Herman Saftleven d.J. Herman Saftleven d.J., Werkstatt
Rheinlandschaft mit Zugschiff und Bootswerft, im Hintergrund der Drachenfels,
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Herman Saftleven d.J. Herman Saftleven d.J., Werkstatt

Rheinlandschaft mit Zugschiff und Bootswerft, im Hintergrund der Drachenfels,

Herman Saftleven d.J. Herman Saftleven d.J., Werkstatt

Rheinlandschaft mit Zugschiff und Bootswerft, im Hintergrund der Drachenfels

Die Verwendung von Rötel für dieses Blatt und die folgende Zeichnung ist ungewöhnlich für Herman van Saftleven, der fast ausschließlich mit schwarzer Kreide zeichnete. In gleicher Technik gearbeitet sind zwei Zeichnungen in Wien, mit 203 x 276 bzw. 186 x 270 mm auch im Format vergleichbar.(Anm.1) Die ungewöhnlich „fettigen“ Konturen in rötlicher Farbe wurden nicht von Hand auf das Blatt aufgetragen, sondern sind Ergebnis eines Abklatschverfahrens, das auch die tüpfelnd unterbrochene Linienführung erklärt. Zu diesem Zweck wurden die Hauptlinien einer Vorlage mit einem speziellen Material eingestrichen, um sich auf einem anschließend dagegen gedrückten Papier im Gegensinn abzuzeichnen. Harzen beschrieb das Zeichenmaterial als „Terpentinfarbe“, doch könnte es sich auch um den im 17. Jahrhundert zu diesem Zweck gerne verwendeten Zwiebelsaft handeln.(Anm.2) Aus dem Übertragungsverfahren erklärt sich die Linkshändigkeit der Akteure, etwa des Werftarbeiters auf Inv.-Nr. 22479.
Anschließend wurde die Übertragszeichnung zuerst mit Graphit oder schwarzer Kreide, danach mit Rötel, Pinsel und Feder überarbeitet.(Anm.3) Diese aufwändige Prozedur – gerade in der sensibel auf den Farbton der „Zwiebelsaftkonturen“ reagierenden Rötelzeichnung – lässt, ebenso wie das Monogramm, mindestens auf Mitwirkung Saftlevens schließen: Vermutlich handelt es sich bei der abgeklatschten Konturenzeichnung um die Arbeit eines Werkstattgehilfen, die vom Meister selbst überarbeitet wurde und zum Schluss durch das Monogramm den Status eines eigenständigen Kunstwerkes erhielt.(Anm.4)
Noch ungeklärt ist der Zweck dieser Arbeiten. Schulz glaubte, dass beide Zeichnungen von heute unbekannten Gemälden abgenommen wurden zum Zwecke der graphischen Reproduktion.(Anm.5) Mit einer der Wiener Zeichnungen korrespondiert tatsächlich ein annähernd maßgleiches Bild (Anm.6) sowie eine ausführlicher gearbeitete gezeichnete Zweitfassung, die sich – bei gleichfalls spiegelbildlicher Anlage – noch enger an dem Gemälde orientiert.(Anm.7)
Rückseitig tragen beide Zeichnungen eine Annotation wohl von der Hand Valerius Rövers, die sich auf die Aufbewahrung der Blätter bezieht: Sie befanden sich auf Seite 9 bzw. 10 im Portefeuille 20. Die darunter in roter Feder eingetragenen „No 20“ bzw. „No 21“ wurden von Harzen mit Goll van Franckenstein in Verbindung gebracht, unterscheidet sich jedoch in der Schreibweise des „N“ und dem doppelt unterstrichenen „o“ von den typischen Goll-Nummern.(Anm.8) Sie sind als Sammlerzeichen bislang nicht entschlüsselt. Grundsätzlich waren Beschriftungen in roter Tusche nicht unüblich im 18. Jahrhundert, auch wurden nicht alle Röver-Zeichnungen „en bloc“ von Goll erworben.(Anm.9)

Annemarie Stefes

1 Wien, Grafische Sammlung Albertina, Inv.-Nr. 9078 und Inv.-Nr. 9079, Wolfgang Schulz: Herman Saftleven 1609-1685. Leben und Werke. Mit einem kritischen Katalog der Gemälde und Zeichnungen, Berlin 1982, Nr. 1165 und 1166.
2 Wolfgang Schulz: Herman Saftleven 1609-1685. Leben und Werke. Mit einem kritischen Katalog der Gemälde und Zeichnungen, Berlin 1982, S. 90, vgl. auch Joseph Meder: Die Handzeichnung. Ihre Technik und Entwicklung, Wien 1919, S. 540–542.
3 Aus den Untersuchungen der Wiener Blätter durch die Restauratorin Elisabeth Thobois geht eindeutig hervor, dass die Übertragungszeichnung am Anfang des Prozesses stand. Für diese Informationen danke ich Marian Bisanz-Prakken (mündlich, 23. 2. 2008).
4 Schulz akzeptierte beide Zeichnungen als eigenhändig. Dafür sprechen die frei bewegten, von dem Abklatsch abweichenden Linien in Graphit bzw. Kreide, gut zu erkennen im Bereich der Wolken auf Inv..-Nr. 22479. Zweifel an der Eigenhändigkeit wurden indes von Marian Bisanz-Prakken und Egbert Haverkamp Begemann auf dem Symposium „Niederländische Altmeisterzeichnungen 1500 bis 1800“ am 21. und 22. 2. 2008 im Kupfer-stichkabinett der Hamburger Kunsthalle geäußert mit Blick auf den stockenden Linienfluss und die etwas plump wirkenden Figuren.
5 Wolfgang Schulz: Herman Saftleven 1609-1685. Leben und Werke. Mit einem kritischen Katalog der Gemälde und Zeichnungen, Berlin 1982, S. 90. Vgl. ebd. S. 89 zu zwei überarbeiteten Abklatschzeichnungen mit Radierungsbezug: Standort unbekannt, Wolfgang Schulz: Herman Saftleven 1609-1685. Leben und Werke. Mit einem kritischen Katalog der Gemälde und Zeichnungen, Berlin 1982, Nr. 1193; Rotterdam, Museum Boijmans Van Beuningen, Inv.-Nr. HS 7, ebd. Nr. 1136, gestochen von Jan van Almeloven (B. 17 bzw. B. 18). Vgl. ebd. S. 90 zu den in gleicher Technik gearbeiteten Gemäldeabklatschen in Düsseldorf, museum kunst palast, Sammlung der Kunstakademie (NRW), Inv.-Nr. FP-5130 und Inv.-Nr. FP 5131, ebd. Nr. 1008, 1009. Zu den Hamburger Blättern indes sind weder übereinstimmende Gemälde noch Radierungen bekannt.
6 Privatbesitz (22 x 28 cm), Schulz 1982, Nr. 203. Allerdings stimmen die Konturen des Wiener Blattes (Inv.-Nr. 9079) in zahlreichen Details nicht mit der gemalten Darstellung überein: vgl. die auf der Zeichnung stärker vom Betrachter abgewandte und weiter aufgerichtete Waschfrau, die fehlenden Figuren vor dem Eingang des Wirtshauses und den dort ebenfalls fehlenden Tannenbusch. Vielleicht wurde der Abklatsch vor Vollendung des Gemäldes abgenommen, um einen intermediären Zustand zu dokumentieren, vor eigenhändiger Änderung der erwähnten Partien.
7 Rötel und schwarze Kreide, braun und blaugrau laviert, 185 x 270 mm, Aukt.-Kat. München, Karl & Faber, 27. 11. 1980, Nr. 258, Wolfgang Schulz: Herman Saftleven 1609-1685. Leben und Werke. Mit einem kritischen Katalog der Gemälde und Zeichnungen, Berlin 1982, Nr. 1286.
8 Für die Schreibweise der Goll-Nummern vgl. Hans-Ulrich Beck: Anmerkungen zu den Zeichnungssammlungen von Valerius Röver und Goll van Franckenstein, in: Nederlands Kunsthistorisch Jaarboek 1981, S. 111-125. Beck konnte Golls Erwerbungen aus der Sammlung Röver auf die Nummern 2601–3460 festlegen, vgl. Hans-Ulrich Beck: Anmerkungen zu den Zeichnungssammlungen von Valerius Röver und Goll van Franckenstein, in: Nederlands Kunsthistorisch Jaarboek 1981, S. 111-125, S. 115. Die Hamburger Zeichnungen liegen mit Nr. 20 und Nr. 21 deutlich darunter.
9 Hans-Ulrich Beck: Anmerkungen zu den Zeichnungssammlungen von Valerius Röver und Goll van Franckenstein, in: Nederlands Kunsthistorisch Jaarboek 1981, S. 111-125, S. 116; vgl. das ebenfalls in roter Tusche eingetragene Sammlerzeichen Gautiers (L. 2977).

Details zu diesem Werk

Beschriftung

Unten in der Mitte monogrammiert: "HS" (Feder in Braun)

Auf dem Verso unten links bezeichnet.: "20/10 [vorher 9, durchgestrichen]" (Feder in Braun, vgl. L. 2984a-c); unterhalb davon bezeichnet: "No 20." (Feder in Rot, nicht Goll van Franckenstein, das "o" zweimal unterstrichen); unterhalb davon bezeichnet: "u =" (Bleistift); links von der Mitte Stempel der Hamburger Kunsthalle (L. 1328)

Wasserzeichen / Kettenlinien

-
23-25 mm (h)

Provenienz

Valerius Röver (1686-1739), Delft (vgl. L. 2984a-c); Cornelia Röver-Van der Dussen (1689-1762); am 21. 1. 1761 verkauft an Hendrik de Leth (1696-1766), Amsterdam; Auktion Van Berckel, Amsterdam 1761 (Lugt, Ventes 1150) („Een Ryn Gezigt, door Harmen Sagtleven“ bzw. „Een dito, door denzelven“); unbekannte Sammlung (wie Kat.-Nr. 1994-75); Georg Ernst Harzen (1790-1863), Hamburg (L. 1244) (HK, KK, A, NH Ad:01:02, fol. 60: "[Herman Sachtleven.] Rheinlandschaft wo ein beladener {s Schiff} Kahn stromaufwärts gezogen {von} und am Ufer ein Schiff kalfatert wird. Mit rother Terpentinfarbe umrissen und in Röthel Feder und Seppia beendigt. Breit behandelt. Mit Monogramm. 8.9.6.9 Samml Goll v Fr."; HK, KK, A, NH Ad: 02: 01, S. 298); Legat Harzen 1863 an die „Städtische Gallerie“ Hamburg; 1868 der Stadt übereignet für die 1869 eröffnete Kunsthalle

Bibliographie

Stefes, Annemarie: Niederländische Zeichnungen 1450-1850. Katalog II van Musscher - Zegelaar, hrsg. von Gaßner, Hubertus und Stolzenburg, Andreas, Die Sammlungen der Hamburger Kunsthalle Kupferstichkabinett, Bd. 3, Böhlau Verlag Köln Weimar Wien 2011, S.497-498, Nr.926

Private Schätze. Über das Sammeln von Kunst in Hamburg bis 1933, hrsg. von Ulrich Luckhardt, Uwe M. Schneede, Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle 2001, S.24, Abb.

Wolfgang Schulz: Herman Saftleven 1609-1685. Leben und Werke. Mit einem kritischen Katalog der Gemälde und Zeichnungen, Berlin 1982, S.90, 393, Nr.1048, Abb.189

Deutsche Landschaften und Städte in der niederländischen Kunst des 16. bis 18. Jahrhunderts, Ausst.-Kat. Kaiser Wilhelm-Museum Krefeld 1938, Nr.124, Abb.Umschlag