Hans Holbein d. J., Umkreis
Oberer Teil eines Prunkbechers, um 1550
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Hans Holbein d. J., Umkreis

Oberer Teil eines Prunkbechers, um 1550

Hans Holbein d. J., Umkreis

Oberer Teil eines Prunkbechers, um 1550

Die beiden von Harzen als Zeichnungen Hans Holbein d. J. angekauften Entwürfe für einen Becher und einen Deckelpokal (Inv.-Nr. 23404) hat er in seinem handschriftlichen Inventar als aus der Sammlung Arundel stammend bezeichnet. Für eine solche Herkunft geben die Blätter allerdings keinen Anhaltspunkt, vielmehr dürfte Harzen diese Information Radierungen Wenzel Hollars aus dem Jahre 1645 bzw. 1646 verdanken (Anm.1), auf denen die beiden Pokale als Inventionen Holbeins „ex collectione Arundeliana“ bezeichnet werden. Hollar hat offensichtlich die Zeichnungen Holbeins abgebildet, die sich damals in der Sammlung des Earls befanden und heute verloren sind.(Anm.2)
Pauli hatte die Blätter noch als Originale Holbeins veröffentlicht, dem Paul Ganz widersprochen hat, doch seiner Einschätzung, die Blätter seien „von geringer Qualität“, kann man sich nicht ohne weiteres anschließen. Die Hamburger Zeichnungen stammen zwar nicht von Holbein selbst, doch stehen sie in den figürlichen und ornamentalen Details seinem Formenrepertoire sehr nahe, weshalb eine Entstehung in seiner Werkstatt wohl auszuschließen, in seiner Nachfolge gegen die Mitte des Jahrhunderts aber wahrscheinlich ist. Ähnlich wie Holbein erzielt der Zeichner des Hamburger Blattes die bildhafte und plastische Wirkung durch die Lavierung und den Schatten, den der Pokal aufwirft.
Die nachträglich aufgebrachte Datierung 1545 mit der Signatur „Alberto Aldegraft“(Anm.3), die Heinrich Aldegrever meint und wohl von einem italienischen (?) Sammler stammt, umreißt im Ganzen den richtigen Zeitraum. Eine Entstehung nach Hollars Radierungen ist auf Grund der stilistischen Nähe zu eigenhändigen Zeichnungen Holbeins auszuschließen, weshalb man davon ausgehen muss, dass der Zeichner der Hamburger Blätter Holbeins Vorlagen, die nur von Hollar überliefert sind, kannte.
Die Hamburger Blätter selbst sind beide allerdings in einem wesentlichen Punkt gegenüber den Radierungen Hollars bzw. den Entwürfen Holbeins verändert: Beide werden von einer weiblichen Figur bekrönt, die jeweils eine Schriftbanderole und ein Herz trägt. In beiden Fällen ist sie mit einem Hermelinkleid bekleidet und hält eine Banderole mit der Aufschrift: „AEIOU“. Im vorliegenden Fall wird die Aufschrift durch den Beginn des Alphabets fortgesetzt, das auch auf dem Deckel des zweiten Pokals erscheint. Eine zufällige Verwendung der altösterreichischen Devise „AEIOU“(Anm.4) ist in Verbindung mit der in einen Hermelinmantel gekleideten weiblichen Figur, die in der Hand ein Herz hält, auszuschließen: Das Tragen des Hermelinmantels war in Österreich allein dem Erzherzog vorbehalten. Es dürfte sich deshalb wahrscheinlich um einen Künstler aus dem Umkreis Holbeins handeln, der für den Wiener Hof tätig war.

Peter Prange

1 Vgl. Pennington 1982, S. 389, Nr. 2630 und S. 389–390, Nr. 2633.
2 George Vertue: A Description of the Works of the ingenious Delineator and Engraver Wenceslaus Hollar, […], London 1759, S. 120, schreibt, dass die Radierungen Hollars nach Holbeins Zeichnungen entstanden: „A Sett of Vases from the Original Drawings, by Holbein; in the Arundelian Collection. London and Antwerp.“
3 Die gleiche Beschriftung derselben Hand befindet sich unter dem Entwurf eines Prunkpokals, der unter dem Namen Heinrich Aldegrever 1914 versteigert wurde, stilistisch mit dem vorliegenden Blatt allerdings keine Ähnlichkeit hat; vgl. Katalog wertvoller und seltener Handzeichnungen von Meistern aller Schulen des 15.–19. Jahrhunderts aus der Sammlung des Herrn Landgerichtsrats a. D. Peltzer in Köln, Auktion 13.–14.5.1914, Gutekunst, Stuttgart 1914, S. 1, Nr. 4.
4 Es gibt verschiedene Deutungen der Devise, deren gängigste lautet: „Alles erdreich ist Österreich un-derthan, Austriae est imperare orbi universo“, vgl. dazu Alphons Lhotzky: A.E.I.O.U. Die „Devise“ Kaiser Friedrichs III., in: Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 60, 1952, S. 155–193, hier S. 165–166.

Details zu diesem Werk

Beschriftung

Oberhalb des Fußes bezeichnet: "EIUOSTOIN", oben in der Banderole bezeichnet: "AEIOU ABCDEF" (Feder in Braun)

Unterhalb des Deckels bezeichnet: "Alberto Aldograft In. Fec. 1545" (Feder in Braun)

Provenienz

Georg Ernst Harzen (1790-1863), Hamburg (L. 1244), NH Ad: 01: 04, fol. 138: "Hans Holbein Ein Becher dessen Kelch mit monrusischen [?] Ornamenten verziert ist und auf dessen Deckel eine weibliche Figur steht, ein Kreuz und einen Schriftzettel in Händen haltend. Der Fuß ist abgeschnitten. Praezise Federzeichnung für Goldschmied, auf gelblich gefärbtem Papier, mit Lack ausschattiert. {4} ausgeschnitten 4.0.6.0 Radiert von W. Holler Vertue p 11.10. Saml. Arundel"; und Ad: 02: 01, S. 233; Legat Harzen 1863 an die „Städtische Gallerie“ Hamburg; 1868 der Stadt übereignet für die 1869 eröffnete Kunsthalle

Bibliographie

Peter Prange: Deutsche Zeichnungen 1450-1800. Katalog, Die Sammlungen der Hamburger Kunsthalle Kupferstichkabinett, Bd. 1, Köln u.a. 2007, S.186-187, Nr.389

John Rowlands: Drawings by German artists and artists from german-speaking regions of Europe in the Department of Prints and Drawings in the British Museum: The Fifteenth Century, and the Sixteenth Century by artists before 1530, Bd. 1, London 1993, S.153

Paul Ganz: Die Handzeichnungen Hans Holbeins d. J. Kritischer Katalog, Berlin 1937, S.85-86, Nr.unter C 44

Albrecht Dürer. Sonderausstellung der Freunde der Kunsthalle e. V. Hamburg, Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle 1936, Nr.30

Gustav Pauli: Holbeinzeichnungen in der Hamburger Kunsthalle, in: Zeitschrift für Bildende Kunst 60, N. F. XXXVI, 1926, S. 89-92, S.92, Abb.S. 91