Philipp Otto Runge
Bacchanal, 1803
Zurück Bildinfos ➕ 🗖

Philipp Otto Runge

Bacchanal, 1803

Philipp Otto Runge

Bacchanal, 1803

1803 hatte Runge „auch in Folge eines aus Schweden gekommenen Auftrages ein Bacchanal [gezeichnet], das rund umher auf einen Glaspocal geschliffen ward. In der Mitte tanzen ein Faun und eine Mänade, und zur Seite sind zwey Gruppen spielender Bacchischen Kinder. Obgleich er sich schon in Kopenhagen mit ähnlichem beschäftigt hatte, scheint es doch, daß er dies Ganze nur aus Reminiscenzen gebildet hat.“ (Anm. 1) Unter der Zeichnung, die als Vorlage für eine Glasätzung auf einem Pokal diente, befand sich der Text eines Trinkliedes, den Pauli überliefert hat: „Tänk hvad frögd på gamla dar / Munkens hjerta känner / Gammalt win har munken qwar / An at gamla wänner. (Denk‘, welche Fruede in alten Tagen / Das Herz des Mönches fühlt).“ (Anm. 2) Nach Berefelt handelt es sich um eine Strophe aus Frans Michael Franzens Trinklied „Glade gosse glaset töm (Lustiger Bruder, entleere dein Glas)“, das erstmals 1794 in „Musicaliskt Tidsfördrif“ erschienen war (Anm. 3). Berefelt nahm an, dass es sich bei dem Auftraggeber um denselben Schweden handelt, der in Herrestad im Besitz von Runges Bildenis des Johann Philipp Petersen war (Anm. 4), doch ist dies unwahrscheinlich, weil die Petersens erst nach Runges Tod nach Herrestad übersiedelten (Anm. 5). Ebenso wie der Auftraggeber ist auch unbekannt, ob der Pokal ausgeführt wurde.
Daniel hatte gemutmaßt, dass Runge die Komposition „nur aus Reminiscenzen gebildet“ hätte, sie also auf eine frühere Beschäftigung - Daniel erwähnt, dass sich Runge bereits in Kopenhagen „mit ähnlichem beschäftigt hatte“ - und Motive zurückgeht. Motivische Verbindungen bestehen etwa zur Rahmenkomposition für die „Freuden des Weines“ (Inv. Nr. 34270), wo im oberen Teil ebenfalls ein Satyr und eine Mänade die Wut des Weines verkörpern, und zum Kinderbacchanal (Inv. Nr. 1938-103), dessen linke Gruppe in der Gruppe von drei kleinen Satyrn links weiter entwickelt wird. Ähnlich wie der „Triumph Apolls“ (Inv. Nr. 34251) ist auch die als Fries konzipierte Komposition des Bacchanals von antikischem Geist erfüllt, ohne dass es ein konkretes Vorbild gäbe. Die Figur der Mänade entspricht aber nahezu spiegelbildlich einem tanzenden Faun auf einem antiken Relief, das Johann Joachim Winkelmann erstmals bekannt gemacht hat (Anm. 6), und das Runge gekannt haben könnte.

Peter Prange

1 Vgl. HS I, S. 226.
2 Pauli 1916, S 32.
3 Berefelt 1972, S. 93, Anm. 22.
4 Berefelt 1972,S. 86, vgl. HS I, S. 367.
5 Traeger 1975, S. 363, Nr. 290, und S. 440, Nr. 435.
6 Monumenti antichi inediti spiegati ed illustrati da Giovanni Winkelmann, Bd. 1, Rom, 1767, Abb. 53.

Details zu diesem Werk

Beschriftung

Auf dem Verso oben in der Mitte bezeichnet und datiert: "Hamburg / 1803" (Bleistift; um 180 Grad gedreht)

Provenienz

Nachlass des Künstlers; ab 1810 im Besitz des Bruders Johann Daniel Runge (1767-1856), Hamburg; nach dessen Tod am 12. 3. 1856 im Besitz der Witwe Philipp Otto Runges, Pauline Runge (1785-1881), geb. Bassenge; als deren Geschenk an den Kunstverein in Hamburg, 30. 4. 1856 (Hamburger Kunsthalle, Archiv des Kupferstichkabinetts, Archiv Nr. 307, Catalog der Sammlung des Kunst-Vereins in Hamburg, S. 108, Nr. 495 o.: "1 Bt. Baccahnal. Tanzender Faun und Menade, zu beiden Seiten Kindergruppen. Bleifeder. Dresden 1803. Royqfol. (für Schweden im Auftrage gezeichnet und rund um einen Glaspokal geschliffen.)"); Geschenk des Kunstvereins in Hamburg an das Kupferstichkabinett der Hamburger Kunsthalle, 1891

Bibliographie

Runge in seiner Zeit, hrsg. von Werner Hofmann, Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle 1977, S.171, Nr.138, Abb.

Jörg Traeger: Philipp Otto Runge und sein Werk. Monographie und kritischer Katalog, München 1975, S.136, 363, Nr.290, Abb.

Jahrbuch der Hamburger Kunstsammlungen, hrsg. von Hamburger Kunsthalle und Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg, Bd. 19, 1974, S.13-36

Gunnar Berefelt: Verzierungen mit Einsicht und Sinn. Notizen um Philipp Otto Runge, in: Konsthistorisk Tidskrift 41, Stockholm 1972, S. 81-94, S.86, 93 Anm. 22

Johannes Langner: Philipp Otto Runge in der Hamburger Kunsthalle, Bilderhefte der Hamburger Kunsthalle, Bd. 4, Hamburg 1963, S.9, 21, Abb.8

Gunnar Berefelt: Philipp Otto Runge zwischen Aufbruch und Opposition 1777-1802, Stockholm Studies in History of Art, Bd. 7, Stockholm 1961, S.88, Anm. 3 S. 144, 205

Otto Böttcher: Philipp Otto Runge. Sein Leben, Wirken und Schaffen, Hamburg 1937, S.149, 291, 298, Abb.Taf. 13, Nr. 2

Edmund Meier-Oberist: Das neuzeitliche hamburgische Kunstgewerbe in seinen Grundlagen. Ein Beitrag zur Kulturgeschichte des 19. Jahrhunderts, Hamburg 1925, S.270

Gustav Pauli: Die Hamburger Meister der guten alten Zeit, München 1925, S.30

Gustav Pauli: Philipp Otto Runges Zeichnungen und Scherenschnitte in der Kunsthalle zu Hamburg, Berlin 1916, S.32, Nr.46, Abb.Taf. 11

Jahresbericht der Kunsthalle zu Hamburg für 1892, Hamburg 1893, S.48

Philipp Otto Runge: Hinterlassene Schriften, hrsg. von Daniel Runge, Bd. 1, Hamburg 1840 (Reprint: Göttingen 1965), S.226