Stefano della Bella
Kartusche mit stehendem und sitzendem Putto (Mitte); Kopf eines Mannes mit schmerzverzerrtem Gesicht; Theatermaske (links); Kopf eines nach oben schauenden Kriegers mit Helm, männlicher Akt (rechts),
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Stefano della Bella

Kartusche mit stehendem und sitzendem Putto (Mitte); Kopf eines Mannes mit schmerzverzerrtem Gesicht; Theatermaske (links); Kopf eines nach oben schauenden Kriegers mit Helm, männlicher Akt (rechts),

Stefano della Bella

Kartusche mit stehendem und sitzendem Putto (Mitte); Kopf eines Mannes mit schmerzverzerrtem Gesicht; Theatermaske (links); Kopf eines nach oben schauenden Kriegers mit Helm, männlicher Akt (rechts)

Recto und Verso von Inv.-Nr. 1967-81 sind typische Studienblätter della Bellas. Sie belegen seine experimentelle Zeichenweise und zeigen, dass der Künstler häufig gleichzeitig an verschiedenen Projekten arbeitete.
Zentrales Motiv auf dem Recto ist ein Grabmalsentwurf, an dem ein stehendes nacktes Kleinkind besonders auffällt. Dieser Putto stützt seinen wohl in Trauer leicht geneigten Kopf auf seinen linken Arm, den er auf einem leeren Kartuschenfeld aufgesetzt hat. Ein zweiter sitzender Putto rechts mit Helm dürfte als weitere Figur für diese Grabanlage gedacht gewesen sein. Den Bezug auf ein Grabmal stellen nicht nur die zwei übereinander angeordneten Kartuschen her, sondern auch zwei schemenhaft skizzierte Totenschädel im oberen und unteren Bereich. Möglicherweise dienten die Skizzen als Entwurfsstudien für ein Kindergrab.
Motivisch vergleichbar ist eine Zeichnung in Berlin, die ein nacktes stehendes Kleinkind in sehr ähnlicher Haltung in einer locker skizzierten Rahmenarchitektur zeigt.(Anm. 1) Eine Ausführung der beiden Studien ist nicht bekannt.
Der nach oben schauende Kopf eines bärtigen Kriegers mit Helm ist eine seitenverkehrte Vorstudie für eine Radierung (de Vesme/Massar 351) der um 1643 geschaffenen Serie „RECVEIL DE DIVERSES PIECES Seruant à l’Art de portraiture“ (de Vesme/Massar 325–363).(Anm. 2) Die Änderungen sind gering, vor allem wurden die Details bei der Ausführung stärker herausgearbeitet. Eine deutlich detailliertere Vorstudie zu dieser Radierung befindet sich in den Uffizien.(Anm. 3)
Der Männerkopf links oben und der athletische Männerakt rechts könnten nach antiken Vorlagen entstanden sein. Hierauf deuten die Gesichtstypen und kleine Details wie die angedeutete Kleidung oben links.
Das Gesicht der Frau unten links steht sicher im Zusammenhang mit einer Theateraufführung. Der starre Ausdruck und die lochartigen Augenhöhlen lassen vermuten, dass die dargestellte Person eine Maske trägt. Diese Vermutung wird dadurch gestützt, dass zu beiden Seiten des Gesichtes zwei Masken erkennbar sind. Eine ähnliche Figur findet sich in sehr kleiner Form auf einer Zeichnung in Berlin.(Anm. 4)

David Klemm

1 Staatliche Museen zu Berlin, Kunstbibliothek, HdZ 2404/40.
2 Jolanta Talbierska: Stefano della Bella (1610-1664). Etchings from the Collection of the Print Room of the Warsaw University Library, Warschau 2001, S. 70, Nr. II, 85.
3 Florenz, Gabinetto Disegni e Stampe degli Uffizi, Inv.-Nr. 8020 F.
4 Staatliche Museen zu Berlin, Kunstbibliothek, HdZ 2404/126. Vgl. auch die Theatermasken auf der Radierung Alexandre de Vesme, Phyllis Dearborn Massar: Stefano della Bella. Catalogue Raisonné, Alexandre de Vesme with Introduction and Additions by Phyllis Dearborn Massar, New York 1971, I, Nr. 81.



verso:

Frauenkopf; weibliche Figur mit Flügeln (Fama ?); florale Ornamente; Reiter von hinten (um 180° gedreht); zwei Männer (Kampfszene ?)

Die beiden im Dreiviertel- und Ganzprofil gezeigten Frauenköpfe stehen in Zusam-menhang mit della Bellas um 1646 entstandener Serie „Recueil de divers griffone-ments et preuues [sic] d’eau forte (…)“(de Vesme/Massar 389–458) und „DIVERSES FIGVRES ET GRIFFONNEMENS (…)“ (de Vesme/Massar 459–481).(Anm. 1) Der linke Kopf findet sich mit geringen Änderungen seitenverkehrt auf de Vesme/Massar 423.(Anm. 2)
Von besonderem Interesse ist die Studie einer geflügelten Frau, bei der es sich um eine frühe Ideenskizze für die Figur einer Fama handeln könnte. Della Bella hat eine derartige Allegorie in einer sehr lebendigen lavierten Federzeichnung in weiter ausgearbeiteter Form dargestellt.(Anm. 3) Diese Fama befindet sich auf einem Blatt, das offensichtlich militärische Erfolge der französischen Truppen festhalten sollte. Die Ähnlichkeiten zwischen der Hamburger und der Pariser Zeichnung betreffen vor allem die Kopfhaltung und den vor der Brust angewinkelten Arm. Die Flügel sind in Hamburg wesentlich kleiner und runder angelegt.
Della Bella hat eine Fama für ein Titelblatt einer Folge mit Ansichten der Loirestädte radiert und in veränderter Form später als Titel für eine Ausgabe der Serie „Recueil de divers griffonements (…)“ verwendet.(Anm. 4)
Die Kreideskizze am unteren Rand ist sehr abstrakt, könnte aber eine Kampfszene darstellen. Rechts ist ein Mensch zu erkennen, der offenbar mit ausgestreckten Armen vor einem Mann mit Helm flieht.
Der in Rückenansicht gezeigte Reiter kann trotz seiner konkreten Ausarbeitung keiner Radierung zugeordnet werden.

David Klemm

1 Alexandre de Vesme, Phyllis Dearborn Massar: Stefano della Bella. Catalogue Raisonné, Alexandre de Vesme with Introduction and Additions by Phyllis Dearborn Massar, New York 1971, Bd. I, Nr. 389-458; ebd., Nr. 459-481.
2 Die Unterschiede sind gering und betreffen vor allem die Kopfbedeckung.
3 Paris, Privatsammlung; vgl. Viatte 1977, Taf. 1.
4 Alexandre de Vesme, Phyllis Dearborn Massar: Stefano della Bella. Catalogue Raisonné, Alexandre de Vesme with Introduction and Additions by Phyllis Dearborn Massar, New York 1971, I, Nr. 949; Jolanta Talbierska: Stefano della Bella (1610-1664). Etchings from the Collection of the Print Room of the Warsaw University Library, Warschau 2001, S. 96–97.

Details zu diesem Werk

Verso

Titel verso: Zwei Frauenköpfe; weibliche Figur mit Flügeln (Fama?); florale Ornamente; Reiter von hinten (um 180° gedreht); zwei Männer (Kampfszene?)

Technik verso: Feder in Braun, Kreide

Provenienz

Erworben 1967 aus Privatbesitz

Bibliographie

David Klemm: Italienische Zeichnungen 1450-1800. Stefano della Bella. Katalog und Tafeln. Kupferstichkabinett der Hamburger Kunsthalle, hrsg. von Hubertus Gaßner und Andreas Stolzenburg, Die Sammlungen der Hamburger Kunsthalle Kupferstichkabinett, Bd. 2, Böhlau Verlag Köln u. a. 2009, S.52(verso), 84-85(recto), Nr.191(verso) + 296(recto), Abb.Farbtafel S. 149(verso) + 194(recto)

Jahrbuch der Hamburger Kunstsammlungen, hrsg. von Hamburger Kunsthalle und dem Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg, Bd. 13, Dr. Ernst Hauswedell & Co Verlag Hamburg 1968, S.174-175