Giovanni Benedetto Castiglione, genannt il Grechetto
Szene aus "Der Goldene Esel" von Apuleius, um 1660
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Giovanni Benedetto Castiglione, genannt il Grechetto

Szene aus "Der Goldene Esel" von Apuleius, um 1660

Giovanni Benedetto Castiglione, genannt il Grechetto

Szene aus "Der Goldene Esel" von Apuleius, um 1660

Das Thema dieser virtuosen Zeichnung blieb von Georg Ernst Harzen und auch im ersten Inventar unbestimmt, während es offensichtlich seit den 1950er Jahren in der Kunsthalle als „Begegnung von Rahel und Laban“ gedeutet wurde.(Anm.1) Unzweifelhaft handelt es sich jedoch um eine Szene aus Apuleius’ Erzählung „Der goldene Esel“. Dargestellt ist der Moment, in dem eine alte Frau der in einer Höhle gefangenen Charite und dem in einen Esel verwandelten Lucius die Geschichte von Amor und Psyche erzählt.(Anm.2)
Ähnlich wie bei den Themen „Melancholie“ oder „Circe“ hat sich Castiglione wiederholt auch mit der Geschichte vom „Goldenen Esel“ befaßt. Eine Version aus seiner frühen Schaffenszeit befindet sich in der Pierpont Morgan Library (Anm.3). Der Louvre bewahrt eine in technischer Hinsicht ähnliche und bezüglich der Maße fast gleichgroße Variante des Hamburger Blattes, die in die Zeit 1650–1655 datiert wird.(Anm.4)
Ein Vergleich der drei Blätter führt den Wandel von Castigliones ganz eigener Zeichentechnik vor Augen. Während die frühe Version noch konventionelle Kompositionselemente und eine sorgfältige Pinselführung aufweist, entwickelt Castiglione später einen dramatischeren Duktus mit kurzen, nervösen und skizzenhaften Strichen. Deutlich erkennbar ist der zunehmende Abstraktionsgrad der Zeichnung. Dies zeigt auch ein Vergleich mit den hinsichtlich der Haltung der Figuren durchaus ähnlichen Blättern in Paris und Hamburg. Gegenüber den virtuos angelegten Figuren auf dem letzteren Blatt, sind die Personen auf der Zeichnung im Louvre noch deutlich stärker durchgearbeitet. Ein Vergleich der drei Blätter ergibt zudem, dass die kräftige Farbigkeit der frühen Version bis hin zur Hamburger Zeichnung einer stärker monochromen Ausrichtung weicht.
Das Blatt weist typische Merkmale von Castigliones später Zeichentechnik auf. Er breitet mit dem zunächst in Öl, dann in Pigmente getauchten Pinsel Streifen auf dem Papier aus; anschließend legt er die Schatten in matten Tönen und die lockeren Konturen in unterschiedlicher Stärke der Pinselzüge an. Die Binnenmodellierung wird zumeist durch parallel gesetzte Striche erzielt.
Das Blatt kann aufgrund der starken Abstraktionstendenzen – hierin Françoise Viatte folgend – in die letzte Schaffensphase des Künstlers, also um 1660, datiert werden.(Anm.5) Zu dieser Einschätzung passt auch, dass sich Castiglione damals verstärkt mythologischen und allegorischen Themen gewidmet hat.
Dabei hat Castiglione, wie auch bei seinen Radierungen, Einflüsse von Rembrandt verarbeitet. Für die Szene mit den beiden Frauen wies Françoise Viatte auf die Ähnlichkeit der Anordnung der Gruppe zu Rembrandt-Zeichnungen zum Thema „Vertumnus und Pomona“ hin, die sich in Rotterdam und in einer Amsterdamer Privatsammlung befinden.(Anm.6)

David Klemm

1 Italienische Zeichnungen 1500-1800, bearb. v. Wolf Stubbe, Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle, Hamburg 1957, S. 30, Nr. 162.
2 Lucius Apuleius, Der goldene Esel, München 1961, S. 72ff.
3 The Pierpont Morgan Library New York, Inv.-Nr. IV, 193. Vgl. Giovanni Benedetto Castiglione. Master Draughtsman of the italian Baroque, bearb. v. Ann Percy, Ausst.-Kat. Philadelphia Museum of Art, Philadelphia 1971, S. 62, Nr. 1.
4 Paris, Louvre, Département des Arts Graphiques, Inv.-Nr. 9456. Vgl. Le Dessin à Gênes du XVIe au XVIIIe siècle, Katalog v. Mary Newcome Schleier, Ausst.-Kat. Paris, Musée du Louvre, Paris 1985, S. 84.
5 Ebd.
6 „Vertumnus und Pomona“, Rotterdam, Museum Boijmans Van Beuningen, Inv.-Nr. R 44; Otto Benesch: The Drawings of Rembrandt, Bd. I, London 1954, S. 47, Nr. 165, Abb. 195; „Vertumnus und Pomona“, Privatsammlung Niederlande, Otto Benesch: The Drawings of Rembrandt, Bd. III, London 1955, S. 152, Nr. 553, Abb. 720.

Details zu diesem Werk

Beschriftung

Oben in der Mitte nummeriert: "52" (Feder in Braun); oben rechts nummeriert: "15" (Feder in Braun); auf dem Verso rechts von der Mitte nummeriert: "12" (Bleistift); unterhalb davon: Stempel der Hamburger Kunsthalle (L. 1328; durch eine Doublierung durchschimmernd)

Provenienz

Georg Ernst Harzen (1790-1863), Hamburg (L. 1244); NH Ad : 02 : 01, S. 212 (als Giovanni Benedetto Castiglione): "Eine weibl. Figur, nachdenkend. Royalfol. Ebenso."; NH Ad : 01 : 03, fol. 93 (als Giovanni Benedetto Castiglione): "Eine weibliche Figur in nachdenkender Stellung neben einem Haufen an Geräthen[?] sitzend, wird von einem alten Weibe angeredet. Wie oben in braunter Terpentinfarbe entworfen mit ausgespartem Licht und angedeuteter Luft in grauer Oelfarbe. 21.6. 14.6" am Rand: "Radir?"; Legat Harzen 1863 an die "Städtische Gallerie" Hamburg; 1868 der Stadt übereignet für die 1869 eröffnete Kunsthalle

Bibliographie

David Klemm: Italienische Zeichnungen 1450-1800. Kupferstichkabinett der Hamburger Kunsthalle, Die Sammlungen der Hamburger Kunsthalle Kupferstichkabinett, Bd. 2, Köln u. a. 2009, S.140, Nr.149

David Klemm: Von Leonardo bis Piranesi. Italienische Zeichnungen von 1450 bis 1800 aus dem Kupferstichkabinett der Hamburger Kunsthalle, hrsg. von Hubertus Gaßner, David Klemm und Andreas Stolzenburg, Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle, Bremen 2008, S.152-152, Abb, S. 231, Nr.69

Il Genio di Giovanni Benedetto Castiglione. Il Grechetto, Ausst.-Kat. Genua, Accademia Ligustica di Belle Arti 1990, S.174, Nr.47 (Erwähnung)

Hamburger Kunsthalle, hrsg. von Werner Hofmann, München 1989 (2. erw. Aufl.), S.207, Nr.460, Abb.460

Hamburger Kunsthalle, hrsg. von Werner Hofmann, München 1985, S.191, Nr.424, Abb.

Giovanni Benedetto Castiglione. Master Draughtsman of the italian Baroque, Ausst.-Kat. Philadelphia Museum of Art 1971, S.62, 98, Nr.1 (Erwähnung), 69 (Erwähnung)

[Wolf Stubbe]: Italienische Zeichnungen 1500-1800. Ausstellung aus den Beständen des Kupferstichkabinetts, Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle 1957, S.30, Nr.162