in Franz Kafkas berĂŒhmtem »Brief an den Vater« aus dem Jahr 1919. MĂŒtter kommen in dieser Literatur so gut wie gar nicht vor, auch expressionistische Schriftstellerinnen gibt es wenige. Da schreiben also Söhne mit viel Pathos und Idealismus gegen eine steife, einengende wilhelminische VĂ€tergeneration an. Der Schrei in die Welt, als der der Expressionismus auch bezeichnet wird, ist vielleicht das markanteste Bild dafĂŒr. Die Epoche ist laut. Die Bevölkerungszahlen der StĂ€dte explodieren, die Technik macht riesige Fortschritte, die Geschwindigkeit nimmt zu. Die Gewalt des Ersten Weltkriegs ist ĂŒberall prĂ€sent. Auch in den Werken Beckmanns aus dieser Zeit.

Und dann steht man in der Ausstellung plötzlich vor diesen zarten PortrĂ€ts seines Sohnes. Keine vollendeten Bilder, eher Studien. Sie haben mich sofort berĂŒhrt. Hier blickt ein Vater auf seinen Sohn. Und hier ist etwas anders. Du hast Beckmann ja als den zupackenden, mĂ€nnlichen Weltendeuter befragt, als den ihn die Forschung und auch er sich selbst gerne gesehen hat. In diesen wenigen PortrĂ€ts von seinem Sohn steckt ganz viel Unsicherheit. Es ist ein unsicherer Blick, der uns da entgegen schaut, nein, eher durch uns hindurchschaut. Man spĂŒrt eine große Distanz, der Sohn scheint wie entrĂŒckt. Ausgearbeitet sind eigentlich nur Kopf und HĂ€nde, der Rest bleibt skizzenhaft. Spontan haben mich der Blick und die Kopfhaltung an Beckmanns Selbstbildnis aus dem Jahr 1905 erinnert, das ebenfalls in der Ausstellung hĂ€ngt. Blickt Beckmann 13 Jahre spĂ€ter in seinem Sohn auch auf sich selbst? Nichts Ungewöhnliches fĂŒr einen Vater.

Typisch fĂŒr seine Epoche hat Beckmann sich viel mit Weltschöpfungsmythen beschĂ€ftigt, also der Frage, wie die Welt und vor allem die Menschen entstanden sind. Dabei geht es immer wieder um mĂ€nnliche und weibliche KrĂ€fte, die ineinander wirken. Letztlich ist es die uralte Vorstellung einer mĂ€nnlichen Form und einer weiblichen Materie, aus der alles entsteht. Der geniale KĂŒnstler-Mann vereinigt gleich beides in sich und macht die Frau ĂŒberflĂŒssig. Da ist der Otto Weininger lesende Beckmann in meinen Augen ganz seiner Zeit verhaftet. Sein Sohn aber wirkt wie ein störendes Element. Ich möchte fast sagen: wie eine KrĂ€nkung dieses KĂŒnstlernarzissten, der sich selbst als eine Einheit aus MĂ€nnlichem und Weiblichem phantasiert. Seinen Sohn aber bekommt er nicht recht zu fassen, ihn muss er sich auch kĂŒnstlerisch auf Distanz halten. Wenn es um seinen Sohn geht, dann ist bei Max Beckmann, um es mit Sigmund Freud zu sagen, »das Ich nicht Herr im eigenen Haus«. Hier passiert etwas in seinem Werk, dass er nicht beherrschen kann. Vielleicht gibt es deswegen so wenige Bilder von seinem Sohn.

KS: Die Lithographie »Bildnis Peter Beckmann« hĂ€ngt in einem Saal der Ausstellung, der »Die Familie« betitelt ist. War dieses Thema fĂŒr dich als Literaturwissenschaftler, fĂŒr deine eigene Arbeit wichtig?

JM: Das ist eine spannende Frage. Meine Doktormutter Martina Wagner-Egelhaaf meinte damals, dass die Themen, die man sich aussucht, immer auch etwas mit einem selbst zu tun hĂ€tten und nicht einfach nur beliebige Forschungsfelder seien. Wir haben das damals empört von uns gewiesen. Wir waren schließlich objektive angehende Wissenschaftler! Dachten wir. Ich habe damals ĂŒber die Krise des mĂ€nnlichen KĂŒnstlersubjekts im Expressionismus gearbeitet. Da ging es viel um Ekel, verwesende Körper, generell um Materie, die sich dem souverĂ€nen KĂŒnstlermann entzieht und die er im kĂŒnstlerischen Prozess immer wieder zu formen versucht. Da hört man so einen Hinweis wie den der Doktormutter vielleicht nicht gerne. Die Energie, die in den Sohn-Vater-Konflikten des Expressionismus liegt, habe ich damals immer nur aus der Perspektive des Sohnes betrachtet. Erst jetzt, da ich selbst Vater eines Sohnes bin, verschiebt sich diese Perspektive. Ich glaube, mit Mitte Zwanzig wĂ€ren mir in der Ausstellung Beckmanns PortrĂ€ts seines Sohnes nicht unbedingt aufgefallen.

KS: Welchen Eindruck hinterlÀsst die Ausstellung bei Dir, welchem Gedanken oder welcher Anregung möchtest Du vielleicht nachgehen?

JM: Ich habe mich am Anfang schon gefragt, warum wir eine Ausstellung ĂŒber die Vorstellungen von »weiblich« und »mĂ€nnlich« bei einem so machohaften KĂŒnstler wie Beckmann machen. Auf den ersten Blick ist da so viel zeit- und epochentypisch bei ihm. Die PortrĂ€ts seines Sohnes zeigen aber – und sie sind nur ein Beispiel –, wie spannend es ist, den Irritationen in seinen Werken nachzugehen. Den Stellen, wo in der Kunst etwas WiderstĂ€ndiges auftaucht. Dann sind die ganzen großen Modelle plötzlich gar nicht mehr so rund und vollkommen. Dann wird auch der große Max Beckmann plötzlich unsouverĂ€n und damit erst so richtig spannend.

Dr. Jan Metzler, Studium der Deutschen Philologie, Psychologie und Kommunikationswissenschaften an der WestfĂ€lischen Wilhelms-UniversitĂ€t MĂŒnster. Seit 2003 an der Hamburger Kunsthalle, leitet die Abteilung Kommunikation & Marketing. Promotion ĂŒber »De/Formation: Autorschaft, Körper und MaterialitĂ€t im expressionistischen Jahrzehnt“. Veröffentlichungen zu „Weiblichkeit und Tod in Heinrich Manns FrĂŒhwerk« und zur transdisziplinĂ€ren MaterialitĂ€tsdebatte, Mitherausgeber von »Aus dem Verborgenen zur Avantgarde: AusgewĂ€hlte BeitrĂ€ge zur feministischen Literaturwissenschaft der 80er Jahre«


 

Max Beckmann - Wortwechsel Teil 2

Aus diesem  »Blickwechsel« sind mit der Schließung der Hamburger Kunsthalle nun schriftlich gefĂŒhrte  »Wortwechsel« geworden. Im zweiten Teil korrespondiert Sabine Zorn, Restauratorin und Leiterin der Restaurierung Graphik & Fotografie an der Hamburger Kunsthalle, mit Sophia Colditz und Ann-Kathrin Hubrich (wissenschaftliche Mitarbeiterinnen) ĂŒber Beckmanns großformatige Tuschzeichnung Selbstbildnis mit Fisch« aus dem Jahr 1949:

AKH: Liebe Sabine, wir haben dich gebeten, ein Werk aus der Ausstellung  »Max Beckmann. weiblich-mĂ€nnlich« auszuwĂ€hlen, und du hast dich fĂŒr  »Selbstbildnis mit Fisch« entschieden. Was macht die Tuschzeichnung fĂŒr dich so interessant?

SZ: Das schwarz-weiße Selbstbildnis entstand nur wenige Jahre vor Beckmanns Tod in den USA und ist eines der letzten Selbstbildnisse des KĂŒnstlers. Beckmann hat sich selbst im Kurzarmhemd gezeichnet, das ĂŒber die Schulter gewandte Gesicht teils von einem Hut verschattet, rauchend, einen Fisch in der Faust haltend. Diese kraftvolle, fast schon fotografische Momentaufnahme des KĂŒnstlers an einem sonnigen Tag in der Natur inszeniert ihn – sucht man dazu in den digitalen Medien – in einer bis heute gelĂ€ufigen, klassischen Darstellungsweise von MĂ€nnlichkeit. Auch viele weitere der im Laufe seines Lebens entstandenen Selbstbildnisse weisen dieses Merkmal auf. Beckmanns VerstĂ€ndnis von mĂ€nnlicher IdentitĂ€t erscheint so in Anbetracht der gesellschaftlichen UmbrĂŒche und normativen VerĂ€nderungen innerhalb seiner Selbstbildnisse zunĂ€chst seltsam unberĂŒhrt. Betrachtet man jedoch Beckmanns Leben selbst oder liest seine TagebĂŒcher, ergeben sich aufgrund von Ereignissen wie der Teilnahme am Ersten Weltkrieg, dem Verlust der Anstellung in Frankfurt und seiner kĂŒnstlerischen Anerkennung, der mit finanziellen Unsicherheiten verbundenen Emigration nach Amsterdam oder dem Neubeginn in Amerika mit ĂŒber 60 Jahren deutliche BrĂŒche. Im Kontext der gesellschaftlichen Erwartungen dieser Zeit hat das sicherlich dazu gefĂŒhrt, dass Beckmann seine mĂ€nnliche IdentitĂ€t auch als etwas Zerbrechliches und UnbestĂ€ndiges wahrnehmen musste.

Betrachtet man vor diesem Hintergrund das Selbstbildnis erneut, ergibt sich auch hier eine Ambivalenz. So wird der Blick von der zwei Drittel des Bildhintergrunds einnehmenden SchwĂ€rze abgewendet und ĂŒber die Schulter zurĂŒck gerichtet. Der Blick bezieht den Betrachter nicht ein, geht an ihm vorbei in die Ferne. Der Fisch (bei Beckmann auch Sinnbild fĂŒr die seelische Verfassung) wird zwar entschlossen von der Hand umfasst, kann jedoch jeden Moment entgleiten.

Wendet man sich in diesem Zusammenhang der gegenwÀrtigen Entwicklung zu, in der MÀnnlichkeit u. a. als toxisch oder fragil beschrieben wird, Formen der gewaltsamen Dominanz in den sozialen Medien zunehmen (siehe Tweets von Donald Trump) oder MÀnner, die aus der ihnen zugedachten Rolle fallen, als unmÀnnlich diffamiert werden (Piers Morgan gegen Daniel Craig), hat die Auseinandersetzung mit dem Thema MÀnnlichkeit (und Weiblichkeit) keinesfalls an Bedeutung verloren. Aktuelle Geschehnisse, wie das medial sehr aufmerksam begleitete Auftreten des Ehemanns (Douglas Emhoff) der designierten ersten US-VizeprÀsidentin Kamala Harris, sind dabei genauso essenziell wie die Auseinandersetzung mit historischen Vorlagen.

SC: Welche Rolle spielt deiner Meinung nach die MaterialitÀt und Technik eines Werkes im Hinblick auf die Motivwahl?

SZ: Beckmann bedient sich fĂŒr seine Selbstbildnisse einer breiten Palette von Techniken. Er malt sich gerne in weltmĂ€nnischer Pose selbstbewusst großformatig in Öl, zeichnet sich aber auch in kleineren Formaten mal nachdenklich, mal entschlossen mit der Radiernadel. Auch Aquarell und Pastell kommen als Zeichenmittel zum Einsatz. Die Verwendung des schwarzen Tuschpinsels vermischt mit Kohle ist bei den Selbstbildnissen eher ungewöhnlich. Zwar verwendet Beckmann den Tuschpinsel regelmĂ€ĂŸig fĂŒr Umrisslinien, fĂŒgt den Arbeiten (ob in Öl oder Aquarell) dann aber ĂŒblicherweise noch Farbe hinzu. Im Falle von  »Selbstbildnis mit Fisch« erzielt Beckmann durch den monochromen Einsatz des schwarzen Pinsels eine expressive, in ihrer starken Hell-Dunkel Kontrastierung mit der Farbe des Blattes fast holzschnittartige Wirkung. Feinere Linien werden von breiteren Pinselstrichen ĂŒberlagert, die im Bildhintergrund zur schwarzen FlĂ€che verdichtet werden, von welcher sich KĂŒnstler und Fisch abheben. Die fließende Konturierung und die flĂŒchtig skizzierten, sich netzartig ĂŒberlagernden Linien verstĂ€rken die spannungsvolle Grundstimmung der Zeichnung. Die SpontaneitĂ€t des Tuschpinsels verleiht dem Selbstbildnis den Eindruck der Fotografie-typischen Momentaufnahme. Es ist jedoch – wie hĂ€ufig bei Beckmann – vermutlich erst im Nachgang an den Ausflug im Atelier entstanden.

AKH: Hat sich dein Blick auf Max Beckmann durch die Ausstellung verÀndert?

SZ: Die Stillleben von Max Beckmann waren eines der Vorbereitungsthemen meiner AbiturprĂŒfung 1996 in Baden-WĂŒrttemberg. Diese bildgewaltigen Werke haben den nachhaltigsten Eindruck bei mir hinterlassen. Den KĂŒnstler nun in seiner Auseinandersetzung mit einem ganz anderen, auch tagespolitisch aktuellen Thema wiederentdecken zu können, war daher eine besondere Erfahrung. Vom KĂŒnstler erneut ĂŒberzeugt hat mich seine kĂŒnstlerische Vielfalt und sein versierter Umgang mit den verschiedenen Techniken. Aus ihnen holt er fĂŒr seine jeweiligen Themen und Ideen das Maximum heraus.

Sabine Zorn, geb. 1976, Studium der Konservierung und Restaurierung von Graphik, Schriftgut und Fotografie an der Hochschule der KĂŒnste Bern. Von 2004 bis 2010 Anstellungen am Aargauer Kunsthaus in Aarau, am Kunstmuseum Bern und an der Hochschule der KĂŒnste Bern. Seit 2011 Leiterin Konservierung / Restaurierung von Graphik und Fotografie an der Hamburger Kunsthalle. Publikationen u. a. zu den Zeichenmaterialien und -techniken Anita RĂ©es und den Zeichenmitteln von Stefano della Bella und Leonardo da Vinci.


Max Beckmann - Wortwechsel Teil 3

 Aus diesem  »Blickwechsel« sind mit der Schließung der Kunsthalle nun schriftlich gefĂŒhrte  »Wortwechsel« geworden. Im dritten Teil lesen Sie nun Özlem Nas, Turkologin und Erziehungswissenschaftlerin sowie Bildungsbeauftragte bei der SCHURA – Rat der Islamischen Gemeinschaften in Hamburg e. V., im GesprĂ€ch mit Sophia Colditz (wissenschaftliche Mitarbeiterin).

SC: Liebe Frau Nas, das GemÀlde  »Doppelbildnis Max Beckmann und Minna Beckmann-Tube«, das aktuell in der Ausstellung  »Max Beckmann. weiblich-mÀnnlich« zu sehen ist, hat Ihre Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Was sehen Sie in dieser Darstellung?

ÖN: In dem GemĂ€lde sieht man Max Beckmann mit seiner Frau Minna. Es fĂ€llt auf, dass trotz der zueinander geneigten Körperhaltung die Körpersprache und der Gesichtsausdruck von Distanz zeugen. Die Stimmung des Paares wirkt grundsĂ€tzlich voneinander abweichend. Es scheint eine gewisse Spannung in der Luft liegt zu liegen. Vielleicht eine bereits verflogene Harmonie, die Minna als in sich gekehrte Frau zurĂŒckgelassen hat? Ein starker, selbstbewusst und lĂ€ssig posierender Mann und neben ihm sitzend seine schwache Frau, die in die Leere starrt und die Hoffnung auf ErfĂŒllung ihrer WĂŒnsche, Erwartungen und BedĂŒrfnisse in weiter Ferne weiß?

SC: Dieses GemĂ€lde des Paares zeigen wir innerhalb der Ausstellung im Saal  »Doppelselbst«, einer Gruppe von Doppelbildnissen Max Beckmanns mit seiner ersten bzw. zweiten Ehefrau: Was ist aus Ihrer Perspektive ein  »Selbst«, und was wĂŒrden Sie unter einem „Doppelselbst« verstehen?

ÖN: Das Selbst setzt sich aus vielen Facetten zusammen. Es ist fluid. Es formt sich mit unseren Erfahrungen und Erlebnissen. Es wĂ€chst, erblĂŒht, stagniert oder verkĂŒmmert entsprechend der UmstĂ€nde und Entfaltungsmöglichkeiten, die es umgeben. Je nachdem, in welchem Raum es sich bewegt, kann eine andere Facette zum Vorschein kommen oder aber in den Hintergrund treten. Welche RĂ€ume lassen also welche Facette zu und welche RĂ€ume legen welche Facette frei? Wo kann das Selbst wachsen und sich entfalten? Wo kann das Selbst authentisch sein und sich wohl und willkommen fĂŒhlen? Ganz gleich, ob sich das Selbst in einer Partnerschaft befindet oder im gesellschaftlichen Kontext bewegt – es sollte frei sein. Ein Selbst existiert nicht, um die Erwartungen derjenigen zu erfĂŒllen, die meinen bestimmen zu dĂŒrfen, wie es zu sein hat.

Der Begriff  »Doppelselbst« erweckt in mir den Anschein von der Existenz zweierlei „Selbsts«, die ambivalent, aber in Gemeinschaft sind. Dies kann eine freiwillige oder unfreiwillige Partnerschaft sein, die freudvoll oder leidvoll ist. Wenn das Selbst keinen ZwĂ€ngen unterliegt, anders sein zu mĂŒssen als es sein will, und sich freiwillig als Doppel sieht, kann dies meines Erachtens als StĂ€rke betrachtet werden. In umgekehrter Weise ist es zweifelsohne ein Leid. Ob man von einem Selbst, einem Doppelselbst oder einem multiplen Selbst spricht, sollte immer dem Selbst entspringen und keine erzwungene Existenzform auf Ă€ußere UmstĂ€nde darstellen.

SC: Welchen Beitrag kann Max Beckmanns Kunst auch zukĂŒnftig noch leisten, um einen interkulturellen Dialog zum Thema  »weiblich-mĂ€nnlich« zu stĂ€rken?

ÖN: Durch die Einbettung in dialogische Vermittlungskonzepte kann die Kunst eine Plattform zum Austausch ĂŒber gesellschaftliche Konzepte zu „weiblich-mĂ€nnlich«, aber auch ĂŒber viele andere Themen bieten. Beckmanns Kunst stellt viele Facetten des Mensch-Seins und des menschlichen Miteinanders in den Mittelpunkt und bietet dadurch viele Anreize, um miteinander ins GesprĂ€ch zu kommen und die  »NormativitĂ€t von NormalitĂ€t“ zu hinterfragen. FĂŒr eine StĂ€rkung des  »interkulturellen Dialogs« muss die fachliche Rahmung ein Setting beinhalten, das Zugangsbarrieren erkennt und entfernt und einen Frei-Raum schafft fĂŒr Menschen, die divers sind. Dies kann zum Beispiel dadurch erfolgen, dass ein Dialog auf Augenhöhe gefĂŒhrt wird wie bei dem Projekt  »Kunst im Interreligiösen Dialog« von Marion Koch und der Hamburger Kunsthalle. Dem Begriff  »interkulturell« sollte ein Konzept multipler Kulturen zugrunde liegen. Eine Einengung des  »Kultur«-Begriffs auf die  »Herkunft“«wird unserer gegenwĂ€rtigen Lebenswelt nicht gerecht. Ein Austausch, dem ein Frei-Raum fĂŒr diverse Menschen zugrunde liegt, kann dazu beitragen, den Horizont der Betrachterinnen und Betrachter in unterschiedlichen Nuancen zu fĂ€rben, das VerstĂ€ndnis fĂŒreinander zu weiten und den Zusammenhalt zu stĂ€rken. Es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, diese barrierefreien Frei-RĂ€ume in Begleitung von Beteiligungsverfahren zu schaffen, kontinuierlich zu pflegen und zu erneuern. 

M.A. Özlem Nas, Studium der Turkologie, Erziehungswissenschaft und Psychologie an der UniversitĂ€t Hamburg. Promovendin am Fachbereich Erziehungswissenschaft:  »Religiöse Bildung muslimischer Jugendlicher in Schule und Gemeinde«. Publikationen im Bereich Religion/ReligionssensibilitĂ€t & Isam. Stellvertretende Vorsitzende des Interreligiösen Forums Hamburg, des BĂŒndnisses Islamischer Gemeinden in Norddeutschland und im Vorstand der Schura Hamburg fĂŒr Bildungsarbeit. Referentin bei »Kunst im interreligiösen Dialog« in der Hamburger Kunsthalle. Bildungsreferentin bei dem Projekt QualiMoVe. Mediatorin, Moderatorin, interkulturelle Trainerin und Lehrer*innenfortbildnerin.


Max Beckmann - Wortwechsel Teil 4

 Aus diesem  »Blickwechsel« sind mit der Schließung der Kunsthalle nun schriftlich gefĂŒhrte  »Wortwechsel« geworden. Im vierten Teil wagt die Filmemacherin Nathalie David ein Experiment: Ihre Antwort auf die Fragen von Sophia Colditz (wissenschaftliche Mitarbeiterin) ist ein Drehbuch fĂŒr einen Kurzfilm.

SC: Liebe Nathalie David, Sie haben aus den Werken in der Ausstellung »Max Beckmann. weiblich-mĂ€nnlich« ein zentrales GemĂ€lde des KĂŒnstlers fĂŒr unseren Dialog ausgewĂ€hlt, das den Besuchern der Hamburger Kunsthalle vertraut ist: „Odysseus und Kalypso“. Wie erleben Sie als KĂŒnstlerin und Filmemacherin das Bild, sehen Sie es durch die Linse einer Kamera?

ND: Vielen Dank, dass Sie mich dazu eingeladen haben. Ich habe ĂŒberlegt, wie ich mit meinen TĂ€tigkeiten in diesem »Blickwechsel/Wortwechsel« mitwirken kann und bin auf die Idee gekommen, ein Mini-Drehbuch zu schreiben, sodass man sich einen Kurzfilm vorstellten kann, wenn man es liest:

VORSPANN

Musik: Swing Jazz aus den 1930/40er-Jahren als Hommage an Beckmanns »Selbstbildnis mit Saxophon« (1930)

Karte/Titel: GrĂŒne Schrift auf Schwarz – wie das GrĂŒn im Bild in der rechten oberen Ecke hinter der Katze:

 

SCHNITT

1 – Totale Interieur Hamburger Kunsthalle, Lichtwark-Galerie. Die Musik wird leiser. Man hört den dezenten Klang sich nĂ€hernder Frauenschritte. Die Musik wird ausgeblendet. Wir sehen das Beckmann-GemĂ€lde.

Eine junge Frau kommt von der linken Seite ins Bild und positioniert sich zwischen dem Kakadu und dem rechten Bein von Odysseus. Sie zeigt uns ihren RĂŒcken. Sie trĂ€gt einen geraden Mantel mit schwarzem Saum und dazu einen Cloche-Hut, beide aus derselben Schurwolle in Chromgelb. Die Farbe erinnert an das Chromgelb des Kakaduschnabels, von Odysseus Bart, Kalypsos FingernĂ€geln und der Schnauze der Katze. Aus dem Hut fallen ihre schwarzen Haare auf den RĂŒcken und zeichnen dort ein schwarzes Quadrat. Die schwarze Farbe erinnert an Kalypsos Haare, genau wie der Saum des Mantels an die schwarzen Konturen erinnert, die ein Markenzeichen von Beckmanns Malerei sind.

Die junge Frau trĂ€gt beige-rosafarbene wollene StrĂŒmpfe in der Farbe von Kalypsos Körper und elegante braune Schuhe mit flachem Absatz. Sie schaut das Bild an.

 

SCHNITT

2 – Nahaufnahme

Die Kamera schwenkt langsam von links nach rechts, leicht nach oben, von Odysseus’ rechtem Auge weiter ĂŒber Kalypsos Auge bis zum Auge der Katze, fĂ€hrt zurĂŒck nach links in der Diagonale bis zum Kakadu und von dort gerade nach unten zu den Knöcheln von Odysseus und Kalypso. Wir hören die junge Frau stöhnend ĂŒberlegen.

 

SCHNITT

Die Kamerabewegung folgt ihrer Stimme und ihrem Atem.

Sie flĂŒstert: – ER SIE SIE ER

und atmet aus. Sie wendet ihren Kopf von Odysseus zu Kalypso. Atmet ein. Von Kalypso zur Katze. Von der Katze zum Vogel. Man spĂŒrt die Interaktion zwischen dem Bild und der jungen Frau.

 

SCHNITT

3 – Großaufnahme

Sie nimmt die Position von Odysseus ein, HĂ€nde hinter dem Nacken. Die FĂŒĂŸe breit aufgestellt. Sie murmelt vor sich hin.

Sie sagt: (tiefe Stimme) ER, passiv. Er blickt in die Ferne. Der Vogel an seiner Seite.

 

SCHNITT

4 – Nahaufnahme von der rechten Hand der jungen Frau, die sich bewegt wie das Flattern eines VogelflĂŒgels. Die Kamera folgt der Hand, die sich vor dem Bild hebt. Man sieht kurz das Blau des Schildes hinter Odysseus’ Kopf. Man sieht die Finger der Frau vor dem Bild. Sie zĂ€hlt mit den Fingern ihrer linken Hand etwas ab. Man sieht ihre beiden HĂ€nde in spielerischer Interaktion. Dann imitieren sie die Geste von Kalypso, eine Hand auf dem Herzen, die andere ihn haltend, damit er fĂŒr ewig bleibt. Eine dritte Hand nimmt die beiden HĂ€nde und sie verschwinden schnell aus dem Bildausschnitt nach links. Die dritte Hand, leicht dunkelhĂ€utig, trĂ€gt ein chromgelbes FreundschaftsbĂ€ndchen aus Baumwolle.

 

SCHNITT

5 – Großaufnahme von dem blauen Schild oben links mit dem Schwert.

Der blaue Schild erinnert an eine Uhr. Das Schwert an die Uhrzeiger.

Ton: Man hört das Ticken einer Uhr.

Sie sagt: ER will wegfliegen, heimkehren nach Ithaka zu seiner Frau Penelope und seinem Sohn Telemachos. Seit sieben Jahren hÀlt ihn Kalypso bei sich fest und nur mit Hilfe von Zeus kann er sich befreien.

Sie flĂŒstert: eins zwei drei vier fĂŒnf sechs sieben eins zwei drei vier fĂŒnf sechs sieben

Ton: Das Ticken der Uhr hört auf.

 

SCHNITT

6 – Nahaufnahme von Kalypsos Gesicht, Schmuck, Körper, Knöchel.

Eine andere Frauenstimme sagt im Off, wĂ€hrend die erste weiter die Ziffern flĂŒstert:

– SIE, aktiv, schön, anziehend, verliebt, selbstbewusst, bestimmend, verspricht ihm Unsterblichkeit, wenn er bei ihr bleibt.

Die erste Frau hört auf zu zÀhlen und erwidert:

– SIE mit dem Federschmuck am Hals. Kette. Katze

Die zweite Frau:

– ER Vogel – die Schlange, die ihn umschlingt. Schwert

– SCHHHHHHHHHHHHHHH! Grande histoire!

 

SCHNITT

7 – Halbnahe Aufnahme von beiden Frauen zusammen mit Odysseus und Kalypso

Erste Frau: Odysseus und Kalypso, 1943

Zweite Frau: Großes Liebespaar mit Schlange, so war der Titel zuerst. Das sollte Beckmann selber sein mit seiner geliebten NaĂŻla, der grĂ¶ĂŸten Leidenschaft seines Lebens.

Seit 1937 lebt er im Exil und sehnt sich nach Deutschland.

Erste Frau: Amour Amour, woher weißt Du das?

Zweite Frau: Hab’s grade im Katalog gelesen.

 

SCHNITT

8 – Totale

Beide Frauen mit dem RĂŒcken zu uns vor dem Bild. Die zweite Frau trĂ€gt einen langen weiten Pullover mit Rollkragen, petrolblau mit schwarzen vertikalen Linien aus Kaschmir. Dazu bis ĂŒber die Knie einen smaragdgrĂŒnen Faltenrock aus Wolle mit chromgelben horizontalen Linien. Sie trĂ€gt wollene petrolblaue KniestrĂŒmpfe und leichte braune Wanderschuhe. Ihr fĂŒlliges braunes Haar fĂ€llt in einem Pferdeschwanz locker gebunden bis zum unteren RĂŒcken. Die Farbe und die LĂ€nge des Haares erinnern an die Schlange und an das Katzenfell, die petrolblauen StrĂŒmpfe an Odysseus’ Beinschienen und das SmaragdgrĂŒn an die Farbe der Kakadufedern.

Beide Frauen sind gleich groß und gleich alt. Plötzlich umarmt die zweite Frau die erste Frau mit ihrem Arm, gibt ihr einen riesigen Kuss auf die Wange und sagt:

– Na komm, ich hab' Durst.

Die erste Frau spielt mit ihrer langen Gliederkette aus Zelluloid in Schwarzweiß. Sie gehen nach rechts aus dem Bild. Man hört ihre Schritte, die sich entfernen.

Musik: Der Swing Jazz setzt dort wieder ein, wo er im Vorspann aufgehört hatte.

 

Titel: THE END

GrĂŒne Schrift auf Schwarz

Nachspann

 

Nathalie David, geboren in Frankreich, lebt seit 1989 in Hamburg. Sie studierte freie Kunst an der Villa Arson in Nizza und an der HfBK in Hamburg bei Sigmar Polke und Katharina Sieverding mit anschließendem Zusatzstudium am Institut des Hautes Études von Ponthus HultĂ©n in Paris und an der HfBK in Visueller Kommunikation. 1992 erhielt sie das Hamburg-Stipendium, das FIACRE Stipendium, Paris, und 2003 ein einjĂ€hriges Stipendium an der HFF Potsdam-Babelsberg bei Helke Misselwitz. Sie sieht den dokumentarischen Blick als Genre und als spezifischen Kunstprozess.