Philipp Otto Runge
Der Morgen. Entwurf zum Mittelbild (Studie zum Gemälde "Der große Morgen" ), 1808
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Philipp Otto Runge

Der Morgen. Entwurf zum Mittelbild (Studie zum Gemälde "Der große Morgen" ), 1808

Philipp Otto Runge

Der Morgen. Entwurf zum Mittelbild (Studie zum Gemälde "Der große Morgen" ), 1808

Das Blatt muss als erster Entwurf zum Mittelbild des „Kleinen Morgens“ gelten, den Runge aus der Kupferstichvorlage für den „Morgen“ der „Tageszeiten“ (Inv. Nr. 34174) abgeleitet hat. Die Grundkonstellation der Komposition hat Runge vor allem für den oberen Bereich übernommen, doch sitzen auf den Lilienknospen nur noch zwei musizierende Kinder, die jetzt geflügelt sind. Die Gruppe der sechs auf dem Blütenkelch sitzenden sechs Kindern ist lockerer zu Gruppen von zwei Kindern gestaltet, während sich die drei Kinder darüber fest umschlingen, aber nicht mehr auf den Blütenstengeln stehen. Der Bewegungsimpuls der aufsteigenden Lichtlilie wird von Runge durch die aus der Tiefe des Bildraums auf den Betrachter zukommenden Aurora kombiniert. Diesen Bewegungszug verdeutlichen insbesondere die rosenpflückenden Kinder, die von Aurora weg den Bildraum diagonal erschließen.
Vom „Morgen“ der „Tageszeiten“ hat Runge auch die Erdkrümmung übernommen, in der die Spiegelung der Aurora angedeutet ist. Waetzoldt hatte deshalb angenommen, dass die Erdkugel wasserbedeckt vorzustellen sei, was eine Bedeutungserweiterung zu Aurora-Venus meinen dürfte. Dieser Gedanke klingt auch in den Muscheln an, in denen die Kinder die Rosen tragen. Damit ist auch Paulis Annahme, es handle sich nur um den Entwurf für den oberen Teil der Komposition, zu widerlegen, zumal auch die Gesamtproportionen der Komposition gegen eine solche Vermutung sprechen und das Kind auf der Erdkrümmung liegend schwer vorstellbar ist.
Das Blatt steht zusammen mit Inv. Nr. 34187, dem es zeichnerisch weitgehend ähnelt, am Beginn von Runges Beschäftigung mit der malerischen Umsetzung der „Tageszeiten“. Es könnte sogar sein, dass Inv. Nr. 34183 vor der erwähnten Einzelstudie zur Aurora entstand, in der Runge die Transformation von Venus zu Aurora andeutet. Anfang Dezember 1806 hatte Runge gegenüber Goethe die Notwendigkeit zur Umarbeitung der Komposition angesprochen (Anm. 1); um eine solche Komposition handelt es sich bei dem vorliegenden Blatt, das möglicherweise noch Ende 1806 entstanden ist.

Peter Prange

1 Brief vom 4. Dezember 1806 an Goethe, vgl. HS II, S. 330.

Details zu diesem Werk

Beschriftung

Oben links nummeriert: "No. 495 q. 29," (Bleistift; alte Inv.-Nr. des Kunstvereins in Hamburg)

Wasserzeichen / Kettenlinien

"[D] & c Blauw" " D & CB"

Provenienz

Nachlass des Künstlers; ab 1810 im Besitz der Witwe Pauline Runge (1785-1881), geb. Bassenge; Geschenk an den Kunstverein in Hamburg, 30. 4. 1856; Geschenk des Kunstvereins in Hamburg an das Kupferstichkabinett der Hamburger Kunsthalle, 1891

Bibliographie

Kosmos Runge. Der Morgen der Romantik. Katalogteil, hrsg. von Markus Bertsch, Uwe Fleckner, Jenns Howoldt, Andreas Stolzenburg, München 2010, S.160, 388, Nr.110, Abb.

Frank Büttner: Philipp Otto Runge, C. H. Beck 2010, Nr.Abb. 36, Abb.S. 108

Hanna Hohl: Philipp Otto Runge. Die Zeiten - Der Morgen, hrsg. von Uwe M. Schneede, Hamburg 1997, S.30, 47, Abb.24 auf S. 31

Philipp Otto Runge. Caspar David Friedrich. Im Lauf der Zeit, hrsg. von Andreas Blühm, Ausst.-Kat. Van Gogh Museum, Amsterdam, Zwolle 1996, S.14, 98, Nr.28, Abb.Taf. 28 auf S. 54, S. 99

Hermann Mildenberger: J. H. W. Tischbein - Philipp Otto Runge - Friedrich Overbeck. Apekte des künstlerischen Austauschs, in: Jahrbuch des Schleswig-Holsteinischen Landesmuseums Schloss Gottorf 1, 1986-87, Neumünster 1988, S. 31-87, S.65-66, Abb.56 auf S. 65

Hanna Hohl: Philipp Otto Runge- Der denkende Zeichner, in: Kunsträume. Die Länder zu Gast in der Nationalgalerie Berlin, Berlin 1987, S. 21-52, S.26, Nr.18, Abb.S. 47

Philipp Otto Runge: Philipp Otto Runge. Die Begier nach der Möglichkeit neuer Bilder. Briefwechsel und Schriften zur bildenden Kunst, hrsg. von Hannelore Gärtner, Leipzig 1982, Abb.o. S.

Karl Möseneder: Philipp Otto Runge und Jacob Böhme. Über Runges "Quelle und Dichter" und den "Kleinen Morgen", Marburger Ostforschungen, Bd. 38, Marburg/Lahn 1981, S.71, Abb.26

Doris Krininger: "Der Morgen" - Prinzip Weiblichkeit als Quelle gesellschaftlicher Utopie - Zu Philipp Otto Runges universalem Kunst- und Weltentwurf, Marburg, Univ., Mag.-Arb. 1980, S.146, Anm. 31, II, V

Philipp Otto Runge Caspar David Friedrich aus der Hamburger Kunsthalle, dem Kunsthistorischen Museum und der Graphischen Sammlung Albertina in Wien, Ausst.-Kat. Oberes Belvedere, Wien 1978, S.130, Nr.73, Abb.S. 129

Jens Christian Jensen: Aquarelle und Zeichnungen der deutschen Romantik, Köln 1978, S.184

Runge in seiner Zeit, hrsg. von Werner Hofmann, Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle 1977, S.207, Nr.177, Abb.

Jörg Traeger: Philipp Otto Runge oder die Geburt einer neuen Kunst, München 1977, S.59, Abb.55 auf S. 48

Jörg Traeger: Philipp Otto Runge und sein Werk. Monographie und kritischer Katalog, München 1975, S.160, 420, Nr.384, Abb.

Jahrbuch der Hamburger Kunstsammlungen, hrsg. von Hamburger Kunsthalle und Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg, Bd. 19, 1974, S.13-36

Deutsche Romantik. Handzeichnungen. Band 2: Johann Friedrich Overbeck (1798-1869) bis Christian Xeller (1784-1872), hrsg. von Marianne Bernhard, München 1973, S.1991, Abb.S. 1534

Helmut Börsch-Supan: Deutsche Romantiker. Deutsche Maler zwischen 1800 und 1850, München 1972, S.45-46, Abb.21 auf S. 45

Herbert von Einem: Die Symbollandschaft der deutschen Romantik, in: Stil und Überlieferung. Aufsätze zur Kunstgeschichte des Abendlandes, hrsg. von Thomas W. Gaehtgens, Reiner Haussherr, Düsseldorf 1971, S. 210-226, S.213, Abb.84

Katalog der Meister des 19. Jahrhunderts in der Hamburger Kunsthalle, bearb. von Eva Maria Krafft, Carl-Wolfgang Schümann, Hamburg 1969, S.285, Nr. 1 a

Gunnar Berefelt: Philipp Otto Runge zwischen Aufbruch und Opposition 1777-1802, Stockholm Studies in History of Art, Bd. 7, Stockholm 1961, S.171, 179, Abb.95

Deutsche Zeichner von der Romantik bis zur Gegenwart, Ausst.-Kat. Kunsthalle Kiel 1961, Nr.143

Philipp Otto Runge 23. Juli 1777 Wolgast - 2. Dezember Hamburg 1810. Zeichnungen und Scherenschnitte. Gedächtnis-Ausstellung in der Hamburger Kunsthalle aus Anlaß der 150. Wiederkehr seines Todestages, Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle 1960, S.23, Nr.142, Abb.11

Stephan Waetzoldt: Philipp Otto Runges "Vier Zeiten", Hamburg 1951, S.126, 127-129, Abb.33

Ragué, Beatrix von: Das Verhältnis von Kunst und Christentum bei Philipp Otto Runge, 1950, S.118 ff.

Herbert von Einem: Christian Adolf Isermeyer. Philipp Otto Runge, in: Zeitschrift für Kunstgeschichte 12, München u. a. 1949, S. 113-117, S.115

Christian Adolf Isermeyer: Philipp Otto Runge, Die Kunstbücher des Volkes, Bd. 32, Berlin 1940, S.132

Otto Böttcher: Philipp Otto Runge. Sein Leben, Wirken und Schaffen, Hamburg 1937, S.300, Abb.Taf. 33, Nr. 1

Romantik im deutschen Norden. Sonderausstellung der Freunde der Kunsthalle e.V., Hamburg, Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle 1937, Nr.25

Gustav Pauli: Philipp Otto Runges Zeichnungen und Scherenschnitte in der Kunsthalle zu Hamburg, Berlin 1916, S.36, Nr.64

Dirksen, Victor: Philipp Otto Runge, die Tageszeiten (Der Kunstbrief 14), Berlin (1944), , S.9, Abb.12