Peter Paul Rubens, Kopie
Die Schlüsselübergabe ("Pasce Oves Meas"), nach 1614
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Peter Paul Rubens, Kopie

Die Schlüsselübergabe ("Pasce Oves Meas"), nach 1614

Peter Paul Rubens, Kopie

Die Schlüsselübergabe ("Pasce Oves Meas"), nach 1614

Nach seiner Auferstehung hatte Jesus Christus eine sehr persönliche Begegnung mit dem Apostel Petrus, die nur im Johannesevangelium überliefert wird (Johannes 21, 1-17): Jesus fragte den Jünger, der ihn in der Nacht seiner Gefangennahme dreimal verleugnet hatte, seinerseits dreimal, ob er ihn liebhabe. Anschließend forderte er ihn dazu auf, seine Schafe zu weiden („pasce oves meas“), woraus sich letztlich das Hirtenamt des Apostels ableitet. Die dabei verliehene Autorität wird traditionell durch die Übergabe der Schlüssel von Himmel und Erde zum Ausdruck gebracht.
Müller-Hofstede hielt in einer undatierten Kartonnotiz die Zeichnung für eine von Rubens überarbeitete Schülerkopie nach der halbfigurigen gemalten Fassung in der Wallace Collection,(Anm1) bevor er 1974 seine Meinung revidierte und das Blatt als eigenhändige Arbeit des Künstlers publizierte. Dabei nahm er ein mit 303 x 197 mm annähernd maßgleiches "Abendmahl" als stilistischen Anhaltspunkt.(Anm.2) Held (1974) schloss sich dieser Meinung an.
Allerdings ist unsere Zeichnung deutlich vorsichtiger und trockener gearbeitet. Köpfe und Hände wirken stellenweise in ihren Umrissen schwach und spannungslos, und den Konturlinien fehlt die modulierende Intensität der Rubenszeichnung. Diese Merkmale wurden von David Freedberg (1984) zu Recht als Hinweis auf Kopistenhand gedeutet. Immerhin deuten die sicher eigenhändigen Retuschen auf eine Entstehung im engeren Umkreis des Künstlers, mit denen der Kopist sich der Dichte und Ausdruckskraft des Originals anzunähern versuchte.(Anm.3)
Als Vorlage zu unserem Blatt ist von einer heute unbekannten Zeichnung auszugehen, die man sich ähnlich dem erwähnten "Abendmahl" oder dem Wiener „Allerheiligen“-Blatt vorzustellen hat.(Anm.4) Diese Zeichnungen dienten als lIlustrationsvorlagen für das „Breviarum Romanum“, und ein entsprechender Kontext ist auch für das verlorene Original anzunehmen.(Anm.5)
Die auffälligen Knickfalten erklären sich vermutlich dadurch, dass die Zeichnung einem Brief beigegeben wurde.

1 London, Wallace Collection, Inv.-Nr. P93, David Freedberg: Rubens. The Life of Christ after the Passion, Corpus Rubenianum Ludwig Burchard, Bd. 7, London 1984, Nr. 24.
2 Um 1614, Aukt.-Kat. London, Sotheby's, 11. 7. 2001, Nr. 80, Feder in Braun über Spuren von schwarzer Kreide, braun laviert, weiß gehöht, gestochen von Theodoor Galle für das "Breviarum Romanum", J. Richard Judson, Carl van de Velde: Book Illustrations and Title Pages I, Corpus Rubenianum Ludwig Burchard, Bd. 11, Brüssel 1977, Nr. 28 a.
3 Es wurde die gleiche Tusche in unterschiedlich starker Konzentration verwendet; auch sind die Retuschen etwa an den Augen der mittleren Apostel unverzichtbare Bestandteile der Zeichnung und nicht spätere Zugaben einer anderen Hand. Mit dieser Interpretation revidierte Egbert Haverkamp Begemann auf dem Symposium “Niederländische Altmeisterzeichnungen 1500 bis 1800” am 21. und 22. 2. 2008 im Kupferstichkabinett der Hamburger Kunsthalle seine Kartonnotiz von 1984. Zu den Retuschen vgl. auch Michael Jaffé: Figure Drawings attributed to Rubens, Jordaens and Cossiers in the Hamburger Kunsthalle, in: Jahrbuch der Hamburger Kunstsammlungen, 1971, S. 39-50 („von einer Hand, nach Rubens“) und Justus Müller-Hofstede: Two unpublished Drawings by Rubens, in: Master Drawings 12, 1974, S. 133-137, Anm. 14 („von einer Hand“).
4 David Freedberg: Rubens. The Life of Christ after the Passion, Corpus Rubenianum Ludwig Burchard, Bd. 7, London 1984, Nr. 25; Grafische Sammlung Albertina, Inv.-Nr. 8213 (Feder in Braun, braun laviert, 295 x 200 mm), J. Richard Judson, Carl van de Velde: Book Illustrations and Title Pages I, Corpus Rubenianum Ludwig Burchard, Bd. 11, Brüssel 1977, Nr. 28 a.
5 Dafür votierte auch Egbert Haverkamp Begemann auf dem Hamburger Symposium, siehe Anm. 3.

Details zu diesem Werk

Beschriftung

Auf dem Verso unten links Stempel der Hamburger Kunsthalle (L. 1328)

Wasserzeichen / Kettenlinien

Adler, Heawood deest, sehr ähnlich RPK W 69 (aber Wappen nach unten nicht spitz zulaufend)
ca. 25-26 mm (v)

Provenienz

William Roscoe (1753–1831), Liverpool, vgl. dessen Auktion, Liverpool 1816 (Lugt Ventes 8970); Georg Ernst Harzen (1790–1863), Hamburg (L. 1244); HK, KK, A, NH Ad:01:02, fol. 57 (als „Rubbens“): „Christus übergibt dem vor ihm knienden Petrus die Schlüssel in Gegenwart fünf anderer Apostel. Ganze Figuren. Treffliche sehr bestimmte Federzeichnung, in Seppia beendigt. 7.6. 10.1. Im Motiv dem Bilde sehr nahe kommend das Halbfiguren darstellend. F. Eisen nach dem Meister ge-stochen hat in Folio mit Unterschrift Dixit Jesus … welches Blatt bezeichnet ist.“; HK, KK, A, NH Ad: 02: 01, S. 267; Legat Harzen 1863 an die „Städtische Gallerie“ Hamburg; 1868 der Stadt übereignet für die 1869 eröffnete Kunsthalle

Bibliographie

David Freedberg: Rubens. The Life of Christ after the Passion, Corpus Rubenianum Ludwig Burchard, Bd. 7, London 1984, S.99-100, Abb.56

Julius S. Held: Some Rubens Drawings – Unknown or Neglected, in: Master Drawings 12, 1974, S. 249-260, S.253-254

Michael Jaffé: Figure Drawings attributed to Rubens, Jordaens and Cossiers in the Hamburger Kunsthalle, in: Jahrbuch der Hamburger Kunstsammlungen, 1971, S. 39-50, S.47, Anm. 30

Justus Müller-Hofstede: Two unpublished Drawings by Rubens, in: Master Drawings 12, 1974, S. 133-137, S.135, Abb.6