Giulio Romano, eigentlich Giulio Pippi
Perseus mit dem Haupt der Medusa, 1540/44
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Giulio Romano, eigentlich Giulio Pippi

Perseus mit dem Haupt der Medusa, 1540/44

Giulio Romano, eigentlich Giulio Pippi

Perseus mit dem Haupt der Medusa, 1540/44

Dargestellt ist Perseus, Sohn des Zeus und der Danae, mit dem noch blutenden Haupt der Medusa, das er soeben von deren Körper abgetrennt hat. Mit dieser hoch erhobenen Trophäe steht der antike Held als Bezwinger über dem Leib des Ungeheuers.
Möglicherweise diente das Blatt als vorbereitende Studie für die zwischen 1540 und 1544 ausgeführten Freskendekorationen am und im Haus des Künstlers in Mantua. Dafür spricht vor allem die angedeutete Nischenarchitektur, die vermuten lässt, dass Perseus als gemalte Skulptur erscheinen sollte.
Die ebenfalls in Hamburg bewahrte Zeichnung mit Andromeda, die ihrer Befreiung harrt, ist möglicherweise auch in diesem Zusammenhang entstanden (vgl. Inv.-Nr. 21349). Die Darstellung der beiden Figuren in benachbarten Nischen ist gut vorstellbar, weil die Zeichnungen sich inhaltlich ergänzen. Allerdings sind die Höhenmaße und auch die Art der Raumgestaltung beider Blätter unterschiedlich.
Diemer schloss aus der Nischenkomposition, dass eine plastische Umsetzung geplant gewesen sein könnte. Aus dem abgeschlagenen Medusenhaupt und dem weit nach vorn geöffnetem Maul des Ungeheuers wären heraussprudelnde Wasserfontänen vorstellbar.(Anm.1) So interessant dieser Gedanke erscheint, so dürfte seine technische Umsetzung angesichts des angewinkelten Arms des Perseus sehr problematisch geworden sein.
Das Blatt wurde bereits traditionell als Werk Giulios eingestuft, bevor es von Morassi und Pouncey als authentisch anerkannt wurde.(Anm.2) Oberhuber ordnete es 1989 dem Spätwerk zu.
Der Typus des Perseus in antiker Rüstung findet sich bereits 1510/11 auf Baldassare Peruzzis Fresko in der Villa Farnesina in Rom. Da Giulio Romano später an der Ausstattung beteiligt war, könnte er dort Anregungen erfahren haben.(Anm.3) Dieselbe Haltung zeigt sich auch spiegelbildlich in der Figur Alexanders des Großen nach einem Entwurf Giulios an der Decke der Sala dei Cesari im Palazzo del Te in Mantua.(Anm.4) Von Interesse ist auch die ähnliche Haltung einer Studie des Hl. Michael, die von Oberhuber Giovanni Francesco Penni zugeschrieben worden ist.(Anm.5)

David Klemm

1 Dorothea Diemer: Hubert Gerhard und Carlo di Cesare del Palagio, hrsg. v. Deutschen Verein für Kunstwissenschaft (Jahresgabe 2002/2003), 2 Bde., Berlin 2004, S. 177.
2 Kartonnotizen.
3 Pegasus und die Künste, Ausst.-Kat. Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg, München1993, S. 164, Nr. III.12 (Beitrag Thomas Ketelsen).
4 Frederick Hartt: Giulio Romano, 2 Bde., New Haven 1958, II, o. S., Abb. 326.
5 Oslo, Nasjonalgalleriet, Kupferstichkabinett, Inv.-Nr. 15281; vgl. Raphaels Zeichnungen Abteilung IX. Entwürfe zu Werken Raphaels und seiner Schule im Vatikan 1511/12 bis 1520, bearb. v. Konrad Oberhuber. Raphaels Zeichnungen, begründet v. Oscar Fischel, Berlin 1972, S. 46.

Details zu diesem Werk

Beschriftung

Unten links von der Mitte alte Beischrift: "Julio Romano" (Feder in Braun); unten in der Mitte auf dem Karton bezeichnet: "Giulio Pipi Romano." (Bleistift); auf dem Verso unterhalb der Mitte Stempel der Hamburger Kunsthalle (L. 1328); rechts davon bezeichnet: "x" (Bleistift)

Provenienz

Wahrscheinlich 1882 erworben von Georg Hamminger (1813-1894), Regensburg (L. 1159); vgl. ; vgl. HAHK 32-223.6 (Slg 2), Ankäufe für das Kupferstichkabinett 1880-1885, S. 3

Bibliographie

David Klemm: Italienische Zeichnungen 1450-1800. Kupferstichkabinett der Hamburger Kunsthalle, Die Sammlungen der Hamburger Kunsthalle Kupferstichkabinett, Bd. 2, Köln u. a. 2009, S.197, Nr.257

David Klemm: Von Leonardo bis Piranesi. Italienische Zeichnungen von 1450 bis 1800 aus dem Kupferstichkabinett der Hamburger Kunsthalle, hrsg. von Hubertus Gaßner, David Klemm und Andreas Stolzenburg, Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle, Bremen 2008, S.74, Abb

Liana de Girolami Cheney: Edward Burne-Jones' Andromeda: Transformation of Historical and Mythological Sources, in: artibus at historiae. an art anthology 49, 2004, S. 197-227, S.213, Abb.212

Dorothea Diemer: Hubert Gerhard und Carlo di Cesare del Palagio, hrsg. von Deutschen Verein für Kunstwissenschaft (Jahresgabe 2002/2003), Bd. 1 (Darstellungen), Berlin 2004, S.177, mit Anm. 397, Abb.127

Petra Roettig, Annemarie Stefes, Andreas Stolzenburg: Von Dürer bis Goya. 100 Meisterzeichnungen aus dem Kupferstichkabinett der Hamburger Kunsthalle, Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle 2001, S.22-23, Nr.6, Abb.

Eckhard Schaar, David Klemm: Italienische Zeichnungen der Renaissance aus dem Kupferstichkabinett der Hamburger Kunsthalle, Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle 1997, S.105, Nr.51, Abb.48

Pegasus und die Künste, Ausst.-Kat. Hamburg, Museum für Kunst und Gewerbe 1993, S.164, Nr.III.12

Giulio Romano, Ausst.-Kat. Mantua, Palazzo Te 1989, S.168, 429, Abb.171

Fürstenhöfe der Renaissance. Giulio Romano und die klassische Tradition, Ausst.-Kat. Wien, Kunsthistorisches Museum und Albertina 1989, S.170