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Hans Bol, Zeichner
Flusslandschaft mit Rebekka und Elieser, 1584
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Hans Bol, Zeichner

Flusslandschaft mit Rebekka und Elieser, 1584

Hans Bol, Zeichner

Flusslandschaft mit Rebekka und Elieser, 1584

Diese und die folgende Zeichnung wurden als Vorlagen verwendet fĂŒr eine von Adrian Collaert (um 1560–1618) gestochene 24-teilige Folge, die in Antwerpen bei Eduard van Hoeswinkel publiziert wurde.(Anm.1) Zu dieser Folge sind weitere Vorzeichnungen erhalten. Der Großteil von ihnen datiert in das Jahr 1584.(Anm.2) Die dekorative Rahmenleiste – die Schmuckelemente variieren von Blatt zu Blatt – erinnert an Randillustrationen flĂ€mischer Buchmalerei. Offensichtlich ließ sich Bols SchĂŒler Joris Hoefnagel (1542–1600) von derartigen RandbordĂŒren inspirieren: Auf Blatt 3 des ersten Teils seiner 1592 publizierten „Archetypa Studiaque“ begegnet die Maus von Inv.-Nr. 1920-176 im Gegensinn.(Anm.3)
Zu der Darstellung Rebeccas und Eliesers (1. Mose 24, 12–20) gibt es eine gestochene Variante im Rundformat (H. 7).
Dem Hamburger Ikarussturz ist mindestens eine gemalte Fassung des Themas vorausgegangen. Die Figuren erinnern im Gegensinn an einen Tondo von 1567.(Anm.4) Offenbar hielt Hans Bol die gezeichnete Fassung fĂŒr geglĂŒckt. Eine 1590 entstandene, auf Papier gemalte Version in Antwerpen ĂŒbernimmt die Anlage der Landschaft.(Anm.5) Baum und sitzende Hirten finden sich im Gegensinn auf einem Kupferstich von Aegidius Sadeler (1570–1629) nach Bol (B. 405). UngeklĂ€rt ist das VerhĂ€ltnis zu einem erstmals von Madeleine Huillet d’Istria vorgestellten „Ikarussturz“ in Privatbesitz, den diese aus stilistischen GrĂŒnden um 1574 datierte und damit unserer Zeichnung voraussetzte.(Anm.6)
Die Einbettung der mythologischen Szene in ein weitlĂ€ufiges Flusspanaroma geht zurĂŒck auf Pieter Bruegels in zwei Fassungen vorliegende „Landschaft mit dem Sturz des Ikarus“.(Anm.7) StĂ€rker als sein Vorbild hĂ€lt sich Bol an den zugrundeliegenden Text aus den „Metamorphosen“ des Ovid, wenn er die Landleute zum Himmel aufblicken lĂ€sst und so den Sturz kommentiert.(Anm.8) Dabei entgeht ihm die spezielle Pointe Bruegels, der durch den nach unten gerichteten Blick des Ackermannes dessen erdverbundene TĂ€tigkeit den leichtsinnigen Fliegern gegenĂŒberstellt.(Anm.9)

Annemarie Stefes

1 H. 481 und H. 502; Ann Diels, Marjolein Leesberg: The Collaert Dynasty. Part II, hrsg. von Marjolein Leesberg, Arnout Balis, The new Hollstein. Dutch & Flemish Etchings, Engravings and Woodcuts 1450-1700, Ouderkerk aan den Ijssel 2005, Nr. 451 und 472. Karel G. Boon: The Netherlandish and German Drawings of the XVth and XVIth Centuries of the Frits Lugt Collection, 3 Bde., Paris 1992, S. 37 tĂ€uschte sich, zumindest in Bezug auf die Hamburger BlĂ€tter, wenn er behauptete, dass keine dieser Entwurfszeichnungen zur Übertragung gegriffelt wurde.
2 Datierte Vorzeichnungen: „Landschaft mit der Opferung Isaacs“, Aukt.-Kat. New York, Sothebys, 23.1. 2001, Nr. 108; „Elisa von Kindern verspottet“, Paris, Fondation Custodia, Inv.-Nr. 8231; „Daniel in der Löwengrube“, Sammlung Milton McGreevy, Leihgabe an William Rockhill Nelson Gallery of Art, Kansas City; „Landschaft mit dem Gleichnis vom barmherzigen Samariter“, Konstanz, Sammlung Brandes, Von Rembrandt bis Menzel. Meisterwerke der Zeichenkunst. Die Sammlung Brandes, Ausst.-Kat. Konstanz 2001, Nr. 33; „Christus auf dem Weg nach Emmaus“ (undatiert, mit abgetrenntem Rand), Paris, MusĂ©e du Louvre, DĂ©partement des Arts Graphiques, Inv.-Nr. 20950, Frits Lugt: MaĂźtres des anciens Pays-bas nĂ©s avant 1550, MusĂ©e du Louvre, Cabinet des Dessins. Inventaire gĂ©nĂ©ral des dessins des Ă©coles du Nord, Bd. 4, Paris 1968, Nr. 363; „Johannes auf der Insel Patmos“, Rouen, MusĂ©e des Beaux-Arts, Cabinet des Dessins, Inv.-Nr. 975.4.481; „Eberjagd“, Privatbesitz, One Hundred Master Drawings from New England Private Collections, bearb. V. Franklin W. Robinson, Ausst.-Kat. Hartford (CT), Wadsworth Atheneum, Hanover (NH), Hopkins Center Art Galleries, Dartmouth College, Boston (Mass.), Museum of Fine Arts, Hanover 1973, Nr. 8. Vgl. die ebenfalls 1584 datierten Zeichnungen „Christus erscheint seiner Mutter“, Amsterdam, Stichting P. & N. de Boer, Inv.-Nr. 216, und „Flusslandschaft“, ehemals Sammlung Max Bine, Photo RKD.
3 Thea Vignau-Wilberg: Archetypa Studiaque Patris Georgii Hoefnagelii. Natur, Dichtung und Wissenschaft in der Kunst um 1600, Staatliche Graphische Sammlung MĂŒnchen 1994; vgl. auch das Titelblatt von Teil 2 sowie Teil 3, Fols. 1–2 und Teil 4, fol. 5; vgl. die „Heures du Duc d’Alencon“, Paris, BibliothĂšque Nationale de France, Inv.-Nr. MS latin 10564, die 1582 von Bol illuminiert wurden, Karel G. Boon: The Netherlandish and German Drawings of the XVth and XVIth Centuries of the Frits Lugt Collection, 3 Bde., Paris 1992, S. 37, bzw. das „Brevarium Grimani“, Bringmann, in: Von Rembrandt bis Menzel. Meisterwerke der Zeichenkunst. Die Sammlung Brandes, Ausst.-Kat. Konstanz 2001, S. 64; vgl. Aukt.-Kat. New York, Sothebys, 23. 1. 2001.
4 Damme, Museum Maerlant, ohne Inv.-Nr., Heinrich Gerhard Franz: Hans Bol als Landschaftszeichner, in: Jahrbuch des Kunsthistorischen Instituts der UniversitÀt Graz 1, 1965, S. 21-67, Abb. 185.
5 Antwerpen, Museum Mayer van den Bergh, Inv.-Nr. 809; Heinrich Gerhard Franz: Hans Bol als Landschaftszeichner, in: Jahrbuch des Kunsthistorischen Instituts der UniversitÀt Graz 1, 1965, S. 21-67, Abb. 183.
6 Huillet d’Istria 1971 schlug vor, dieses GemĂ€lde mit einem von Karel van Mander beschriebenen GemĂ€lde Bols gleichzusetzen, vgl. Van Mander 1617/Floerke 1905 Karel van Mander: Das Leben der niederlĂ€ndischen und deutschen Maler (von 1400 bis ca. 1615), ĂŒbersetzt und hrsg. von Hanns Floerke, MĂŒnchen 1905
1905, S. 251–252; vgl. Huillet d’Istria 1993, S. 81. Die Zuschreibung wurde angefochten von Thiery 1986, S. 114–115, die das Bild Marten Ryckaert zuwies; in diesem Falle wĂ€re es nach der Radierung anzusetzen und von dieser beeinflusst.
7 BrĂŒssel, MusĂ©es Royaux des Beaux-Arts, Inv.-Nr. 4030, Sellink 2007, Nr. X3; BrĂŒssel, Sammlung David und Alice Van Buuren, vgl. ebd. S. 271.
8 Ovid, Metamorphosen 8, 183–235; vgl. Ethan Matt Kavaler: Pieter Bruegel's "Fall of Icarus" and the Noble Peasant, in: Jaarboek van het Koninklijk Museum voor Schone Kunsten Antwerpen 1986, S. 83-98, S. 86, Anm. 6 und Carl Gustav Stridbeck: Bruegelstudien, Bd. 2, Stockholm, Köln 1956, S. 237 und S. 242.
9 Alexander Wied, in: Von Bruegel bis Rubens. Das goldene Jahrhundert der flÀmischen Malerei, Ausst.-Kat. Köln, Wallraf-Richartz-Museum, Antwerpen, Koninklijk Museum voor Schone Kunsten, Wien, Kunsthistorisches Museum, 1992/93.



siehe Inv.-Nr. 1920-176

Details zu diesem Werk

Beschriftung

Unten links von der Mitte signiert und datiert: "HBol ["HB" ligiert] 1584" (Feder in Braun)

Auf dem Verso in der Mitte Stempel der Hamburger Kunsthalle (L. 1233)

Wasserzeichen / Kettenlinien

-
22-23 mm (v)

Provenienz

Kunsthandel A. de Burlet, Berlin, -1920; Leihgabe vom "Verein von Kunstfreunden von 1870", Hamburg, 1920-1939; wegen Vereinsauflösung in das Eigentum der Hamburger Kunsthalle ĂŒbergegangen, 1939

Bibliographie

Stefaan Hautekeete: New Insights into the Working Methods of Hans Bol, in: Master Drawings 50, 2012, Nr. 3, S. 329-356, S.331, Abb.331

Stefes, Annemarie: NiederlĂ€ndische Zeichnungen 1450-1850. Katalog I Van Aken-Murant, hrsg. von Gaßner, Hubertus und Stolzenburg, Andreas, Die Sammlungen der Hamburger Kunsthalle Kupferstichkabinett, Bd. 3, Böhlau Verlag Köln Weimar Wien 2011, S.126-127, Nr.127

Old Master Drawings., Thomas Williams fine art, July, London, 2008, S.21, Anm. 1

Deutsche Landschaften und StÀdte in der niederlÀndischen Kunst des 16. bis 18. Jahrhunderts, Ausst.-Kat. Kaiser Wilhelm-Museum Krefeld 1938, Nr.24, Abb.34

Jahresbericht der Kunsthalle zu Hamburg fĂŒr 1920, Hamburg 1921, S.7

Karel G. Boon: The Netherlandish and German Drawings of the XVth and XVIth Centuries of the Frits Lugt Collection. Text, Bd. 1, Paris 1992, S.37, bei Nr. 20; 38, Anm. 12