Philipp Otto Runge
Eltern mit Kind am Tisch, 1800
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Philipp Otto Runge

Eltern mit Kind am Tisch, 1800

Philipp Otto Runge

Eltern mit Kind am Tisch, 1800

Das Blatt schließt stilistisch an Inv. Nr. 34247 und 34280 an, die genauso den von Flaxman abzuleitenden Umrissstil an einer Alltagsszene erproben. Insgesamt ist das vorliegende Blatt in einem geschlosseneren, einheitlicheren Duktus gehalten, der noch Reminiszenzen an die klassizistische Linie – besonders bei Kind und Frau – aufweist, während Inv. Nr. 34247 insgesamt schon etwas freier, auch eigenständiger im Duktus ist. Zur Datierung vgl. Inv. Nr. 34247.
Auf der Rückseite befindet sich eine Zeichnung, die im Duktus Inv. Nr. 34247 näher steht und die Isermeyer irrtümlich mit der von Daniel für 1800 bezeugten Beschäftigung mit dem Ossianstoff (Anm. 1) in Verbindung gebracht hatte (Anm. 2). Berefelt zufolge handelt es sich jedoch um „kleine akademische Concurstücke“, die Daniel als Genrestücke aufführt; er erwähnt insgesamt drei Szenen: „Huon und Scherasmin in der Höhle zusammentreffend; Huon den Löwen erschlagend; Huon die Amanda entführend.“ (Anm. 3) Alle drei Zeichnungen, die auf das aus dem 13. Jahrhundert stammende, französische Epos „Huon de Bordeaux“ des Huon de Villeneuve zurückgehen (Anm. 4), sind verschollen; einzig für die letzte Szene „Huon entführt Amanda“ hat sich in Inv. Nr. 34248 verso ein erster Entwurf erhalten. Er belegt besonders anschaulich Runges Arbeitsprozess, der genauso an der Vorderseite und Inv. Nr. 34247 und Inv. Nr. 34280 ablesbar ist. Über die Vorzeichnung in Bleistift, auf der der Umriss nicht exakt festgelegt wird, die Linien sich vielmehr häufig überlagern oder nebeneinander stehen, legt Runge die sorgfältig in Feder ausgeführten Konturlinien, die von der Bleistiftvorzeichnung häufig abweicht. Die Bleistiftvorzeichnung dient Runge nur als Anhaltspunkt für die dann in einem einheitlichen, präzisen Duktus ausgeführte Federzeichnung.

Peter Prange

1 Vgl. HS I, S. 257.
2 Isermeyer 1940, S. 128, Nr. 27.
3 HS I, S. 369, vgl. Traeger 1975, S. 288, Nr. 124-126.
4 Berefelt 1961, S. 120.

Details zu diesem Werk

Beschriftung

Verso unten links von der Hand Daniel Runges nachträglich bezeichnet: "P O Runge" (Feder in Grau); rechts nummeriert: "19" (Bleistift)

Verso

Titel verso: Huon entführt Amanda (Skizze)

Technik verso: Feder in Braun über Bleistift

Provenienz

Nachlass des Künstlers; ab 1810 im Besitz des Bruders Johann Daniel Runge (1767-1856), Hamburg; nach dessen Tod am 12. 3. 1856 im Besitz der Witwe Philipp Otto Runges, Pauline Runge (1785-1881), geb. Bassenge; als deren Geschenk an den Kunstverein in Hamburg, 30. 4. 1856 (Hamburger Kunsthalle, Archiv des Kupferstichkabinetts, Catalog der Sammlung des Kunst-Vereins in Hamburg, S. "); Geschenk des Kunstvereins in Hamburg an das Kupferstichkabinett der Hamburger Kunsthalle, 1891

Bibliographie

Kosmos Runge. Der Morgen der Romantik. Katalogteil, hrsg. von Markus Bertsch, Uwe Fleckner, Jenns Howoldt, Andreas Stolzenburg, München 2010, S.108, 385, Nr.68, Abb.

David Klemm, Andreas Stolzenburg: Runge als Zeichner, in: Hamburg/ München 2010 München 2010, S. 9-22, S.10, Nr.68

Susanne Strasser-Klotz: Runge und Ossian. Kunst, Literatur, Farbenlehre, Diss., Regensburg 1995 (http://deposit.d-nb.de/cgi-bin/dokserv?idn=975068997&dok_var=d1&dok_ext=pdf&filename=975068997.pdf), S.113 (verso)

Jörg Traeger: Aus Philipp Otto Runges Anfängen als Maler. Eine frühe Fassung der "Ruhe auf der Flucht". Mit Bemerkungen zu Otto Sigismund Runge, in: Zeitschrift für Kunstgeschichte 55, 1992, Nr. 4, S. 463-482, S.473, Abb.15 auf S. 474

Robert Rosenblum: The romantic child. From Runge to Sendak, Walter Neurath Memorial Lecture, Bd. 20, London 1988, S.16-17, 61, Abb.11 auf S. 16

Peter Betthausen: Philipp Otto Runge, Leipzig 1980, S.131, Abb.16 und 17 auf S. 18

Runge in seiner Zeit, hrsg. von Werner Hofmann, Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle 1977, S.84, Nr.30, Abb.

Jörg Traeger: Philipp Otto Runge und sein Werk. Monographie und kritischer Katalog, München 1975, S.29, 86, 146, 293-294, Nr.147, Abb.

Jahrbuch der Hamburger Kunstsammlungen, hrsg. von Hamburger Kunsthalle und Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg, Bd. 19, 1974, S.13-36

Gunnar Berefelt: Philipp Otto Runge zwischen Aufbruch und Opposition 1777-1802, Stockholm Studies in History of Art, Bd. 7, Stockholm 1961, S.120, 169, 182, Anm. 7, Abb.19

Philipp Otto Runge 23. Juli 1777 Wolgast - 2. Dezember Hamburg 1810. Zeichnungen und Scherenschnitte. Gedächtnis-Ausstellung in der Hamburger Kunsthalle aus Anlaß der 150. Wiederkehr seines Todestages, Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle 1960, S.8, Nr.31

Fünfhundert Jahre Universität Greifswald. Ausst. im Hause der Kunstbibliothek, ehem. Staatliche Museen Berlin (West) 29. Mai - 30. Junit 1956, , S.138

Christian Adolf Isermeyer: Philipp Otto Runge, Die Kunstbücher des Volkes, Bd. 32, Berlin 1940, S.128

Otto Böttcher: Philipp Otto Runge. Sein Leben, Wirken und Schaffen, Hamburg 1937, S.141

Charlotte Hintze: Kopenhagen und die deutsche Malerei um 1800, München 1937, S.69

Gustav Pauli: Philipp Otto Runges Zeichnungen und Scherenschnitte in der Kunsthalle zu Hamburg, Berlin 1916, S.27, Nr.13