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Stefano della Bella
Hirte in einer bewaldeten Flusslandschaft, sein Pferd trÀnkend, um 1655
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Stefano della Bella

Hirte in einer bewaldeten Flusslandschaft, sein Pferd trÀnkend, um 1655

Stefano della Bella

Hirte in einer bewaldeten Flusslandschaft, sein Pferd trÀnkend, um 1655
Reiter in einer bewaldeten Flußlandschaft, sein Pferd trĂ€nkend

Die Zeichnung ist eine seitenverkehrte Vorstudie zu einer der Radierungen (de Vesme/Massar 784)(Anm. 1) aus della Bellas Folge der „Quattro grandi paesaggi“ (de Vesme/Massar 781–784).(Anm. 2) Sie ist von etwas geringerer Höhe als die Radierung, aber ungefĂ€hr genau so breit. Wesentliche Elemente der Komposition sind bereits angelegt: der hohe, bildbeherrschende Baum rechts sowie der Reiter mit dem wassertrinkenden Pferd im Vordergrund. Selbst Details, wie der am Boden schnĂŒffelnde Hund rechts sind bereits erkennbar. Die Unterschiede zur spĂ€teren AusfĂŒhrung betreffen vor allem den Hintergrund, der auf der Zeichnung noch wenig konkret angelegt ist.
In der Biblioteca Marucelliana befindet sich eine relativ große Studie im Querformat, die von de Vesme/Massar zu Recht mit dem unteren Teil der Hamburger Zeichnung in Verbindung gebracht wurde.(Anm. 3) Hier ist seitenrichtig eine Reiterin mit einem großen Ballen vor dem Bauch dargestellt. Rechts von ihr ist noch eine Figur angedeutet. Hinter den beiden erhebt sich eine Böschung mit BaumstĂ€mmen. Im Gegensatz zu Hamburg hat della Bella hier noch viel stĂ€rker mit Kreide gearbeitet.
DarĂŒber hinaus gibt es eine Gruppe von Zeichnungen in Florenz, Berlin und Paris die ebenfalls mit der Serie der „Quattro grandi paesaggi“ in Verbindung gebracht werden können. Sie sind ebenfalls durch das Hochformat, durch dominierende Baumdarstellungen und kleine Staffagefiguren charakterisiert und zeigen zudem einige technische Ähnlichkeiten. Allerdings bestehen auch interessante technische Unterschiede, die ein Licht auf della Bellas experimentelles Zeichenverfahren werfen.
Die Berliner Zeichnung weist auch die in Hamburg vorherrschende grau-braune Farbigkeit auf, hervorgerufen vor allem durch leicht brĂ€unliche Lavierungen im Laubwerk (Anm. 4); dagegen fehlen nennenswerte Schwarztintenwerte und auch die Kreide fand wenig Verwendung. Die Figuren im Hintergrund sind im Gegensatz zu der konkreteren Ausarbeitung in Hamburg flĂŒchtiger skizziert. Dagegen ist die Hauptfigur zwar in der typisch unruhigen della Bella-Manier angelegt, aber in der Komposition voll entwickelt. In Hamburg wird dagegen noch stĂ€rker um die eigentliche Haltung gerungen. Bei den Schraffuren bestehen Übereinstimmungen vor allem mit dem linken Baum auf der Berliner Zeichnung; wĂ€hrend der dortige zentrale Baum wohl aufgrund der stĂ€rkeren Ausarbeitung anders schraffiert ist.
Das Pariser Blatt Ă€hnelt in der Gesamterscheinung der Hamburger Studie, obwohl dort eine stĂ€rkere Grauwirkung zu beobachten ist.(Anm. 5) Vorherrschend sind der Einsatz von Kreide und eine kraftvolle Lavierung. Die BĂ€ume sind nur ansatzweise hellbraun schraffiert und vorwiegend fleckenhaft laviert. SĂ€mtliche Figuren sind hellbraun gezeichnet. Von Interesse ist, dass zwei Details – der Mann vorn sowie ein Pferd und ein weisender Reiter links oberhalb davon – in das Blatt hineingeklebt wurden. Trotz dieser aufwendigen Vorbereitung ist keine Umsetzung als Radierung bekannt.
Ebenfalls nicht ausgefĂŒhrt wurde eine hochformatige Zeichnung in den Uffizien, auf der ein Mann ein Pferd gegen dessen Widerstand ziehen muss.(Anm. 6) Auch hier ist der sich hinter der Figurengruppe erhebende große Baum das Hauptmotiv. Im Vergleich zu Hamburg ist das Blatt skizzenhafter angelegt. Auffallend sind die starke Lavierung und die zurĂŒckhaltende Verwendung von Kreide.
Die Serie von Studien fĂŒr die großen Landschaften belegt della Bellas Interesse an technischen Experimenten nachdrĂŒcklich. Die Vielzahl an unausgefĂŒhrten EntwĂŒrfen lĂ€sst den vorsichtigen Schluss zu, dass er ursprĂŒnglich eine umfangreichere Serie plante, diese dann aber spĂ€ter nicht mehr realisierte.
Eine genaue Datierung der hier besprochenen Zeichnungen ist schwierig, da die zeitliche Entstehung der „Quattro grandi paesaggi“ in der Forschung strittig ist. WĂ€hrend Anna Forlani Tempesti die mittleren 1650er Jahren annahm (Anm. 7), schlug Anthony Blunt eine frĂŒhere Entstehungszeit kurz vor Ende des Pariser Aufenthalts 1649 vor.(Anm. 8) Dorit SchĂ€fer hielt eine etwas spĂ€tere Datierung fĂŒr möglich.(Anm. 9) Generell ist festzuhalten, dass die gesamte Folge und die damit verbundenen Zeichnungen den starken Einfluss der niederlĂ€ndischen Malerradierer, so etwa von Herman van Swanevelt, aufweist. Diese KĂŒnstler kannte della Bella bereits seit den 1630er Jahren. Die oben beschriebene experimentelle Zeichentechnik verweist aber deutlich auf das SpĂ€twerk, so dass hier eine Entstehung der Folge in der ersten HĂ€lfte der 1650er Jahre angenommen wird.

David Klemm

1 Vgl. Alexandre de Vesme, Phyllis Dearborn Massar: Stefano della Bella. Catalogue Raisonné, Alexandre de Vesme with Introduction and Additions by Phyllis Dearborn Massar, New York 1971, I, S. 120, Nr. 784.
2 Ebd., Nr. 781-784.
3 Florenz, Biblioteca Marucelliana, Inv.-Nr. Vol. D 58; vgl. de Vesme/Massar 1971, I, S. 120, Nr. 784.
4 Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett, KdZ 14896; Inv.-Nr. 295-1844.
5 Paris, Musée du Louvre, Département des Arts Graphiques, Inv.-Nr. 441; vgl. Dessins de Stefano della Bella 1610-1664. Musée du Louvre, Cabinet des dessins. Inventaire général des dessins italiens, Bd. 2., bearb. v. Françoise Viatte, Paris 1974, S. 211, 214, Nr. 391.
6 Florenz, Gabinetto Disegni e Stampe degli Uffizi, Inv.-Nr. 365 P.
7 Mostra di incisioni di Stefano della Bella, bearb. v. Anna Forlani Tempesti, Gabinetto Disegni e Stampe degli Uffizi XXXIX, Ausst.-Kat. Florenz, Gabinetto Disegni e Stampe degli Uffizi, Florenz 1973, S. 135–137.
8 The Drawings of G. B. Castiglione & Stefano della Bella in the Collection of Her Majesty the Queen at Windsor Castle, bearb. v. Anthony Blunt, The Italian Drawings at Windsor Castle, hrsg. v. Anthony Blunt, London 1954, S. 90, Anm. 5.
9 Stefano della Bella. Ein Meister der Barockradierung, mit BeitrÀgen von Jessica Mack-Andrick, Dorit SchÀfer, Angela Vollmer, Ausst.-Kat. Kunsthalle Karlsruhe 2005, S. 138.

Details zu diesem Werk

Beschriftung

Oben links lÀngerer eigenhÀndiger Text: " " (Kre)

Provenienz

Erworben 1967 aus Privatbesitz

Bibliographie

David Klemm: Von der Schönheit der Linie. Stefano della Bella als Zeichner, hrsg. von Andreas Stolzenburg und David Klemm, Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle 2013, S.202-209, Abb., Nr.83

David Klemm: Italienische Zeichnungen 1450-1800. Stefano della Bella. Katalog und Tafeln. Kupferstichkabinett der Hamburger Kunsthalle, hrsg. von Hubertus Gaßner und Andreas Stolzenburg, Die Sammlungen der Hamburger Kunsthalle Kupferstichkabinett, Bd. 2, Böhlau Verlag Köln u. a. 2009, S.72-73, Nr.255, Abb.Farbtafel S. 177

David Klemm: Von Leonardo bis Piranesi. Italienische Zeichnungen von 1450 bis 1800 aus dem Kupferstichkabinett der Hamburger Kunsthalle, hrsg. von Hubertus Gaßner, David Klemm und Andreas Stolzenburg, Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle, Bremen 2008, S.154-155, Abb, S. 231, Nr.70

Jahrbuch der Hamburger Kunstsammlungen, hrsg. von Hamburger Kunsthalle und dem Museum fĂŒr Kunst und Gewerbe Hamburg, Bd. 13, Dr. Ernst Hauswedell & Co Verlag Hamburg 1968, S.174-175