Maso Finiguerra
Die Sintflut, Anfang 1460er Jahre
Zurück Bildinfos ➕ 🗖

Maso Finiguerra

Die Sintflut, Anfang 1460er Jahre

Maso Finiguerra

Die Sintflut, Anfang 1460er Jahre

Georg Ernst Harzen erwarb die kapitale Zeichnung 1854 auf der Versteigerung der Sammlung Woodburn als Werk Sandro Botticellis. Er stellte bereits den Bezug der Komposition zu dem bei Bartsch beschriebenen Kupferstich „Die Sintflut“ her, der dort noch unter den „Estampes des vieux maîtres italiens anonymes“ aufgeführt wird.(Anm.1)
In den folgenden Jahrzehnten wurde vor allem die Abhängigkeit der Hamburger Zeichnung von diesem heute Francesco Rosselli (1448 – um 1513) zugeschriebenen Stich diskutiert. Verschiedene Autoren wie Colvin und Hind sahen in der Zeichnung eine Kopie, während Degenhart und Schmitt 1968 offensichtlich als erste diese Einschätzung ablehnten und das Blatt entschieden als Vorzeichnung für den Stich einstuften. Als Zeichner nahmen sie einen Künstler im Umkreis Maso Finiguerras an, der in den 1460er Jahren in Florenz tätig gewesen ist. 1973 hat dann Konrad Oberhuber die Zeichnung ohne Abstriche an Maso gegeben, eine Einordnung, die sich in den folgenden Jahrzehnten durchgesetzt hat. Die Darstellung stammt aus der Phase der Zusammenarbeit mit Antonio Pollaiuolo in den frühen 1460er Jahren.
Das Hamburger Blatt bildet gemeinsam mit zwei weiteren Zeichnungen, die Szenen aus der Genesis zeigen, eine kleine Gruppe innerhalb des Œuvres Finiguerras, die durch das große Format und die Verwendung von Pergament charakterisiert ist.(Anm.2)
Dillon und Melli wiesen darauf hin, dass auf dem Hamburger Blatt die auf den anderen beiden Blättern vorhandenen Landschaftselemente deutlich zurückgedrängt sind, wohingegen das Interesse an der Figur eindeutig im Vordergrund steht. Dabei setzt Finiguerra seine Komposition additiv zusammen.
Das Hamburger Blatt lässt sich gut mit dem Œuvre Maso Finiguerras verbinden, da dessen Komposition einige Eigenzitate aufweist. So findet sich etwa die Figur des Ertrinkenden im linken Vordergrund auf einem Niello mit der „Einkleidung des Soldaten“.(Anm.3)
Unverkennbar steht als allgemeines Vorbild hinter der gesamten Komposition die um 1444 entstandene berühmte „Sintflut“ Paolo Uccellos, an die z. B. der sich im linken Vordergrund an die Arche klammernde Mann erinnert.
David Landau und Peter Parshall haben 1994 erneut die Frage nach dem Verhältnis der Zeichnung Finiguerras zu Rossellis Stich diskutiert. Generell schließen sie eine direkte Zusammenarbeit der beiden Künstler aus, da Rosselli zum Zeitpunkt der Entstehung der Zeichnung höchstens sechzehn Jahre alt gewesen ist. Es besteht kein Grund zu der Annahme, dass ein so erfahrener Graphiker wie Finiguerra auf die Hilfe eines Anfängers zurückgegriffen haben könnte, und dies bei dem wohl größten Kupferstich, der bis dahin in Florenz entstanden ist. Wäre die Hamburger Zeichnung konkret als Vorzeichnung geplant gewesen, dann allenfalls als direkte Vorlage für Finiguerra selbst. Landau und Parshall stellen aber grundsätzlich in Frage, ob der Künstler überhaupt an eine Vervielfältigung gedacht hat. Pergament ist als Übertragungsmedium denkbar ungeeignet; außerdem ist aufgrund der hohen Kosten nicht davon auszugehen, dass es für Entwurfszwecke verwendet wurde.

David Klemm

1 The Illustrated Bartsch, begründet u. hrsg. v. Walter L. Strauss u. John T. Spike, New York 1978- XIII, S. 71–72; vgl. auch The Illustrated Bartsch 24 (13), 3 (71); ebd. 3-A (72).
2 „Szenen aus der Geschichte Moses“, London, British Museum, Department of Prints and Drawings, Inv.-Nr. 1898-11-23–4; „Szenen aus dem Leben von Adam und Eva“, Frankfurt am Main, Städel Museum, Graphische Sammlung, Inv.-Nr. 415. Vgl. Lorenza Melli: Maso Finiguerra. I disegni, Florenz 1995, S. 94, Nr. 125 u. 124.
3 Lorenza Melli: Maso Finiguerra. I disegni, Florenz 1995, S. 50, mit Hinweis auf weitere Beispiele.

Details zu diesem Werk

Beschriftung

Spuren einer alten Rahmung (Feder in Braun)

((Stempel der Kunsthalle fehlt noch))

Provenienz

Giorgio Vasari (1511-1574), Florenz, Arezzo (nach Ragghianti/Collobi 1974); Samuel Woodburn (1786-1853), London (L. 2588); auf dessen Nachlaßauktion 1854 in London (Lugt Ventes 21988) von Georg Ernst Harzen (1790-1863), Hamburg (L. 1244) als M. Coxie[!] erworben; NH Ad : 02 : 01, S. 210 (als Sandro Botticelli); NH Ad : 01 : 03, fol. 91 (als Sandro Botticelli): "Die Sündfluth; reiche Composition wo unter andern viele Menschen zur Linken sich an die Arche klammern, rechts drey Personen sich in einen Bottich zu retten suchen und in der Mitte ein überladener Kahn umschlägt. Sehr meisterlich und vollendet mit der Feder gezeichnet und in Seppia beendigt, 15.5. 10.8. Die Compositon ist übereinstimmend mit dem vom Künstler ausgeführten Kupferstich s. Bartsch XIII p [Auslassung Harzen] Samml. Woodburn."; [am Rand:] "Capitalblatt"; [unterhalb davon:] "....[?]" Legat Harzen 1863 an die "Städtische Gallerie" Hamburg; 1868 der Stadt übereignet für die 1869 eröffnete Kunsthalle

Bibliographie

S. 154

David Klemm: Italienische Zeichnungen 1450-1800. Kupferstichkabinett der Hamburger Kunsthalle, Die Sammlungen der Hamburger Kunsthalle Kupferstichkabinett, Bd. 2, Köln u. a. 2009, S.177, Nr.223, Abb.Farbtafel S. 13

Gramaccini und Meier: Die Kunst der Interpretation. Italienische Reproduktionsgrafik 1485-1600, Deutscher Kunstverlag Berlin München 2009, Abb.S. 94

David Klemm: Von Leonardo bis Piranesi. Italienische Zeichnungen von 1450 bis 1800 aus dem Kupferstichkabinett der Hamburger Kunsthalle, hrsg. von Hubertus Gaßner, David Klemm und Andreas Stolzenburg, Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle, Bremen 2008, S.14-15, Abb, S. 217, Nr.1

Eckhard Schaar, David Klemm: Italienische Zeichnungen der Renaissance aus dem Kupferstichkabinett der Hamburger Kunsthalle, Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle 1997, S.90, Nr.20, Abb.11

Lorenza Melli: Maso Finiguerra. I disegni, Florenz 1995, S.94, Nr.126, Abb.141 auf S. 189

David Landau, Peter Parshall: The Renaissance Print, 1470-1550, New Haven/London 1994, S.108-112, Abb.98

Alison Wright: Antonio Pollaiuolo, "Maestro di Disegno", in: Florentine Drawing at the Time of Lorenzo the Magnificent. Papers from a Colloquium held at the Villa Spelman, Florenz 1992, Bologna 1994, S. 131-146, S.138, Abb.3 (Anhang)

Il Disegno Fiorentino del Tempo di Lorenzo il Magnifico, hrsg. von Annamaria Petrioli Tofani, Mailand 1992, S.262-263, Nr.13.1, Abb.

Hamburger Kunsthalle, hrsg. von Werner Hofmann, München 1989 (2. erw. Aufl.), S.188, Nr.410, Abb.

Egbert Haverkamp-Begemann, Carolyn Logan: Creative Copies. Interpretative Drawings from Michelangelo to Picasso, Ausst.-Kat. The Drawing Center, New York 1988, S.39, Nr.bei Kat.-Nr. 5, Abb.5-1

Hamburger Kunsthalle, hrsg. von Werner Hofmann, München 1985, S.174, Nr.379, Abb.

Lutz S. Malke: Städel. Italienische Zeichnungen des 15. und 16. Jahrhunderts aus eigenen Beständen, Ausst.-Kat. Städelsches Kunstinstitut Frankfurt a. M. 1980, S.96, Nr.44

Licia Ragghianti Collobi: Il Libro de' Disegni del Vasari, Bd. 1, Florenz 1974, S.79

Licia Ragghianti Collobi: Il Libro de' Disegni del Vasari, Bd. 2, Florenz 1974, S.105, Abb.212

Richard Joseph Kubiak: Maso Finiguerra, Univ.-Diss., Virginia University 1974, S.95-97

Jay A. Levenson, Konrad Oberhuber, Jacquelyn L. Sheehan: Early Italian Engravings from the National Gallery of Art, , Washington 1973, S.7, 49 mit Anm. 14, Abb.4-10 auf S. 51

Bernhard Degenhart u. Annegrit Schmitt: Corpus der Italienischen Zeichnungen 1300-1450. Teil 1 Süd- und Mittelitalien, Katalog 168-635, Bd. 2, Berlin 1968, S.607-613, 617, Abb.609 (Nr. 935)

[Wolf Stubbe]: Italienische Zeichnungen 1500-1800. Ausstellung aus den Beständen des Kupferstichkabinetts, Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle 1957, S.11, Nr.22

Wolf Stubbe: Die Anfänge der italienischen Graphik und ihre Entwicklung in der Renaissance. Ausstellung aus den Beständen des Kupferstichkabinetts, Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle 1955, S.8, Nr.16

Arthur M. Hind: Early Italian Engraving. A Critical Catalogue with Complete Reproduction of all the Prints Described. Florentine Engravings and Anonymous Prints of other Schools, Part I, Bd. 1, London 1938, S.7, 136, Nr.bei Kat.-Nr. 1

Ausstellung von Zeichnungen Alter Meister aus den Sammlungen der Kunsthalle zu Hamburg, Ausst.-Kat. Kunstverein in Hamburg 1920, S.7, Nr.5

Arthur Mayger Hind: Catalogue of Early Italian Engravings preserved in the Department of Prints and Drawings in the British Museum, Bd. 1, 2 Bde, London 1910, S.122-123, Nr.bei Nr. 2

Wilhelm Koopmann: Einige weniger bekannte Handzeichnungen Raffaels, in: Jahrbuch der Königlich Preußischen Kunstammlungen 12, 1891, S. 40-49, S.41

Christian Meyer: Die Harzen-Commetersche Kupferstich- und Handzeichnungssammlung der Kunsthalle zu Hamburg, in: Archiv für die zeichnenden Künste 16, 1870, , S.92-93