Heinrich Dreber (Franz-Dreber)
Burg Arco (muss das hier nicht Naco heißen UH 5.12.2012), 1843
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Heinrich Dreber (Franz-Dreber)

Burg Arco (muss das hier nicht Naco heißen UH 5.12.2012), 1843

Heinrich Dreber (Franz-Dreber)

Burg Arco (muss das hier nicht Naco heißen UH 5.12.2012), 1843

Die Kunsthalle ist im Besitz dreier Blätter, die während Drebers Aufenthalt im Sommer 1843 am Gardasee entstanden (vgl. Inv.-Nr. 47299, 47301). Am 9. Juni 1843 war Dreber ein Pass ausgestellt worden und es ist anzunehmen, dass er zeitnah nach Italien aufbrach, so dass seine Ankunft am Gardasee noch für Juni anzunehmen ist. Dort traf er auf den sächsischen Landschaftsmaler und Architekten Alexander Herrmann (1814-1845), zu ihnen gesellten sich der dänische Landschaftsmaler Niels Frederik Martin Rothe (1816-1880) und der Hamburger Emil Schuback (1820-1902), mit dem Dreber fortan eine lebenslange Freundschaft verband. Zusammen verbrachten sie mehrere Wochen in Torbole am nordöstlichen Ufer des Gardasees (Anm. 1), bis sie gemeinsam nach Venedig aufbrachen und Dreber Mitte Oktober Rom erreichte.
Seit Albrecht Dürer war der Gardasee immer wieder von Künstlern aufgesucht worden, doch gehörte er um 1840 immer noch zu den touristisch vernächlässigten Gebieten. Besonders das Nordufer war noch schwer zugänglich und nur über eine schmale Straße am Lago di Loppio erreichbar – eine Route, die auch Dreber nahm. Die Darstellung des Gardasees und seiner Umgebung spielte in der Kunst des 19. Jahrhunderts bis dahin nur eine sehr untergeordnete Rolle, 1824 erschien in Zürich beispielsweise mit Conrad Caspar Rordorfs Voyage pittoresque au Lac de garda ou Benaco eine Ansichtenfolge, die sich auf wenige Uferansichten beschränkte und auf Drebers Auswahl keinerlei Einfluss hatte. Angeregt, den Gardasee zu besuchen, wurde er möglicherweise durch Goethe, der am Gardasee zeichnete und dort als Spion verhaftet wurde. Auch hatten Dichter wie Heinrich Laube den pittoresken Reiz der Landleute und der dortigen Landschaft beschrieben (Anm. 2). Wichtiger aber dürften Künstlerkollegen wie Friedrich Preller, der auf seiner ersten Italienreise 1827 den Gardasee besuchte (Anm. 3), Friedrich Nerly (Anm. 4) oder auch Louis Gurlitt gewesen sein, der 1838 an den Gardasee gereist war (Anm. 5).
Von Drebers Aufenthalt am Gardasee haben sich verhältnismäßig zahlreiche Studien erhalten. Schöne waren insgesamt 39 Blätter vom Gardasee bekannt geworden (Anm. 6), doch dürfte deren Zahl noch höher gewesen sein (Anm. 7). Es handelt sich dabei durchgängig um Federzeichnungen, zum Teil zart aquarelliert und mehr oder minder vollendet. Drebers Beschriftungen zufolge entstanden die Blätter am nördlichen und östlichen Ufer des Gardasees bzw. in seiner näheren Umgebung in Torbole, Storo, am Monte Baldo, in Malcesine und Naco, in Arco und am Lago di Loppio. Schöne sah sich seinerzeit außer Stande, die zahlreichen Blätter in eine chronologische Ordnung zu bringen und erkannte in den Blättern vom Gardasee „eine starke, nicht durchaus vorteilhafte Abweichung von Drebers bisherigen Studien“ (Anm. 8). Schönes Urteil ist heute sicher zu revidieren, denn die Studienblätter vom Gardasee zeigen erstmals einen Naturalismus, der zu einer Stilisierung der Linie neigt, der wahrscheinlich die Kenntnis von Blättern Franz Hornys voraussetzt. In jedem Fall wird hier der Beginn einer Entwicklung sichtbar, die im Verlauf seines weiteren Aufenthalts in Italien eine wichtige Rolle spielen sollte.
Die drei Blätter der Kunsthalle zeigen Motive aus den genannten Orten, Inv. Nr. 47299 das Gebirge in der Nähe des Lago di Loppio, ein zwischen Mori und Torbole gelegner, heute aufgrund der 1954 erbauten Galleria Adige-Garda abgelassener See, Inv. Nr. 47300 das nördlich vom Gardasee in Arco auf einem schroffen Felsen stehende Castello di Arco, und Inv. Nr. 47301 das Castello di Naco bei Torbole. Alle drei Blätter haben das gleiche Format, weshalb sie aus demselben Skizzenbuch oder –block stammen dürften. Sie stimmen auch in der Technik der reinen Federzeichnung überein und auch stilistisch entsprechen sie einander. Sie zeigen die noch aus seinen in Deutschland entstandenen Studien bekannten parallelen Strichlagen bzw. Kreuzlagen zur Modellierung der Gesteine und Oberflächen, doch besonders in den zurückliegenden Gebirgszügen kommt Dreber zu einer Klarheit der Linie und Transparenz der Erscheinungen, die sich von seinen in Deutschland entstandenen Naturstudien abhebt. Besonders auf der Ansicht des Castellos di Naco (Inv. Nr. 47300) gewinnt die rückwärtige Gebirgssilhouette eine nahezu organische Eigenständigkeit. Ihre Linienführung wie auch die kulissenhafte Staffelung einzelner Gebirgszüge erinnert an ähnliche Blätter von Franz Horny, ähnliches trifft auch auf das Blatt mit dem Gebirge am Lago di Loppio (Inv. Nr.47299) zu und abgeschwächt auf die Ansicht des Tales bei Arco mit dem Kastell (Inv. Nr. 47301). Ein weiterer Aspekt verbindet Dreber mit Horny, denn beide haben sich durch schriftliche Notizen und vor allem Farbangaben der momentanen atmosphärischen Erscheinung versichert. Es ist nicht bekannt, ob Dreber Kenntnis von Zeichnungen des nahezu zwanzig Jahre zuvor Gestorbenen hatte, doch dürfte die Vermittlung der Kunst Hornys durch Drebers Lehrer Ludwig Richter, auf den Horny einen großen Einfluss hatte, von statten gegangen sein. Wie nah der Zeichner Dreber Horny teilweise steht, erweist z. B. eine Baumstudie in Dresden, die motivisch und in der zeichnerischen Durcharbeitung Horny eng verwandt ist (Anm. 9).

Für Dreber bedeutete das Erlebnis des Südens eine vollkommen neue künstlerische Herausforderung, der er in den drei Hamburger Blättern erstmals gegenüber steht, während sich andere Blätter in Dresden (Anm. 10), Kiel und Nürnberg (Anm. 11) oder auch die 1912 auf der Auktion Alexander Flinsch und 1914 auf der Auktion Arnold Otto Meyer versteigerten von diesen allein schon durch ihr größeres Format unterscheiden. Dies stimmt mit Schönes Beobachtung überein, dass Drebers Zeichentechnik in Italien zunächst die gleiche blieb, er sich allerdings zunehmend auch größeren Formaten zuwandte (Anm. 12). Auch stilistisch sind die größeren Formate mit ihrer großflächigen Lavierung bereits naturalistischer und malerischer in einem Sinne aufgefasst, den Dreber erst in seinen aquarellierten Bleistiftzeichnungen seit der Mitte der 40er Jahre voll ausgebildet hat.

Peter Prange

1 Richard Schöne: Heinrich Dreber, Berlin 1940, S. 30-31.
2 Heinrich Laube: Begegnung am Gardasee, in: Italien – Dichtung I. Zählungen, Stuttgart 1988, S. 106-107.
3 Vgl. Prellers Skizzenbuch in Heidelberg, Kurpfälzisches Museum, Inv. Nr. 5073.
4 Zu Nerlys Aufenthalt am Gardasee vgl. Franz Meyer: Friedrich von Nerly. Eine biographisch-kunsthistorische Studie, Erfurt 1908, S. 16.
5 Vgl. Louis Gurlitt 1812-1897. Porträts europäischer Landschaften in Gemälden und Zeichnungen, Ausst.-Kat. Altonaer Museum Hamburg, München 1998, S. 53-56.
6Vgl. die Auflistung bei Schöne 1940, S. 198, IX.
7 Vgl. etwa das nicht bei Schöne erwähnte, mit „Malcesine“ bezeichnete Blatt, Feder in Braun, ca. 270 x 480 mm, vgl. Karl & Faber, München, Auktion 75, 17-19.11.1960, S. 53, Nr. 252.
8 Schöne 1940, S. 31.
9 Baumstudie, Bleistift, Feder und Pinsel in Braun, 223 x 159 mm, Dresden, Staatliche Kunstsammlungen, Kupferstichkabinett, Inv. Nr. C 1910-115.
10 Allein das Kupferstich-Kabinett in Dresden verwahrt neun vom Gardasee stammende Blätter: Baumstudie bei Torbole, Feder in Braun, Pinsel in Braun und Grau, 486 x351 mm, Inv. Nr. C 4677; Naco, Feder und Pinsel in Braun, 257 x 359 mm, Inv. Nr. C 4676; Torbole, Feder in Braun, Pinsel in Blau, 262 x 350 mm, Inv. Nr. C 4675; Lago di Loppio, Feder in Braun, Pinsel in Blau und Braun, 327 x 474 mm, Inv. Nr. C 4674; Felsenstudie am Lago di Loppio, Feder in Braun, 308 x 258 mm, Inv. Nr. C 4672; Burg Naco, Feder in Braun, 259 x 362 mm, Inv. Nr. C 4670; Naco, Feder in Braun, 258 x 362 mm, Inv. Nr. C 4671; Naco Lago di Loppio, Feder in Braun, Pinsel in Blau und Grau, 267 x 493 mm, Inv. Nr. C 4669; Riva, Bleistift, Feder in Braun, 303 x 472 mm, Inv. Nr. C 1918-39.
11 Felsmassiv am Lago di Loppio, Feder in Braun, Pinsel in Braun und Blau, 302 x 496 mm, Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum, Graphische Sammlung, Hz 5838, vgl. In den hellsten Farben, Ausst.-Kat. Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg 2003, Nr. 49, Abb.
12 Schöne 1940, S. 195, I.

Details zu diesem Werk

Beschriftung

Unten links bezeichnet: "Felsen auf den Hängen oben. gegen die Seite im Hang grünlich / grün Wald [...?] s braunroth[?] / Steine[?] gold[?] dunkelgrün auf / braungrünlichem Granit[?]." (Bleistift); rechts davon bezeichnet: "fels. ganz grünbraun / oberhalb [...?] / goldbräunlich Burg halbgelblich[?]"; unterhalb davon abgeschnitte Schraftfragmente; unten rechts: "Arco"; rechts davon: "graugrünlich" (alle Feder in Braun)

Unten rechts Nachlassstempel Heinrich Franz Dreber (L. 683a); unten links nummeriert: "III." (Bleistift); unten links nummeriert: "III." (Bleistift)

Provenienz

Nachlass Heinrich Franz Dreber, Rom (L. ); Sammlung Alexander Flinsch (1834-1912), Berlin; erworben 1912 bei C. G. Boerner, Leipzig, Auktion Flinsch, 111, Nr. 214

Bibliographie

Richard Schöne: Heinrich Dreber, hrsg. von Deutscher Verein für Kunstwissenschaft, Forschungen zur deutschen Kunstgeschichte, Bd. 34, Berlin 1940, S.198

Handzeichnungssammlung Alexander Flinsch Berlin. Ludwig Richter / Schwind / Chodowiecki / Steinle / Feuerbach. Deutsche Künstler des 19. Jahrhunderts, Auktion 111, 29. u. 30.11.1912, C. G. Boerner, Leipzig 1912, S.32, Nr.214