Raffael, eigentlich Raffaello Santi oder Sanzio
Hl. Sebastian, um 1505
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Raffael, eigentlich Raffaello Santi oder Sanzio

Hl. Sebastian, um 1505

Raffael, eigentlich Raffaello Santi oder Sanzio

Hl. Sebastian, um 1505

Das Blatt wurde von Georg Ernst Harzen als Raffael erworben und in dessen frühe Schaffensphase eingeordnet. Diese Einschätzung stieß gegen Ende des 19. Jahrhunderts auf wiederholte Kritik. Dabei wurde die Zeichnung aus stilistischen Gründen in die Nähe von Raffaels Lehrer Pietro Perugino gerückt. Dies gilt z. B. für Wilhelm Koopmann, der nach anfänglicher Zustimmung 1897 Zweifel an der Zuschreibung an Raffael äußerte.(Anm.1) Von Seidlitz und Fischel hielten eine Autorschaft Giovanni di Pietros, genannt Lo Spagna (um 1450–1528), einem Schüler Peruginos, für denkbar.
Die neuere Forschung hat die Studie aber fast ausnahmslos als eigenhändige Zeichnung Raffaels anerkannt. Die überbetonte Körperkontur, die z. B. von Koopmann bemängelt wurde, dürfte auf eine spätere Überarbeitung zurückzuführen sein.
Fischel und Joannides haben die Studie mit einem Entwurf Raffaels für eine „Sacra Conversazione“ im Louvre verbunden, auf der neben Maria mit dem Christuskind der Hl. Rochus und der Hl. Sebastian zu sehen sind.(Anm.2) Allerdings ist dort der rechte Arm des Märtyrers vom Rücken gelöst und nach oben gestreckt dargestellt. Die Hamburger Lösung würde demnach eine Variante der Pariser Fassung darstellen.
Denkbar ist auch, dass die Zeichnung als Studie zu einem kleinen, halbfigurigen Andachtsbild des Hl. Sebastian entstanden ist, in dem das Martyrium des Heiligen in einem zum Mitleiden auffordernden verhaltenen Schmerz illustriert wurde. Diese Vermutung wurde von Hugo Chapman bekräftigt.(Anm.3)
Die Zeichnung dürfte laut Knab/Mitsch/Oberhuber in den umbrischen Jahren bzw. in Florenz entstanden sein.

David Klemm

1 Wilhelm Koopmann: Raffaels Handzeichnungen, Marburg 1897.
2 Der Hinweis von Fischel ist auf einer Karteikarte im Archiv des Kupferstichkabinetts dokumentiert.
3 Mündliche Mitteilung auf der Grundlage einer Digitalphotographie, 18.1.2008.

Details zu diesem Werk

Beschriftung

Unten rechts schwer lesbare Ziffern (Rötel?); auf dem Verso unten links: Stempel der Hamburger Kunsthalle (L. 1328)

Provenienz

Möglicherweise Sammlung Viti-Antaldi (16.–19. Jh.), Urbino und Pesaro (L. 2245–2246); laut Inventar des Georg Ernst Harzen (HK, KK, A, NH Ad: 01: 03, fol. 111); Georg Ernst Harzen, (1790–1863), Hamburg (L. 1244), HK, KK, A, NH Ad: 02: 01, S. 220 (als Raffael); HK, KK, A, NH Ad: 01: 03, fol. 111 (als Raffael): „St Sebastian mit auf den Rücken gebundenen Händen; Halbfigur, der Kopf sehr edel und ausdrucksvoll. Gleichfalls aus früher Zeit. In Kreide. 7.4 9.6 Samml. Antaldi“; Legat Harzen 1863 an die „Städtische Gallerie“ Hamburg; 1868 der Stadt übereignet für die 1869 eröffnete Kunsthalle

Bibliographie

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David Klemm: Von Leonardo bis Piranesi. Italienische Zeichnungen von 1450 bis 1800 aus dem Kupferstichkabinett der Hamburger Kunsthalle, hrsg. von Hubertus Gaßner, David Klemm und Andreas Stolzenburg, Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle, Bremen 2008, S.46-47, Abb, S. 221, Nr.17

Petra Roettig, Annemarie Stefes, Andreas Stolzenburg: Von Dürer bis Goya. 100 Meisterzeichnungen aus dem Kupferstichkabinett der Hamburger Kunsthalle, Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle 2001, S.20-21, Nr.5, Abb.

Eckhard Schaar, David Klemm: Italienische Zeichnungen der Renaissance aus dem Kupferstichkabinett der Hamburger Kunsthalle, Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle 1997, S.104-105, Nr.49, Abb.39

Raphaël. Autour des dessins du Louvre, Ausst.-Kat. Académie de France à Rome, Villa Médicis 1992, S.64-66, Nr.bei Nr. 16

Paul Joannides: The Drawings of Raphael. With a complete catalogue, Oxford 1983, S.138-139, Nr.24, Abb.139

Eckhart Knab, Erwin Mitsch, Konrad Oberhuber: Raphael. Die Zeichnungen, unter Mitarbeit von Silvia Ferino Pagden, Stuttgart 1983, S.565, Nr.97

Anna Forlani: I disegni italiani del Cinquecento. Scuole fiorentina, senese, romana, umbro, marchigiana e dell' Italia Meridionale, Venedig 1962, S.147-148, Abb.10

V. T. [nicht aufgelöst]: Amburgo: Mostra di disegni italiani dal XV al XVIII secolo, in: Emporium. Rivista mensile illustrata d'arte e di cultura 76, 1957, Nr. 126, S. 228-229, S.229

[Wolf Stubbe]: Italienische Zeichnungen 1500-1800. Ausstellung aus den Beständen des Kupferstichkabinetts, Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle 1957, S.15, Nr.49, Abb.Taf. 9

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Odoardo H. Giglioli: [Anmerkungen zur Prestel-Mappe], in: Cronache d`Arte, 5, 1928, , S.262

Gustav Pauli: Zeichnungen Alter Meister in der Kunsthalle zu Hamburg. Italiener. Neue Folge, Frankfurt am Main 1927, Abb.Taf. 16

Ausstellung von Zeichnungen Alter Meister aus den Sammlungen der Kunsthalle zu Hamburg, Ausst.-Kat. Kunstverein in Hamburg 1920, S.21, Nr.120, Abb.Taf. 1

N.N.: Zeichnungen alter Meister aus der Kunsthalle zu Hamburg, in: Der Kunstwanderer 1. Oktoberheft, 1920, S. 54, Abb.49

Oskar Fischel: Raphaels Zeichnungen, Berlin 1913, S.o. S., Nr.12 (Text in Abt. 7, 1928)

Oskar Fischel: Raphaels Zeichnungen. Versuch einer Kritik der bisher veröffentlichten Blätter, Straßburg 1898, S.179, Nr.469

Wilhelm Koopmann: Raffaels Handzeichnungen, Marburg 1897, S.38

Wilhelm Koopmann: Einige weniger bekannte Handzeichnungen Raffaels, in: Jahrbuch der Königlich Preußischen Kunstammlungen 12, 1891, S. 40-49, S.45, 48, Abb.S. 46

Woldemar von Seidlitz: Raphaels Jugendwerke: zugleich eine Antwort an Herrn W. Koopmann, München 1891, S.20