Philipp Otto Runge
Geometrische Figur zur "Farbenkugel", Figur 6,
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Philipp Otto Runge

Geometrische Figur zur "Farbenkugel", Figur 6,

Philipp Otto Runge

Geometrische Figur zur "Farbenkugel", Figur 6

Der Kreis entsteht aus der „Beweglichkeit“ der Farbmischungen in alle Richtungen; diese Dynamik zu verdeutlichen, ist Aufgabe der Figuren sechs (Inv. Nr. 34302) und sieben (INv. Nr. 34303) zur Farbenkugel. Auf Inv. Nr. 34302 führt Runge vom Mittelpunkt des Kreise zum Zentrum der Kugel, indem er Grau als deren Mittelpunkt definiert: „§16. Wie Grün durch die Vermischung von Blau und Gelb erzeugt wird, so entsteht durch die Vermischung von Weißem und Schwarzem Grau, welches sich in weißlicher und schwärzlicher Neigung auf der Linie zwischen diesen beiden Puncten abstuft, und auf der einen Seite in Weiß, wie auf der anderen Seite in Schwarz sich verliert. Im Mittel aber, wo die beiden Kräfte in gleicher Stärke gegen einander würken, wird der Punct seyn, wo dasselbe als ein völlig gleichgültiges Grau, in gleicher Differenz und gleicher Neigung zu Schwarz wie zu Weiß steht; welcher Punct, unserer Configuration gemäß, eben derselbe ist, auf welchem die Linie W.S. die Fläche des Farbenkreises berührt und schneidet.“ (Anm. 1) Grau ist Mittelpunkt des Kreises und der Achse zwischen Weiß und Schwarz, „in gleicher Entfernung von jedem Puncte des ganzen Umkreises stehend, der Mittelpunct des Kreises ist. In demselben lösen sich auch alle diametral entgegenstehenden Farben und Mischungen auf; indem in jedem Diameter des Kreises alle drey reinen Farben gleich würkend sind. Denn wenn der Punct Gr. näher an G. gerückt, und auf der gegenüber liegenden Seite Roth (R.) sich in ein röthliches Violett (oder zu B.) neigt, so ist B. in's Rothe um eben soviel hineingerückt, als Gr. dem Blauen entzogen wurde.“ (Anm. 2) Die Mischung der sich auf dem Kreis gegenüberliegenden Farben ergibt zum Mittelpunkt hin zunehmend Grau im Mittelpunkt wie auch in der Bewegungsrichtung auf der Achse Weiß-Schwarz durch deren Annäherung.
Die Mischungsverhältnisse in Bezug auf das Grau in der Mitte verdeutlicht auch Figur 7 (Inv. Nr. 34303) zur Farbenkugel: „Zugleich ist hier noch anzumerken, daß in demselben Verhältnisse des gleichseitigen Dreyeckes, welches B.G. und R. gegen einander beweisen, und wie diese dreye sich im Mittelpuncte auflösen, sich auch alle, in dem ganzen Umkreise, in einem gleichseitigen Dreyeck gegen einander stehenden Mischungen auf dieselbe Weise gegen einander verhalten. Dem Gr. und O. werden sich, da in beiden G. sowohl mit B. als mit R. zu gleichen Theilen würkt, durch ihre Vermischung in ein gelbliches Grau verwandelt, welches sich zu Gelb (G.) verhalten wird, wie der Punct a. [Inv. Nr. 34303] zu dem Mittelpunct g. Welcher Punct a. ebensowohl das Mittel der Linie Gg. ist, als sich daselbst die Qualität G. in der Vermischung von Gr. und O. doppelter Quantität oder Kraft befunden hat, wie B. und R. jedes einzeln. Es wird also, wenn zu Gr. und O. noch V. hinzukommt, das Gleichgewicht von B.G. und R. wiederhergestellt. Eben so verhält es sich mit jedem gleichseitigen Dreyecke, welches der Peripherie anzulegen möglich ist; das Product desselben wird immer die totale Auflösung aller farbigen Erscheinung seyn.“ (Anm. 3)
Zur Entstehungsgeschichte der Farbenkugel vgl. Inv. Nr. 34297.

Peter Prange

1 Farbenkugel oder Construction des Verhältnisses aller Mischungen der Farben zu einander und ihrer vollständigen Affinität; mit angehängtem Versuch einer Ableitung der Harmonie in den Zusammenstellungen der Farben. Von Philipp Otto Runge, Mahler, Hamburg 1810, § 16, vgl. auch HS I, S. 119.
2 Runge 1810, § 17, vgl. auch HS I, S. 120.
3 Runge 1810, § 17, vgl. auch HS I, S. 120.

Details zu diesem Werk

Beschriftung

Oben links bezeichnet: "Fig. 6" (Feder in Schwarz); der Kreis an den Schnittstellen mit den Diagonalen und der Vertikalen bezeichnet: "R / V / B / Gr / G / O" (Bleistift); am Schnittpunkit der Diagonale links bezeichnet: "g" (Feder in Schwarz)

Provenienz

Nachlass des Künstlers; ab 1810 im Besitz der Witwe Pauline Runge (1785-1881), geb. Bassenge; Geschenk an den Kunstverein in Hamburg, 30. 4. 1856; Geschenk des Kunstvereins in Hamburg an das Kupferstichkabinett der Hamburger Kunsthalle, 1891

Bibliographie

Kosmos Runge. Der Morgen der Romantik. Katalogteil, hrsg. von Markus Bertsch, Uwe Fleckner, Jenns Howoldt, Andreas Stolzenburg, München 2010, S.211, 390, Nr.157f, Abb.

Thomas Lange: Das bildnerische Denken Philipp Otto Runges, Berlin. München 2010, S.82, 86, Abb.25 auf S. 84

zu: Der Hang zum Gesamtkunstwerk. Liste der ausgestellten Werke und Dokumente, Ausst.-Kat. Zürich 11.2.-30.4.1983, Zürich 1983, S.21

Jörg Traeger: Philipp Otto Runge und sein Werk. Monographie und kritischer Katalog, München 1975, S.473, Nr.509f

Jahrbuch der Hamburger Kunstsammlungen, hrsg. von Hamburger Kunsthalle und Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg, Bd. 19, 1974, S.13-36

Philipp Otto Runge 23. Juli 1777 Wolgast - 2. Dezember Hamburg 1810. Zeichnungen und Scherenschnitte. Gedächtnis-Ausstellung in der Hamburger Kunsthalle aus Anlaß der 150. Wiederkehr seines Todestages, Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle 1960, S.?, Nr.143

Runge, Philipp Otto: Farben-Kugel oder Construction des Verhältnisses aller Mischungen der Farben zu einander und ihrer vollständigen affinität; mit angehängtem Versuch einer Ableitung der Harmonie in den Zusammenstellungen der Farben in der Natur, hrsg. von Steffens, Hendrik, Halle 1810, S.4 ff., Nr.1-8

Philipp Otto Runge: Hinterlassene Schriften, hrsg. von Daniel Runge, Bd. 1, Hamburg 1840 (Reprint: Göttingen 1965), S.116 ff., Abb.1-8