Johann Adam Klein
Russische Ulanen vor Nürnberg, 1815
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Johann Adam Klein

Russische Ulanen vor Nürnberg, 1815

Johann Adam Klein

Russische Ulanen vor Nürnberg, 1815

Seit 1813 zogen mehrfach Truppen der antinapoleonischen Koalition an Nürnberg vorbei oder hielten dort Biwak. Klein, der sich in Wien während des Wiener Kongresses zu einem Spezialisten der Soldateska entwickelt hatte, zeichnete nach seiner Rückkehr wiederholt Soldatenszenen.
Am 22., 23. und 24. Oktober 1815 entstanden mehrere Blätter mit Darstellungen russischer Ulanen vom Regiment Tatarski. 1807 aus dem Regiment zu Pferde Tatarski entstanden (Anm. 1), besaß deren Kurtka – die ursprüngliche Bezeichnung des von den polnischen Truppen während der napoleonischen Kriege verwendeten Uniformrocks – „einen dunkelblauen Kragen und karminrote Arm- und Rockaufschläge und Nähte. Die Brustklappen […] und das Tschapkaoberteil [militärische Kopfbedeckung polnischen Ursprungs mit viereckigem Deckel, Anm. d. Verf.] waren ebenfalls karminrot. Die gleiche Farbe zeigte auch der Besatz des Paßgürtels und der dunkelblauen Schabracke. Knöpfe und Schnüre des Tschapkaoberteils waren weiß.“ (Anm. 2) Der Patronentaschengurt, der bei allen Regimentern weiß war, wurde über die linke Schulter getragen und war mit goldenen Schildchen, Kettchen und Ösen besetzt. Die Patronentasche aus schwarzem Lackleder trug einen runden goldenen Schild mit einem Adler. Die Pferdeschabracken, auf der in der hinteren Ecke die gekrönte Initiale A für Zar Alexander angebracht war, waren wie auf der vorliegenden Zeichnung dunkelblau mit Besatz in den Regimentsfarben.
Auf Kleins Blatt tragen die Ulanen die 1814 eingeführten grauen Champagnehosen, die im allgemeinen mit doppelten Streifen in der Farbe des Kragens besetzt waren (Anm. 3).Obwohl sowohl die Kragenfarbe bei dem Ulanen auf dem Pferd und beim Hosenbesatz von der allgemeinen Uniform des Tatarskiregiments abweicht, dürfte es sich um Angehörige dieses Truppenteils handeln. Kleins Blatt in Hamburg, das nicht vollendet ist und nachträglich beschnitten wurde, entstand am 24. Oktober - an den beiden Tagen zuvor hatte er bereits Ulanen des Tatarskiregiments aquarelliert. Am 22. Oktober war das Blatt mit einer Gruppe von Ulanen vor der Kulisse des Neu- und Spittlertores entstanden (Anm. 4), am Tag danach zeichnete Klein Ulanen in ihrem Biwak vor Nürnberg (Anm. 5).
Klein hatte Erhard zu Uniformstudien und militärischen Figurenszenen angeregt. Ein nicht bezeichnetes Blatt mit der Darstellung von Ulanen lässt sich im Vergleich mit Kleins Darstellungen als Ulanen des Tatarskiregiments bestimmen (Anm. 6), wahrscheinlich handelt es sich um die dieselben Ulanen wie auf dem Hamburger Blatt, mit dem der mittlere der drei stehenden Ulanen links und der Ulan auf dem Pferd auffällig übereinstimmen. Deshalb dürfte sich auch Erhards ziemlich exakt auf den 24. Oktober 1815 datieren lassen.
Während die farbenprächtige, exotische Soldateska im Sinne einer zufälligen Genreszene festhält, bemüht sich Erhard um eine bildhafte, geschlossene Komposition. Er hat sie an den Seiten nicht nur mit einer Rahmung versehen, links und rechts führen Repoussoirfiguren ins Geschehen, und nicht zuletzt zahlreiche Korrekturen und Überzeichnungen bezeugen Erhards Ringen um Komposition und Einzelform.
Auf der Rückseite dürften russische Dragoner – wohl auch vom Regiment Tatarski – dargestellt sein, wie sie ähnlich auf Inv. Nr. 23472 erscheinen.

Peter Prange

1 Allgemein zur Entstehung der Ulanenregimenter vgl. Renate Freitag-Stadler: Johann Adam Klein 1792-1875. Zeichnungen und Aquarelle, Bestandskatalog der Stadtgeschichtlichen Museen Nürnberg, Nürnberg 1975, S. 135.
2 Freitag-Stadler 1975, S. 157.
3 Freitag-Stadler 1975, S. 135.
4 Russische Ulanen vom Regiment Tatarski, 1815, Bleistift, Aquarell, Nürnberg, Stadtgeschichtliche Museen, Inv. Nr. Norica 158, vgl. Freitag-Stadler 1975, S. 157, Nr. 200, Farbtaf. S. 54.
5 Russische Ulanen vom Regiment Tatarski, 1815, Bleistift, Feder in Braun, Aquarell, Nürnberg, Stadtgeschichtliche Museen, Inv. Nr. Norica 205, vgl. Freitag-Stadler 1975, S. 157, Nr. 201.
6 Johann Christoph Erhard, Rastende russische Ulanen, 1815, Bleistift, Feder und Pinsel in Grau, 138 x 201 mm, München, Staatliche Graphische Sammlung, Inv. Nr. 26245, vgl. Johann Christoph Erhard (1795-1822). Der Zeichner, Ausst.-Kat. Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg 1996, S. 104-105, Nr. 19, Abb.

Details zu diesem Werk

Beschriftung

Oben rechts bezeichnet und datiert: "Nach der Natur gez. / den 24. Octo. 1815" (Feder in Grau)

Verso

Titel verso: Studie dreier russicher Dragoner, Wolkenstudie

Technik verso: Bleistift

Provenienz

Sammlung Johann Matthias Commeter (1791-1869) und Georg Ernst Harzen (1790-1863), Hamburg; seit 1856 Sammlung Johann Matthias Commeter, Hamburg; 1863 an die Stadt Hamburg für ein zukünftiges Museum, 1869 der neueröffneten Kunsthalle übergeben (Archiv der Hamburger Kunsthalle, Nachlass Harzen, Inventar Ad: 01: 28, Fol. 780: "Russische Uhlanen, einer zu Pferd, zwey zu Fuß. Bleist u. Oehlfarben. Nach der Natur gez. d. 24 Oct 1815. Kehrseite Zwey Dragoner, Skizze(?) in Bleist. Br 6.0 H 5.2")

Bibliographie

Renate Freitag-Stadler: Johann Adam Klein, 1792-1875. Zeichungen und Aquarelle. Bestandskatalog der Stadtgeschichtlichen Museen Nürnberg, Nürnberg 1975., S.157, Nr.bei Nr. 201