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Nicolas-André Monsiau
Der Tod Raffaels (PrÀsentationszeichnung), 1804
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Nicolas-André Monsiau

Der Tod Raffaels (PrÀsentationszeichnung), 1804

Nicolas-André Monsiau

Der Tod Raffaels (PrÀsentationszeichnung), 1804

Die voll ausgefĂŒhrte Pinselzeichnung mit dem „Tod des Raffael“, die erst 2019 fĂŒr das Kupferstichkabinett der Hamburger Kunsthalle erworben werden konnte, ist eine Studie fĂŒr das GemĂ€lde gleichen Themas, das Monsiau auf dem Salon des Jahres 1804 prĂ€sentiert ausgestellt hat. Das Bild ist heute verschollen (Anm. 1), seine Komposition ist aber durch eine Umrissradierung von Charles Paul Landon (1760-1826) in den von ihm herausgegebenen Annales du MusĂ©e et de l’école moderne des beaux-arts (17 BĂ€nde, Paris 1801–1808) ĂŒberliefert (vgl. Inv.-Nr. kb-1938-7-10-47). Die hier wiedergegebene Komposition entspricht beinahe exakt der vorliegenden Zeichnung, so dass diese einen guten Eindruck vom GemĂ€lde geben kann. Erst in diesem Jahr konnte eine weitere Zeichnung dieses Motivs von Monsiau erworben werden, bei der es sich um eine quadrierte Studie zu der hier vorliegenden Zeichnung handelt, die in vielen Details im Figurenpersonal und in der Stellung derselben noch etliche Abweichungen von der endgĂŒltigen Fassung aufweist. (vgl. Inv.-Nr. 2020-15).
Der christusgleiche Leichnahm Raffaels liegt auf einem Paradebett – aufgebahrt wie ein Heiliger der christlichen Kirche oder ein MĂ€rtyrer der französischen Revolution, um ihn herum ist eine große Zahl trauernder, ihn bewundernder MĂ€nner und Frauen versammelt. Alle geben ihrer Trauer in verschiedensten leidenschaftlichen GebĂ€hrden tiefen Ausdruck. Vom auf StĂŒhlen hockenden Zusammengesunkensein, ĂŒber verzeifelt in die Höhe geworfene Arme bis zum andĂ€chtigen Knien oder dem KĂŒssen der rechten Hand des geliebten Toten. Am Fußende des Betts stehen ein Kreuz und ein WeihwasserbehĂ€ltnis fĂŒr die Sterbesakramente. Rechts vorn am Kopf des Verstorbenen sitzt am Bett ein Priester, in der Bibel lesend oder daraus rezitierend. Am Kopfende sieht man – flankiert von hohen, brennenden Kerzen – die von einem Baldachin mit Lorbeerverzierung ĂŒberragte riesige Leinwand des GemĂ€ldes der „VerklĂ€rung Christi (Transfiguration“), ganz so wie es Vasari berichtet hatte: „Nach eingetretenem Tod stellten sie am Kopfende des Saales, in dem er gearbeitet hatte, die Tafel der VerklĂ€rung auf, die er fĂŒr den Medici-Kardinal gefertigt hatte.“ (Anm. 2) An der hinteren Wand hĂ€ngen, antiken TrophĂ€en gleich, die verehrten Malutensilien Raffaels, seine Pinsel und seine Palette. (Anm.3) Unter den Trauernden, die in immer grĂ¶ĂŸer werdender Zahl von hinten durch die TĂŒr unter dem gelupften Vorhang hereinströmen, befinden sich auch zwei Frauen und mehrere Kinder (Anm. 4), was die allgemeine Anteilnahmme aller, auch des einfachen Volkes, verdeutlichen soll, ohne dass von Monsiau bei den Frauen hier eine persönlich gemeinte Verbindung zum Raffael – z. B. zu seiner Geliebten, der Fornarina – herzustellen ist. Im Durchblick der hohen TĂŒr, ĂŒber der laut Salonkatalog ein fiktives PortrĂ€tmedaillon von Raffaels Lehrer Perugino prangt (Anm. 5), blickt man auf dieselbe antike Skulptur eines Athleten oder Gladiators, die auf dem Aquarell mit der PrĂ€sentation der „VerklĂ€rung Christi“ hinter dem GemĂ€lde steht.
Im Salonkatalog von 1804 werden aus der Gruppe der Trauernden folgende Personen explizit hervorgehoben. Es heißt dort, er sei umgeben von dem Dichter Ludovico Ariosto (1474-1533) sowie seinem Gönner, dem Kardinal Bibbiena, und seinen liebsten SchĂŒlern Giulio Romano, Gianfrancesco Penni, Polidoro da Caravaggio Perino del Vaga, Giovanni da Udine und anderen nicht namentlich genannten. (Anm. 6) Ob alle diese Menschen wirklich Abschied vom toten Raffael nahmen, ist nicht geklĂ€rt und nirgends ĂŒberliefert. Es ist nicht eindeutig möglich, die hier genannten Namen direkt mit den Personen auf der Zeichnung zu identifizieren. Lediglich die Person des Kardinals Bibbiena ist klar als der stehende Geistliche zu erkennen. Um das Bett herum, in direkter NĂ€he in Verzeiflungsposen sicher die genannten SchĂŒler Raffaels. Einer dieser KĂŒnstler – wahrscheinlich Gianfrancesco Penni oder Giulio Romano – steht in Blickkontakt mit dem Kardinal und weist emphantisch hinauf zum verklĂ€rten Christus, mit dem die Nachwelt Raffael fortan gleichzusetzen gedachte. (Anm. 7)
Die deutsche Schrifstellerin Helmina von ChĂ©zy besuchte 1804 den Pariser Salon. Sie bemerkte folgende, sich auf den kritisch auf den klassizistischen Stil des KĂŒnstlers beziehende Worte zu Monsiaus GemĂ€lde „Der Tod Raffaels“: „Der erblaßte Raphael auf seinem Paradebette, umgeben von seinen Lieblingen und SchĂŒlern. Schon der Gedanke dieses Bildes ist rĂŒhrend, und einer gefĂŒhlvollen und tiefen Behandlung werth. Monsiau ist weit unter seinem Sujet geblieben. Es fehlt seinem GemĂ€lde Kraft, Feierlichkeit, Hoheit und WĂŒrde. Ich erwĂ€hne desselben bloß in RĂŒcksicht des Gegenstandes, der so reich, so tief ist, und aus krĂ€ftiger FĂŒlle der Gedanken und der Empfindung dargestellt werden sollte. Es muss eine dem göttlichen Raphael verwandte Seele seyn, die solch einen Gegenstand recht innig fassen und rein wĂŒrdig aussprechen wollte.“ (Anm. 8) Auch wenn hier die QualitĂ€t des des heute leider verschollenen GemĂ€ldes (vgl. Inv.-Nr. kb-1938-7-10-47) eines französischen Klassizisten, der den toten Raffael in seiner Komposition durchaus in der noch jungen Tradition der RevolutionsmĂ€rtyrer wiedergibt, von der deutschen Betrachterin als kraftlos und zu wenig feierlich charakterisiert wurde, erscheint ihre Schlussfolgerung, dass ein solch großes und bedeutendes Sujet nur eine dem göttlichen Raffael verwandte Seele malen könne, höchst interessant. Lenkt sie, beeinflust zweifellos durch die frisch ins GedĂ€chtnis eingebrannte LektĂŒre von Wackenroder und Tieck sowie des befreundeten Friedrich Schlegel, der ab 1802 in Paris lebte, den Blick schon unwillkĂŒrlich auf kommende romantisierende KĂŒnstlergenerationen wie den BrĂŒdern Franz und Johannes Riepenhausen mit ihren ausfĂŒhrlichen Schilderungen zu Leben und Tod Raffaels.
Monsiaus Leistung ist aber dennoch fĂŒr die aufkeimende Raffael-Verehrung nicht hoch genug zu schĂ€tzen, handelt es sich doch um die erste malerische Darstellung der schon bei Giorgio Vasari ausfĂŒhrlich geschilderten und in allen spĂ€teren Lebensbeschreibungen aufgegriffenen ergreifenden Todesszene des mit 37 Jahren noch jungen KĂŒnstlers.(Anm. 9) Zusammen mit der Szene der PrĂ€sentation der „VerklĂ€rung Christi“ (vgl. Inv.-Nr. 2020-17) scheint es, als ob Monsiau durchaus eine Folge von Darstellungen aus der Vita Raffaels illustrieren wollte, die dann zu den ersten ihrer Art in der Kunstgeschichte gehören. (Anm. 10)

Andreas Stolzenburg

1 Ausst.-Kat. Paris 1804, S. 61-62, Nr. 325. ErwĂ€hnt in der Notice su la vie et les ouvrages de M. Monsiau, in: Aukt.-Kat. 1837, S. 5, Nr. 4 („La Morte de RaphaĂ«l, achetĂ© par la SociĂ©tĂ© des Amis des arts.“).
2 Vasari/GrĂŒndler 2004, S. 84.
3 In der Studienzeichnung (vgl. Inv.-Nr. 2020-15) ist zusÀtzlich noch eine Zeichenmappe angebracht.
4 In der Studie (vgl. Inv.-Nr. 2020-15) nimmt die Frauengruppe noch den vorderen linken Bereich ein, wo in der endgĂŒltigen Fassung ein andĂ€chtig versunkener, bĂ€rtiger Mann (vielleicht der Dichter Ludovico Aristo?) steht.
5 „Le mĂ©daillon au-dessus de la porte, reprĂ©sente le PĂ©rugin, maĂźtre de RaphaĂ«l.“, Ausst.-Kat. Paris 1804, S. 61-62, Nr. 325. Das Medaillon wird ebenfalls von beigegebener Palette und Pinsel als KĂŒnstlerbildnis charakterisiert. In der Studie (vgl. Inv.-Nr. 2020-15) ist an dieser Stelle noch ein nicht identifizierbares Bildnismedaillon, flankiert von einem Greif zu sehen.
6 „Ce grand homme est rĂ©presentĂ© exposĂ© sur un lit de parade dressĂ© devant le Tableaux de la Transfiguration, sons dernier chef-d`Ɠuvres. C`est l`instant oĂč il est assistĂ© des secours de la religion, et oĂč l`on permet Ă  la foule qui s`empresse, de venir contempler en mĂȘme tems le spectacle touchant de la mort et de l`immortalitĂ©. Il est environnĂ© dans ce dernieer moments, de l`Arioste, du Cardinal Bibienna [sic], ses amis et ses admirateurs, et de ses plus chers Ă©lĂšves, parmi lesquels sont Jules Romain, Jean-François Penni, di il fattore, Polidore de Caravage, Perrin del Vaga, Jean da Udine, etc.“; Ausst.-Kat. Paris 1804, S. 61-62, Nr. 325.
7 Auch diese Figur zweigt in der Studienzeichnung (vgl. Inv.-Nr. 2020-15) noch ein gĂ€nzlich andere und vor allem wesentlich jĂŒngere Physiognomie.
8 Zit. nach Chézy/Savoy 2009, S. 68-69.
9 Die Zeichnung des Julien de Parme von 1774 folgt nicht der Beschreibung Vasaris, sonder ist eine frei erfundene allegorische Darstellung auf den Tod Raffaels.
10 Im Aukt.-Kat. 1837 sind jedoch nur die beiden jetzt in Hamburg befindlichen Zeichnungen und das GemÀlde von 1804 erwÀhnt.

Details zu diesem Werk

Beschriftung

Unten links signiert und datiert: "Monsiau ÂŽ[1]804" (Feder in Braun)

Provenienz

Erworben 2019 von Dr. Martin Moeller Kunsthandel, Hamburg, mit Mitteln der Campe`schen Historischen Kunststiftung

Bibliographie

Raffaello 1520-1483, hrsg. von Marzia Faietti, Matteo Lanfranconi mit Francesco P. Di Teodoro und Vincenzo Farinella, Ausst.-Kat. Rom, Scuderie del Quirinale, Mailand 2020, S.65, Nr.Nr. I.3

Anna Lisa Genovese: La tomba del divino Raffaello, Rom 2015, S.35, Abb.

Zeichnungen, Aquarelle / Drawings, Waterclours & Oelstudien / Oil studies, Bd. XII, Ausst.-Kat. Hamburg, Dr. Moeller & Cie., Hamburg 2015, S.o. S., Nr.10, Abb.

Mehdi Korchan: Le passé retrouvé. L`histoire imagée per le XIXe siÚcle,, Ausst.-Kat. Lyon, Galerie Michel Descours, Lyon 2014, S.26, Abb. 4