Philipp Otto Runge
Figurenstudien zum "Fall des Vaterlandes", 1809
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Philipp Otto Runge

Figurenstudien zum "Fall des Vaterlandes", 1809

Philipp Otto Runge

Figurenstudien zum "Fall des Vaterlandes", 1809

Das Studienblatt enthält die Hauptelemente des Entwurfs zur geplanten Vorderseite des Umschlags zum „Vaterländischen Museum“ (vgl. Inv. Nr. 34316): den Erschlagenen, den Januskopf und die Mutter mit dem Kind und dem Pflug, der von Amor gezogen wird. Im Gegensatz zu Inv. Nr. 34316 bewegt sich diese Gruppe von rechts nach links; diese Umkehrung betrifft auch den Januskopf, links erscheint der bartlose und rechts der bärtige Kopf. Der Erschlagene wiederum liegt oberhalb der Rahmung außerhalb der eigentlichen Darstellung, Es ist gut vorstellbar, dass er auf dem Blatt als erstes Motiv entstand, zumal es sich in seiner etwas sperrigen Zeichenweise von den anderen Motiven unterscheidet. Berefelt hat zu Recht auf die Anregung durch Füsslis Kupferstich „Der tote Abel“ hingewiesen (Anm. 1), der als Illustration zunächst 1783 in der französischen, danach 1792 in der englischen Ausgabe der „Physiognomischen Fragmente“ Lavaters erschienen war (Anm. 2), doch hat es den Anschein, dass sich Runge nicht nur motivisch, sondern auch zeichnerisch an Füssli anschließt. Möglicherweise waren ihm neben dem Kupferstich auch Zeichnungen Füsslis bekannt.
Die Gruppe der Mutter mit Kind und dem Pflug, der von Amor gezogen wird, entstand offensichtlich vor der Rahmung, die teilweise die Darstellung überschneidet und in der das Motiv der sich um Stangen windenden Passionsblume angedeutet ist. Die Gruppe der Mutter mit dem Kind und Amor verdeutlicht einmal mehr Runges Entwurfspraxis, in der der Umriss zunächst nicht exakt festgelegt, sondern zu einem neben- und übereinander liegenden Liniengerüst verdichtet wird. Erst in einem zweiten Schritt rechts greift Runge den Kopf von Kind und Mutter heraus, und legt über die noch sichtbare Bleistiftvorzeichnungen den exakten Umriss mit der Feder.

Peter Prange

1 Berefelt 1961, S. 167.
2 Johann Caspar Lavater: Essays on Physiognomy designed to promote the Knowledge and the Love of Mankind, London 1792, Bd. II, S. 286, vgl. Gert Schiff: Johann Heinrich Füssli 1741-1825, Zürich-München 1973, S. 529, Nr. 953, Abb. Zur französischen Ausgabe vgl. Schiff 1973, S. 498, Nr. 770.

Details zu diesem Werk

Beschriftung

Rechts unten von der MItte von Daniel Runges Hand bezeichnet und datiert: "Original von P O Runge 1809" (Feder in Grau)

Provenienz

Nachlass des Künstlers; ab 1810 im Besitz des Bruders Johann Daniel Runge (1767-1856), Hamburg; nach dessen Tod am 12. 3. 1856 im Besitz der Witwe Philipp Otto Runges, Pauline Runge (1785-1881), geb. Bassenge; als deren Geschenk an den Kunstverein in Hamburg, 30. 4. 1856 (Hamburger Kunsthalle, Archiv des Kupferstichkabinetts, Archiv Nr. 307, Catalog der Sammlung des Kunst-Vereins in Hamburg, S. 112, Nr. 495 kk 1/2.: "3 Bt. 1, 2 Bt. Fall des Vaterlandes, Federzeichnung (Vorder- und Rückseite); eigens darauf eingezeichnet in Holzschnitt ausgeführt zu werden. Hamburg 1809. 4to. ... 2, dazu eine Skizze in Blei und Feder fol."); Geschenk des Kunstvereins in Hamburg an das Kupferstichkabinett der Hamburger Kunsthalle, 1891

Bibliographie

Kosmos Runge. Der Morgen der Romantik. Katalogteil, hrsg. von Markus Bertsch, Uwe Fleckner, Jenns Howoldt, Andreas Stolzenburg, München 2010, S.332, 396, Nr.253, Abb., Abb.S. 334

Jörg Traeger: Philipp Otto Runge und sein Werk. Monographie und kritischer Katalog, München 1975, S.451, Nr.466, Abb.

Jahrbuch der Hamburger Kunstsammlungen, hrsg. von Hamburger Kunsthalle und Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg, Bd. 19, 1974, S.13-36

Gunnar Berefelt: Philipp Otto Runge zwischen Aufbruch und Opposition 1777-1802, Stockholm Studies in History of Art, Bd. 7, Stockholm 1961, S.167, 209, Abb.68

Christian Adolf Isermeyer: Philipp Otto Runge, Die Kunstbücher des Volkes, Bd. 32, Berlin 1940, S.131

Otto Böttcher: Philipp Otto Runge. Sein Leben, Wirken und Schaffen, Hamburg 1937, S.190

Gustav Pauli: Philipp Otto Runges Zeichnungen und Scherenschnitte in der Kunsthalle zu Hamburg, Berlin 1916, S.43, Nr.145

Jahresbericht der Kunsthalle zu Hamburg für 1892, Hamburg 1893, S.49