Sandro Botticelli, eigentlich Alessandro di Mariano Filipepi
Studie einer männlichen Figur,
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Sandro Botticelli, eigentlich Alessandro di Mariano Filipepi

Studie einer männlichen Figur,

Sandro Botticelli, eigentlich Alessandro di Mariano Filipepi

Studie einer männlichen Figur

Das von Georg Ernst Harzen noch mit Vorbehalt Pietro Pollaiuolo zugeschriebene Blatt, wird seit den 1920er Jahren Sandro Botticelli zugeordnet. Diese Einschätzung scheint als erster 1921 Venturi vorgenommen zu haben.(Anm.1) Dessen Ansicht wurde 1927 von Berenson bei seinem Besuch in Hamburg bestätigt.(Anm.2) Venturi datierte das Blatt 1922 in die Spätzeit des Künstlers und sah einen Zusammenhang mit der Darstellung einer jungen verzweifelten Frau („La Derelitta“) auf einer Cassone-Tafel (Rom, Galleria Pallavicini). Zudem beobachteten Venturi wie auch Popham Verbindungen zu Botticellis Zeichnungen zur Divina Commedia, so z. B. bei Figuren, die verzweifelt sind.
Schon früh rief die Zuschreibung an Botticelli Widerspruch hervor. Sowohl Giglioli 1928 als auch Fischel 1930 lehnten diese Attribution entschieden ab. In der Folgezeit sollten diese Stimmen nicht verstummen, wie ablehnende bzw. zweifelnde Einschätzungen z. B. von Mesnil 1938, Lightbown 1978 und von Melli 2007 (Anm.3) dokumentieren. Lightbown ordnete das Blatt lediglich unter die Schüler-Zeichnungen.
Trotz dieser zumeist nicht weiter begründeten Einwände hat Schulze Altcappenberg entschieden für die Beibehaltung der Zuschreibung an Botticelli plädiert. Für ihn stellt das Blatt eine sehr qualitätvolle Arbeit dar, die ohne direkten Bezug zu einem Gemälde als reine Studienzeichnung anzusehen ist.(Anm.4) Er wies zudem darauf hin, dass es sich bei der in der jüngsten Literatur als Frau bezeichneten Figur aufgrund der Kopfbedeckung eindeutig um einen jungen Garzone – womöglich aus Botticellis Werkstatt – handelt.(Anm.5) Für Eckhard Schaar besteht die Besonderheit der Darstellung darin, dass sie sich als reine Silberstiftzeichnung und in der geringen Betonung anatomischer Richtigkeit von den Studienblättern des Ghirlandaio- bzw. Filippino-Kreises abhebt. Ihren Reiz sieht er „in der leidenschaftlichen Geste des Ausdrucks.“(Anm.6)

David Klemm

1 Notiz in der Gernsheim-Fotokartei im Archiv des Kupferstichkabinetts.
2 Archiv des Kupferstichkabinetts.
3 Mündliche Mitteilung auf der Grundlage einer Digitalphotographie, November 2007.
4 Anlässlich des Symposiums „Italienische Altmeisterzeichnungen 1450 bis 1800“ am 27. und 28. 10. 2005 im Kupferstichkabinett der Hamburger Kunsthalle.
5 Ebd.
6 Eckhard Schaar, in: Italienische Zeichnungen der Renaissance aus dem Kupferstichkabinett der Hamburger Kunsthalle, bearb. v. Eckhard Schaar unter Mitarbeit v. David Klemm, Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle, Ostfildern-Ruit 1997, S. 84.

Details zu diesem Werk

Beschriftung

Auf dem Verso bezeichnet: "Pietro Pollajuolo" (Bleistift); unten links: Stempel der Hamburger Kunsthalle (L. 1328)

Provenienz

Thomas Dimsdale (1758-1823), London (L. 2426); wahrscheinlich Samuel Woodburn (1786-1853), London (L. 2588); wahrscheinlich auf dessen Nachlaßauktion 1854 in London (Lugt Ventes 21988) von Georg Ernst Harzen (1790-1863), Hamburg (L. 1244) erworben (NH AD : 03 : 16, Sp. 12 als "Pietro Pollaiuolo?"); NH Ad : 02 : 01, S. 218 (als Pietro Pollaiuolo): "Ein sitzender Mann. Unbekl. Stift auf röthl. gef. Pap. 8. /Dimsdale"; NH Ad : 01 : 03, fol. 120 (als Pietro Pollaiuolo?): "Ein Frauenzimmer in sitzender Stellung, unbekleidet. Studie in Silberstift auf röthlich grundirtem Pap. 4.0 6.0. Samml Dimsdale"; Legat Harzen 1863 an die "Städtische Gallerie" Hamburg; 1868 der Stadt übereignet für die 1869 eröffnete Kunsthalle

Bibliographie

David Klemm: Italienische Zeichnungen 1450-1800. Kupferstichkabinett der Hamburger Kunsthalle, Die Sammlungen der Hamburger Kunsthalle Kupferstichkabinett, Bd. 2, Köln u. a. 2009, S.106, Nr.76

David Klemm: Von Leonardo bis Piranesi. Italienische Zeichnungen von 1450 bis 1800 aus dem Kupferstichkabinett der Hamburger Kunsthalle, hrsg. von Hubertus Gaßner, David Klemm und Andreas Stolzenburg, Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle, Bremen 2008, S.34-35, Abb, S. 219, Nr.11

Eckhard Schaar, David Klemm: Italienische Zeichnungen der Renaissance aus dem Kupferstichkabinett der Hamburger Kunsthalle, Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle 1997, S.84, Nr.9, Abb.17

Hamburger Kunsthalle, hrsg. von Werner Hofmann, München 1989 (2. erw. Aufl.), S.196, Nr.433, Abb.433

Hamburger Kunsthalle, hrsg. von Werner Hofmann, München 1985, S.180, Nr.397, Abb.

Ronald Lightbown: Sandro Botticelli. Complete Catalogue, London 1978, S.171, Nr.D 26, Abb.

Roberto Salvini: Tutta la pittura del Botticelli, 2 Bände, Mailand 1958, S.II, 60

V. T. [nicht aufgelöst]: Amburgo: Mostra di disegni italiani dal XV al XVIII secolo, in: Emporium. Rivista mensile illustrata d'arte e di cultura 76, 1957, Nr. 126, S. 228-229, S.228

[Wolf Stubbe]: Italienische Zeichnungen 1500-1800. Ausstellung aus den Beständen des Kupferstichkabinetts, Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle 1957, S.13, Nr.34, Abb.Taf. 7

Bernard Berenson: The Drawings of the Florentine Painters. Amplified Edition, Bd. 2, Chicago 1938, S.58, Nr.566 A

Jacques Mesnil: Botticelli, Paris 1938, S.235

Carlo Gamba: Botticelli, Mailand 1936, S.213, Nr.2

Raimond van Marle, The Development of the Italian Schools of Painting, Bd. XII: The Renaissance painters of Florence in the 15th Century, The Third Generation, I, Den Haag 1931, S.198

Oskar Fischel: Dreizehnte Veröffentlichung der Prestel-Gesellschaft: Zeichnungen italienischer Meister in der Kunsthalle zu Hamburg, in: Kunst und Künstler XXIX, 1930/31, S. 480, S.480

Exhibition of Itallian Art 1200-1900, Ausst.-Kat. London, Royal Academy, London 1930, S.242, Nr.451

Arthur E. Popham: Italian Drawings exhibited at the Royal Academy, Ausst.-Kat. London, Royal Academy 1930, S.13, Nr.43

Odoardo H. Giglioli: [Anmerkungen zur Prestel-Mappe], in: Cronache d`Arte, 5, 1928, , S.262

August Liebmann Mayer: Zeichnungen Alter Meister in der Kunsthalle zu Hamburg. Italiener, Pantheon Band II, 1928, S. 388, S.388

Gustav Pauli: Zeichnungen Alter Meister in der Kunsthalle zu Hamburg. Italiener. Neue Folge, Frankfurt am Main 1927, Abb.Taf. 4

Adolfo Venturi: Un disegno di Botticelli ad Amburgo, in: L` Arte 25, 1922, S. 188-189, S.188, Abb.189

Ausstellung von Zeichnungen Alter Meister aus den Sammlungen der Kunsthalle zu Hamburg, Ausst.-Kat. Kunstverein in Hamburg 1920, S.9, Nr.19