Philipp Otto Runge
Kompositionsentwurf zum "Triumph des Amor": handschriftlicher Text des Künstlers, 1802
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Philipp Otto Runge

Kompositionsentwurf zum "Triumph des Amor": handschriftlicher Text des Künstlers, 1802

Philipp Otto Runge

Kompositionsentwurf zum "Triumph des Amor": handschriftlicher Text des Künstlers, 1802

Runge hatte Böhndel bereits im November 1801 die inhaltlichen Bezüge erläutert (Anm. 1); Ende Januar 1802 verdeutlichte Runge gegenüber dem Vater, dem er auch erstmals einen Titel nennt, noch einmal das Konzept: „Dieses Bild könnte heißen: der Triumph des Amor’s oder eigentlich der Liebe. Amor spielt auf der Leyer (des menschlichen Herzens) und wird auf der Muschel (dieses deutet auf die Venus aus dem Meer entsprungen, und es ist also der alte Amor, der erste aller Götter, die älteste ursprüngliche allgemeine Liebe mit darin verstanden) von den Horen (den geflügelten Stunden) davon getragen. Diese Gruppe bewegt sich in einem Kreise, der sich um sie bildet, und worin die Liebe auf verschiedene Weise wirkt; dieses ist der Kreis des menschlichen Lebens […].“(Anm. 2)
Etwa zur gleichen Zeit bzw. etwas vorher muss Inv. Nr. 1926-129 entstanden sein, dass sich in der Komposition bereits der ausgeführten Grisaille nähert (Anm. 3). Als entscheidende Veränderung gegenüber Inv. Nr. 34239 ist auf die Hinzufügung des Kindes hinzuweisen, das rechts zwischen Amors Gruppe und den drei Paaren auf einer Wolke liegt. Vom diesem Kind ist erst im Brief an Böhndel vom 7. November 1801 die Rede, weshalb Inv. Nr. 1926-129 erst danach entstanden sein kann. Dass das Blatt der Endphase angehört, belegen neben den Versen auch die Jahreszahl danach und die Quadrierung, die eine Entstehung Anfang 1802 wahrscheinlich machen. Vermutlich handelt es sich um jene „lezte Skizze“, die am 11. Januar Anton Graff sah: „Ueber mein Amorsbild: Es scheint mit dem Basreliefmalen recht geschwinde zu gehn, aber ich möchte es doch gern ein wenig sauber ausführen und da giebt es doch noch viele Arbeit, es sind 18 Köpfe und 55 Hände und Füße und das ist schon an und für sich viel, ich werde bis zur Ausstellung am 5. März reichlich daran zu tun haben. Ich zeigte die lezte Skizze, nach welcher ich nur gar wenig noch geändert habe, gestern dem alten Graff, der sich ordentlich wunderte, daß ich das so gleichsam inventirt hatte; und als ich ihn fragte, ob ich es wohl ausstellen könnte, sagte er: Ach Gott ja, es werden Wenige seyn, die so etwas machen! Er ist gar freundlich gegen mich.“ (Anm. 4) Runges Angabe, er habe in der Ausführung „nur gar wenig noch geändert“, machen wahrscheinlich, dass es sich bei Inv. Nr. 1926-129 um die Skizze handelt, die Runge Graff gezeigt hat. Die von Runge erwähnten Änderungen in der Ausführung beziehen sich motivisch vor allem auf den vor dem Paar knienden Genius links und die beiden Paare rechts, die Runge in ihren Haltungen noch einmal variiert hat. Die noch stärkere räumliche Verknüpfung der einzelnen Figuren, die vor allem in den Überschneidungen und der etwas gedrängteren Komposition sichtbar wird, hat Runge in der Ausführung zugunsten einer stärkeren, auf die Fläche des Reliefs bezogenen Entzerrung der Figuren aufgegeben.
Die Entstehung des Entwurfs spätestens Anfang 1802 und die Änderungen in der Ausführung widerlegen Stubbes (Anm. 5) und Schümanns (Anm. 6) Annahme, es handle sich bei dem Blatt um eine eigenhändige Nachzeichnung nach der ausgeführten Grisaille. Auch Isermeyers Vermutung, es handle sich bei dem Blatt um die Vorlage für Speckters Lithographie und Otto Sigismunds Nachzeichnung (Anm. 7), ist aufgrund der motivischen Änderungen in der Ausführung auszuschließen.
Jensen hatte angenommen, dass es sich bei dem Blatt um dasjenige handle, dass Runge am 12. September 1801 einem Brief an seinen Bruder Daniel beigelegt hatte (Anm. 8), doch hat Traeger zu Recht darauf hingewiesen (Anm. 9), dass die mit der Zeichnung verschickten, von Daniel überlieferten Verse und die Jahreszahl 1802 auf Inv. Nr. 1926-129 ausschließen, es handle sich um das am 12. September verschickte Blatt. Dieses muss einstweilen als verschollen gelten.

Peter Prange

1 Brief vom 7. November 1801 an Böhndel, vgl. HS I, S. 218-219, vgl. auch Inv. Nr. 34239.
2 Brief vom 27. Januar 1802 an den Vater, vgl. HS I, S. 219-220.
3 Triumph des Amor, Pinsel in Grau und Schwarz, 265 x 395 mm, Privatbesitz, vgl. Traeger 1975, S. 282-284, Nr. 111, Abb.
4 Brief vom 12. Januar 1802 an Perthes, vgl. HS II, S. 109-110.
5 Runge 1960, S. 13, Nr. 70.
6 Kat. Hamburg 1969, S. 275.
7 Isermayer 1940, S. 127.
8 Brief vom 12. September 1801 an Daniel, vgl. HS II, S. 83, vgl. auch Inv. Nr. 34239.
9 Traeger 1975, S. 326, Nr. 229.

Details zu diesem Werk

Beschriftung

Auf dem unteren Blatt vom Künstler beschriftet: "Das ist die Liebe, die kommt zu den Kindern der sorgenden Menschen: / Schmetterlinge, sie tragen, die Geister der leichten Vergnügen, / In der Sehnsucht der Jahre den olympischen Vogel zur Erde. / 1802" (Feder in Grau)

Rechts unten von der Hand Daniel Runges nachträglich datiert: "1802" (Feder in Grau)

Provenienz

Nachlass des Künstlers; ab 1810 im Besitz des Bruders Johann Daniel Runge (1767-1856), Hamburg; nach dessen Tod am 12. 3. 1856 im Besitz der Witwe Philipp Otto Runges, Pauline Runge (1785-1881), geb. Bassenge; Philipp Otto Runge (1810-1893), Hamburg (Sohn der Vorgenannten); Bertha Runge (1850-1904), Hamburg (Tochter des Vorgenannten); Carl August Ferdinand Meissner (1843-1920), Hamburg (Ehemann der Vorgenannten ); Anna Meissner (1882-?; Tochter der beiden Vorgenannten); erworben von Kurt Wallmuth, Hamburg (Ehemann der Vorgenannten), 1926

Bibliographie

Kosmos Runge. Der Morgen der Romantik. Katalogteil, hrsg. von Markus Bertsch, Uwe Fleckner, Jenns Howoldt, Andreas Stolzenburg, München 2010, S.384, Nr.50, Abb.

Jens Christian Jensen: Philipp Otto Runge. Leben und Werk, Köln 1977, S.53, 64-66, 92, 147, 227, 230, Abb.20 auf S. 65

Runge in seiner Zeit, hrsg. von Werner Hofmann, Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle 1977, S.160, Nr.126, Abb.

Jörg Traeger: Philipp Otto Runge und sein Werk. Monographie und kritischer Katalog, München 1975, S.327, Nr.231, Abb.

Katalog der Meister des 19. Jahrhunderts in der Hamburger Kunsthalle, bearb. von Eva Maria Krafft, Carl-Wolfgang Schümann, Hamburg 1969, S.275

Philipp Otto Runge: Philipp Otto Runges Briefe, hrsg. von Margrit Vasella-Lüber, Zürich 1967, S.60, Anm. 33

Philipp Otto Runge: Hinterlassene Schriften, hrsg. von Daniel Runge, Bd. 2, Hamburg 1841 (Reprint: Göttingen 1965), S.109-110

Kunst in Dresden 18.-20. Jahrhundert. Aquarelle - Zeichnungen - Druckgraphik. Ausstellung zur Erinnerung an die Gründung der Dresdner Kunstakademie 1746, Ausst.-Kat. Kurpfälzisches Museum, Heidelberg 1964, S.133, Nr.570

Gunnar Berefelt: Philipp Otto Runge zwischen Aufbruch und Opposition 1777-1802, Stockholm Studies in History of Art, Bd. 7, Stockholm 1961, S.143, Anm. 4

Philipp Otto Runge 23. Juli 1777 Wolgast - 2. Dezember Hamburg 1810. Zeichnungen und Scherenschnitte. Gedächtnis-Ausstellung in der Hamburger Kunsthalle aus Anlaß der 150. Wiederkehr seines Todestages, Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle 1960, S.13, Nr.70

Malende Dichter, dichtende Maler, St. Gallen 1957, S.48, Nr.654

Degner, Karl Friedrich: Philipp Otto Runge. Briefe in der Urfassung (Bekenntnisse deutscher Kunst 1), Berlin 1940, S.60

Christian Adolf Isermeyer: Philipp Otto Runge, Die Kunstbücher des Volkes, Bd. 32, Berlin 1940, S.127

Gustav Pauli: Die Kunsthalle zu Hamburg 1925/1926. Bericht über die letzten zwei Jahre der Verwaltung, Hamburg 1928, S.14

Paul Ferdinand Schmidt: Philipp Otto Runge. Sein Leben und sein Werk, hrsg. von Karl Scheffler, Curt Glaser, Deutsche Mesiter, Leipzig 1923, S.40