Jacopo (Giacomo) Cestaro
Die Heilige Familie auf der Flucht,
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Jacopo (Giacomo) Cestaro

Die Heilige Familie auf der Flucht,

Jacopo (Giacomo) Cestaro

Die Heilige Familie auf der Flucht

Die Zeichnung gelangte mit der Zuschreibung an einen anonymen venezianischen Meister des 18. Jahrhunderts in die Sammlung. Diese bislang im Kabinett beibehaltene Attribution wurde per anonymer Notiz in der Photothek des Kunsthistorischen Instituts in Florenz mit dem Hinweis auf den Pittoni-Umkreis eingegrenzt. Eine Herkunft aus dem venezianischen Umkreis scheint aber aufgrund der verdichteten Gesamtkomposition, der die für venezianische Zeichnungen des 18. Jahrhunderts typische Leichtigkeit fehlt, wenig überzeugend.(Anm.1) Auszuschließen ist aus stilistischen Gründen auch eine anonyme Kartonnotiz, die Giuseppe Passeri vorschlug. Die Schwierigkeiten bei der bisherigen Einordnung verdeutlichen auch zwei weitere anonyme Kartonnotizen, die die italienische Herkunft grundsätzlich bezweifeln und einen deutschen Zeichner zur Diskussion stellen.
Typisch für das Hamburger Blatt ist eine ganz eigenartige und aufwendige Zeichentechnik: Die Szene der „Heiligen Familie auf der Flucht“ ist mit schwarzer Feder über Kreide angelegt, grau und braun laviert und weiß gehöht. Durch diese seltene Kombination verschiedener Techniken erhält die Zeichnung einen unverwechselbaren Charakter und eine fast malerische Wirkung.
Sehr ähnliche Zeichnungen lassen sich dem vorwiegend in Neapel tätigen Maler Jacopo Cestaro zuordnen. Dessen zeichnerisches Œuvre ist erst seit wenigen Jahren auf eine breitere Basis gestellt worden. Neben Blättern u. a. in Philadelphia (Anm.2) und New York befindet sich das größte Konvolut im Martin-von-Wagner-Museum in Würzburg.(Anm.3) Mehrere dieser Zeichnungen wurden früher dem Cremoneser Maler Giuseppe Bottani zugeschrieben. Durch Forschungen von Nicola Spinosa und Jacob Bean können sie jedoch ohne Zweifel Cestaro zugeordnet werden. Stilistisch lässt sich das Hamburger Blatt überzeugend in diese für Cestaro gesicherte Gruppe einfügen. Diese Einschätzung wurde von Stefan Morét, Florenz, nachdrücklich mündlich bestätigt.(Anm.4)
Interessanterweise ist es bislang nur in wenigen Fällen gelungen, die Zeichnungen Cestaros mit Gemälden oder Fresken zu verbinden. Dies mag an dem noch nicht ausreichend erforschten Kunstschaffen in Neapel im 18. Jahrhundert liegen. Möglicherweise hat Cestaro aber auch seine Blätter von Beginn an als eigenständige Kunstwerke für Sammler angefertigt.

David Klemm

1 Vgl. z. B. Franca Zava Boccazzi: Pittoni, Venedig 1979.
2 The Philadelphia Museum of Art, Inv.-Nr. 184-56-222; vgl. Mimi Cazort: Italian Master Drawings at the Philadelphia Museum of Art, Philadelphia 2004, o. S., Nr. 44.
3 Vgl. Morét in Johann Martin von Wagner. Künstler, Sammler und Mäzen, hrsg. v. Stefan Kummer, Ulrich Sinn. Ausst.-Kat. des Martin von Wagner Museums der Universität Würzburg, Würzburg 2007, S. 221.
4 Mündliche Mitteilung auf der Grundlage einer Digitalphotographie, November 2007.

Details zu diesem Werk

Beschriftung

Einfassungslinie (Feder in Schwarz); oben links unterhalb der Baumkrone: Stempel der Sammlung Philippi (L. 1335); auf dem Verso Stempel der Kunsthalle (L. 1233); unterhalb davon Stempel der Sammlung Philippi (L. 1335); unten rechts bezeichnet: "Tiepolo" (Bleistift)

Provenienz

Ludwig Hermann Philippi (1848-1908), Hamburg (L. 1335); Legat Philippi an die Hamburger Kunsthalle 1908

Bibliographie

David Klemm: Italienische Zeichnungen 1450-1800. Kupferstichkabinett der Hamburger Kunsthalle, Die Sammlungen der Hamburger Kunsthalle Kupferstichkabinett, Bd. 2, Köln u. a. 2009, S.148, Nr.169

David Klemm: Von Leonardo bis Piranesi. Italienische Zeichnungen von 1450 bis 1800 aus dem Kupferstichkabinett der Hamburger Kunsthalle, hrsg. von Hubertus Gaßner, David Klemm und Andreas Stolzenburg, Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle, Bremen 2008, S.202-203, Abb, S. 235, Nr.94

[Wolf Stubbe]: Italienische Zeichnungen 1500-1800. Ausstellung aus den Beständen des Kupferstichkabinetts, Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle 1957, S.33, Nr.179