Philipp Otto Runge
Die Aussetzung des Mosesknaben, 1804
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Philipp Otto Runge

Die Aussetzung des Mosesknaben, 1804

Philipp Otto Runge

Die Aussetzung des Mosesknaben, 1804

Eine erste Komposition mit der Auffindung des Mosesknaben hatte Runge schon 1798 während seiner Lehre bei Hardorff nach einer Vorlage Timoteo Vitis angefertigt (vgl. Inv. Nr. 1938-122). Im Gegensatz zu dieser vielfigurigen Darstellung konzentriert sich Runge auf Inv. Nr. 34156 auf die Beziehung zwischen Mutter und Kind, weshalb Traeger das Blatt in den größeren Zusammenhang des 1804 entstandenen, 1931 verbrannten Gemäldes „Mutter an der Quelle“ (Anm. 1) gestellt hat. Das Blatt wäre demnach im Gegensatz zu Isermeyer (Anm. 2) und Langner (Anm. 3), die eine Entstehung erst 1805 annahmen, bereits 1804 entstanden, was vor Traeger schon Böttcher (Anm. 4) und Privat (Anm. 5) für möglich hielten. Direkte Vorzeichnungen zur „Mutter an der Quelle“ sind nicht erhalten; das Blatt schildert zwar eine ähnliche Szene, allerdings ist der inhaltliche Zusammenhang nur sehr allgemeiner Natur.
Auch müssen hinsichtlich der bisherigen Deutung als „Aussetzung des Mosesknaben“ Zweifel bestehen (Anm. 6); vielmehr dürfte es sich um die „Auffindung des Mosesknaben“ durch die Tochter des Pharaos handeln, die sich an dem Baum festhält und mit einem Bein im Wasser steht, um das Kind einzuholen. Um das Kind vom Ufer abzustoßen, müsste sie sich nicht am Baum festhalten. Die insgesamt dynamisch-barock anmutende Haltung der Frau könnte auf eine Vorlage zurückgehen; Klemm verweist zu Recht auf Simon Vallées Kupferstich nach Francesco Romanellis „Auffindung des Mosesknaben“ (Anm. 7), auf dem sich das ungewöhnliche Haltungsmotiv der sich mit einer Hand festhaltenden und mit einem Bein im Wasser stehenden Frau ebenfalls findet. Da sich der Kupferstich zudem im von Runge häufig benutzten „Recueil Crozat“ befindet, ist es sehr wahrscheinlich, dass sich Runge durch Vallées Kupferstich anregen ließ. Sein Stich unterstützt zudem die Deutung von Runges Zeichnung als „Auffindung des Mosesknaben“, auf dem sich die Freude über das Ereignis ähnlich verhalten mitteilt wie bei Runge (Anm. 8).

Peter Prange

1 Mutter an der Quelle, Öl/Lw, 62,5 x 78,1 cm, ehem. Hamburger Kunsthalle, Inv. Nr. 1010, vgl. Traeger 1975, S. 367-368, Nr. 298, Abb.
2 Isermeyer 1940, S. 129.
3 Langner 1963, S. 15.
4 Böttcher 1937, S. 298.
5 Privat 1940, S. 203.
6 Diese Zweifel erstmals geäußert von Klemm/Stolzenburg 2010, S. 18, Anm. 84.
7 Klemm 2012, S. 267, Abb. 19.
8 Klemm 2012, S. 267, Anm. 62, führt den Ernst im Ausdruck der Frau dagegen als Argument an, es handle sich um die Aussetzung des Mosesknaben.

Details zu diesem Werk

Beschriftung

Auf dem Verso unten links von der Hand Daniel Runges nachträglich bezeichnet: "Von P O Runge" (Feder in Grau); unten rechts bezeichnet: "Die Aussetzung des kleinen Moses" (Bleistift); rechts unten nummeriert: "10" (Bleistift)

Provenienz

Nachlass des Künstlers; ab 1810 im Besitz des Bruders Johann Daniel Runge (1767-1856), Hamburg; nach dessen Tod am 12. 3. 1856 im Besitz der Witwe Philipp Otto Runges, Pauline Runge (1785-1881), geb. Bassenge; als deren Geschenk an den Kunstverein in Hamburg, 30. 4. 1856 (Hamburger Kunsthalle, Archiv des Kupferstichkabinetts, Archiv Nr. 307, Catalog der Sammlung des Kunst-Vereins in Hamburg, S. 110, Nr. 495 aa.: "1 Blt. die Aussetzung des kleinen Moses, Skizze, Blei und Feder. ….. grfol."); Geschenk des Kunstvereins in Hamburg an das Kupferstichkabinett der Hamburger Kunsthalle, 1891

Bibliographie

David Klemm: Runge und die italienische Kunst, in Kosmos Runge. Das Hamburger Symposium, hrsg. von Markus Bertsch, Hubertus Gaßner, Jenns Howoldt, München 2013, S.266, Abb. 16

David Klemm, Andreas Stolzenburg: Runge als Zeichner, in: Hamburg/ München 2010 München 2010, S. 9-22, S.18, Abb.5 auf S. 17

Thomas Lange: Das bildnerische Denken Philipp Otto Runges, Berlin. München 2010, S.198, Abb.77 auf S. 197

Pauline Kintz: Alles was wir sehen, ist ein Bild. Philipp Otto Runge in het licht van de vroeg-romantische poezietheorie van Friedrich Schlegel en Novalis, Delft 2009, S.237, Anm. 17

Lange, Thomas: Das bildnerische Denken Philipp Otto Runges (1777-1810), München 2006, S.242, Abb.82

Susanne Strasser-Klotz: Runge und Ossian. Kunst, Literatur, Farbenlehre, Diss., Regensburg 1995 (http://deposit.d-nb.de/cgi-bin/dokserv?idn=975068997&dok_var=d1&dok_ext=pdf&filename=975068997.pdf), S.112 (Anhang)

Johann J. K. Reusch: Philipp Otto Runge and the Intellectual Circles around Matthias Claudius, Los Angeles, Univ., Diss. 1994, Abb.XVI auf S. 171

Karl Möseneder: Philipp Otto Runge und Jacob Böhme. Über Runges "Quelle und Dichter" und den "Kleinen Morgen", Marburger Ostforschungen, Bd. 38, Marburg/Lahn 1981, S.26, Abb.16

Peter Betthausen: Philipp Otto Runge, Leipzig 1980, S.132, Abb.50 auf S. 51

Jörg Traeger: Philipp Otto Runge oder die Geburt einer neuen Kunst, München 1977, S.43, Abb.33 auf S. 33

Runge in seiner Zeit, hrsg. von Werner Hofmann, Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle 1977, S.150, Nr.114, Abb.

Jörg Traeger: Philipp Otto Runge und sein Werk. Monographie und kritischer Katalog, München 1975, S.124, 148, 368-369, Nr.299, Abb.

Jahrbuch der Hamburger Kunstsammlungen, hrsg. von Hamburger Kunsthalle und Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg, Bd. 19, 1974, S.13-36

Deutsche Romantik. Handzeichnungen. Band 2: Johann Friedrich Overbeck (1798-1869) bis Christian Xeller (1784-1872), hrsg. von Marianne Bernhard, München 1973, S.1991, Abb.S. 1552

Johannes Langner: Philipp Otto Runge in der Hamburger Kunsthalle, Bilderhefte der Hamburger Kunsthalle, Bd. 4, Hamburg 1963, S.15, 21, Abb.29

Philipp Otto Runge: Philipp Otto Runge. Sein Leben in Selbstzeugnissen, Briefen und Berichten, hrsg. von Karl Privat, Berlin 1942, Abb.S. 203

Christian Adolf Isermeyer: Philipp Otto Runge, Die Kunstbücher des Volkes, Bd. 32, Berlin 1940, S.129, Abb.32

Otto Böttcher: Philipp Otto Runge. Sein Leben, Wirken und Schaffen, Hamburg 1937, S.160, 164, 299, Abb.Taf. 18, Nr. 2

Meisterwerke der deutschen Romantik. Sonderausstellung der Freunde der Kunsthalle e. V., Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle 1935, Nr.9

Meisterwerke der Romantik, Ausst.-Kat. Kunsthalle Hamburg 2. November- 31. Dezember, Hamburg 1935, Nr.9

Gustav Pauli: Philipp Otto Runges Zeichnungen und Scherenschnitte in der Kunsthalle zu Hamburg, Berlin 1916, S.41, Nr.120

Jahresbericht der Kunsthalle zu Hamburg für 1892, Hamburg 1893, S.48