Matthias Scheits
Die klugen Jungfrauen empfangen den Bräutigam, N. T. 12, um 1670
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Matthias Scheits

Die klugen Jungfrauen empfangen den Bräutigam, N. T. 12, um 1670

Matthias Scheits

Die klugen Jungfrauen empfangen den Bräutigam, N. T. 12, um 1670

Erste Studie zu Matthäus 25, 11–13, jedoch keine direkte Vorlage zum seitengleichen Stich von Jan de Visscher. Vgl. auch Inv.-Nr. 47277

Zeichnungen zur Sternschen Bilderbibel
Der wichtigste Auftrag für Scheits waren die Illustrationen zu einer Bilderbibel, die 1672 mit Kupferstichen im Verlag von Johann und Heinrich Stern in Lüneburg erschien, weshalb sie auch unter dem Namen Sternsche Bibel bekannt ist.(Anm.1) Mit ihren 153 Kupferstichen, die von 14 verschiedenen Stechern in Augsburg, Nürnberg und Amsterdam stammen, war die Sternsche Bibel eine der populärsten Bilderbibeln des 17. und 18. Jahrhunderts, deren Erfolg erst im 19. Jahrhundert durch die Bilderbibel des Schnorr von Carolsfeld übertroffen wurde.
Einen Anhaltspunkt für die Datierung der Zeichnungen von Scheits, die alle undatiert sind, gibt der Stich "Der Jüngling zu Nain" vom Amsterdamer Christian Hagen, der über dem Tor der Stadt Nain die Jahreszahl 1668 hinzugefügt hat, die in der Zeichnung jedoch fehlt. Da die Vorrede des Hofpredigers Weller aus dem Jahre 1663 stammt, aber nicht den Bilderschmuck der Bibel oder den Plan eines solchen erwähnt, dürfte der Auftrag an Scheits in die Zeit danach fallen.(Anm.2)
Von Scheits Vorzeichnungen existieren häufig zwei oder drei Varianten derselben Komposition, die sich in der Technik zwar gleichen, sich im verwendeten Zeichenmaterial und im Grad der Ausführung aber unterscheiden. Es lassen sich drei Gruppen von Zeichnungen unterscheiden, die je nach Ausarbeitung auch verschiedene Funktionen hatten. Zur ersten Gruppe gehören Zeichnungen, die Scheits mit breiter Feder und großflächiger Austuschung in Braun angelegt hat. Sie gehören zu den spontanen Äußerungen von Scheits, in denen er mit vehementen und freien Strichen die Komposition formuliert. Sie weichen in der Komposition auch vom ausgeführten Stich ab, so dass sie einen ersten Entwurf festhalten, der offensichtlich wieder vorworfen wurde. Ein solches Blatt stellt das "Gleichnis von den klugen Jungfrauen" dar, das in der Hamburger Kunsthalle in zwei Versionen existiert. Der erste Entwurf weicht von der Stichvorlage in erheblichem Maße ab - vor allem in der Anordnung der Jungfrauen -, doch ist das Blatt durchgegriffelt und die Rückseite geschwärzt, was darauf schließen lässt, dass nach dem Blatt gestochen wurde. Es wurde aber verworfen; damit zusammenhängen könnten die nachträglichen Zusätze in Graphit, die der Komposition teilweise ein stärkeres lineares Gerüst geben, teilweise die Köpfe spielerisch umzeichnen. Ein solches Blatt diente möglicherweise zur ersten Vorlage beim Verleger, wo Korrekturen eingetragen wurden, auf deren Grundlage Scheits eine neue Vorlage anfertigte. Stilistisch entspricht dieser Stufe des Entwurfs ein Blatt, auf dem Christus einen Besessenen heilt. Es entspricht weitgehend der seitengleichen Komposition des Stichs und ist ebenfalls durchgegriffelt, doch fehlt am rechten Rand die Angabe eines Tempels, der im Stich erscheint.
Eine zweite Gruppe bilden zehn skizzenhaft aufgefasste Blätter, die nicht als unmittelbare Stichvorlage verwendet wurden, doch deren Komposition bis auf zwei Blätter ihr weitgehend entsprechen. In der Technik unterscheiden sie sich kaum, alle Umrisse sind mit Feder in Braun gezogen, alles andere erscheint als graubraune Lavierung. Scheits hat zunächst die Binnenzeichnung, die im Stich als Schattierung erscheint, als graubraune Lavierung angegeben, und danach in die teilweise noch nasse Lavierung mit Feder in Braun die Umrisse hineingezeichnet. Dies geschieht zumeist in einem freien und virtuosen Strich, teilweise sehr lebendig und manchmal sogar heftig überzeichnend. Auch manche dieser Zeichnungen sind durchgegriffelt, so dass sie möglicherweise als Vorlage für Probestiche dienten. Auf dieser Stufe des Entwurfs hat Scheits auch bereits mit eingefärbten Papieren experimentiert wie auf dem Blatt mit Susanna und den beiden Alten.
Eine dritte Gruppe bilden 31 genau ausgearbeitete Blätter, die als seitengleiche oder -verkehrte Stichvorlage für die Sternsche Bibel dienten (Anm.3), wofür sie oben rechts mit einer roten Nummer gekennzeichnet wurden, die der Abfolge ihres Erscheinens in der Bibel entspricht. Die Komposition ist sorgfältig mit Pinsel in Grau angelegt, darüber hat Scheits die Umrisse meist mit Feder in Braun mal ausführlicher, dann nur wieder andeutend eingezeichnet. Er berücksichtigt die stecherische Umsetzung, indem er mit der grauen Lavierung Schattenzonen andeutet, die der Stecher je nach Grad der Verschattung durch verschieden dichte Schraffuren ausfüllte. Die Rücksichtnahme auf den Stecher ist sicher auch dafür verantwortlich, dass sich diese Blätter allgemein durch eine etwas trockene, wenig lebendige Strichführung auszeichnen. Einige Zeichnungen sind auf farbigen oder rot eingefärbten Papieren angelegt, auf ihnen hat Scheits zur Akzentuierung noch Weisshöhungen angebracht.
Die meisten Blätter sind durchgegriffelt, was ihre Verwendung für die Bibel belegt. Auf der Rückseite einer Zeichnung hat sich die spiegelbildliche Durchzeichnung der Komposition vom Stecher erhalten, die dieser für die Übertragung in den Stich benutzte. Da das Blatt gefaltet war, gibt es auf der Rückseite einen Abklatsch des rechten oberen Viertels, was die Vermutung nahelegt, dass das Blatt nach Verwendung wieder an Scheits (?) zurückgeschickt worden ist.
Eine besondere letzte Gruppe bilden 13 Ölgrisaillen auf Papier, von denen Quack vermutet, sie seien nachträglich für Sammler angefertigt und nicht als Stichvorlagen verwendet worden.(Anm.4) Diese Annahme ist nicht zwingend, obwohl Übertragungsspuren fehlen. Doch dass die dem Stich bis auf zwei Ausnahmen seitengleich entsprechenden Blätter als Vorlagen für Kupferstiche verwendet worden sein können, belegt die Praxis in Städten wie Augsburg, woher der Stecher Johann Georg Waldtreich stammt, der die meisten Grisaillen stach.

Peter Prange

1 Biblia, Das ist: Die gantze H. Schrifft Alten und Newen Testaments/ Deutsch/ D. Martin Luthers/ Mit dem Anhang des dritten und vierdten Buchs Esra/ Wie auch dritten der Maccabeer [...] Lüneburg: Stern, 1672
2 So auch Quack 1930, S. 18. Die von Werner Sumowski: Zeichnungen aus fünf Jahrhunderten. Eine Stuttgarter Privatsammlung, Ausst.-Kat. Staatsgalerie Stuttgart 1999, S. 266, Nr. 171, vorgeschlagene frühere Datierung der Zeichnungen beruht auf einem Irrtum. Er bezog seine Datierung auf ein Exemplar der Sternschen Bilderbibel, das die Hamburger Kunsthalle besitzt. Vorhanden sind allerdings nur die einzelnen Stiche, denen das Vorsatzblatt einer anderen, 1664 in der Sternschen Offizin erschienenen Bibel beigegeben ist.
3 Die Annahme von Alfred Lichtwark: Matthias Scheits als Schilderer des Hamburger Lebens 1650-1700, Hamburg 1899, S. 147, dass Scheits für einige Stiche nur skizzenhafte Zeichnungen angefertigt habe, "in denen alles Detail fehlte, so daß die Stecher dieses aus Eigenem hinzutun konnten", ist angesichts mehrerer Varianten einer Komposition so nicht mehr haltbar.
4 Quack 1930, S. 10.

Details zu diesem Werk

Verso

Technik verso: geschwärzt

Provenienz

Georg Ernst Harzen (1790-1863), Hamburg (L. 1244), NH Ad: 04: 01, fol. 132: "Martin Scheutz [Auslassung Harzen] Bl biblische Darstellung {zur} Kains Brudermord, nebst dem danach gefertigten Kupferstiche vom M. Küsell. Noahs op. fec. Pharaos Untergang im rothen Meer, nebst dem Stich von G.A.Wolfgang Die klugen und törichten Jungfrauen. Feder Tusche und Bister 7.3 - 8.10 bis 9.3. die Zeichnungen wurden für die Lüneburger Bibel [Sternbibel] von 1672 entworfen, die Scheitsche {Bibel} genannt."; und Ad: 02: 01, S. 237; Legat Harzen 1863 an die „Städtische Gallerie“ Hamburg; 1868 der Stadt übereignet für die 1869 eröffnete Kunsthalle

Bibliographie

Peter Prange: Deutsche Zeichnungen 1450-1800. Katalog, Die Sammlungen der Hamburger Kunsthalle Kupferstichkabinett, Bd. 1, Köln u.a. 2007, S.315, Nr.870

Christine Holthusen: Katalog der Handzeichnungen des Matthias Scheits, MA. Univ. München 1988, S.Teil II, S. 44, Nr.78, Abb.116

Friedrich Quack: Die Kompositionen der Scheitsschen Bibelbilder. Ein Beitrag zur klassischen Strömung des XVII. Jahrhunderts, Diss. Univ. Köln 1930, S.8, 10-11, 72, Abb.8A