G. Welsing
Bildnis eines Kunstliebhabers (Selbstbildnis in der Studierkammer?),
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G. Welsing

Bildnis eines Kunstliebhabers (Selbstbildnis in der Studierkammer?),

G. Welsing

Bildnis eines Kunstliebhabers (Selbstbildnis in der Studierkammer?)

Harzen beschrieb dieses Blatt in seinem „Catalogue d’une Collection de Portraits“ als Bildnis eines Kunstliebhabers in seinem Kabinett. Der Porträtierte sitzt am Schreibtisch vor einem geöffneten Buch. Vor ihm liegt ein Totenschädel mit dem Spruchband „Ken Selven“, einer seit dem späten 17. Jahrhundert im Porträtbereich gern verwendeten Devise.(Anm.1) Offensichtlich war dem Dargestellten daran gelegen, sich als Liebhaber aller Kunstgattungen präsentiert zu sehen: In der linken Hand hält er einen Stich oder eine Zeichnung, an der Rückwand erkennt man eine gemalte „Verkündigung an die Hirten“ mit geöffneten, von innen beschriebenen Flügeln. An der Wand sind Gipsabgüsse von Gesichtern und Händen aufgereiht – typische Atelierrequisiten –, ergänzt um eine Statuette und technische Meßwerkzeuge.
Zu wenig ist über den Künstler G. Welsing bekannt, dem das Blatt traditionell zugeschrieben wurde, als dass die alte Deutung als „Selbstbildnis“ sicher bestätigt werden kann. Immerhin würde die Präsentation als Literat und Liebhaber der Künste konform gehen mit Welsings schriftstellerischer Tätigkeit: Er gilt als Verfasser einer „Illustrierten Handschrift über Zeichnung und Malerei“, und die 62 eigenhändigen Illustrationen sind bei gleicher Technik ähnlich frei und schwungvoll gezeichnet wie das Hamburger Blatt.(Anm.2)
Stilistisch scheinen Welsings Zeichnungen Jan Verkolje nahe zu stehen.(Anm.3) Eine ehemals Nicolaes Verkolje zugewiesene Zeichnung in Bremen ist wohl von gleicher Hand wie das Hamburger Blatt.(Anm.4) In der Hamburger Museumskartei wird darüber hinaus auf ein Welsing zugeschriebenes Blatt in Brüssel verwiesen sowie auf zwei ihm zugeordnete Zeichnungen in Paris.(Anm.5)

Annemarie Stefes

1 Z. B. auf Michiel van Musschers „Bildnis des Michiel Comans und seiner Frau“, 1669, Amsterdam, Rijksmuseum, Inv.-Nr. SK-A-4135, Nora Schadee: Rotterdamse Meesters uit de Gouden Eeuw, Ausst.-Kat. Historisch Museum, Rotterdam 1994, Nr. 29; vgl. auch Hans-Joachim Raupp: Untersuchungen zu Künstlerbildnis und Künstlerdarstellung in den Niederlanden im 17. Jahrhundert, Hildesheim u. a., Univ., Diss. 1984, S. 354. Für die zur aufrichtigen Selbsteinschätzung mahnende Devise „Kent U Selven“ konnte man sich auf die Bibel (2. Korinther 13, 5: „Erforscht Euch selbst“) ebenso berufen wie auf das lateinische „Nosce te ipsum“, das dem Weisen Chion in den Mund gelegt worden war, vgl. Emblem Project Utrecht (http://emblems.let.uu.nl) zu Jacob Cats: Proteus ofte Minnebeelden, verandert in Sinne-beelden, Rotterdam 1627, Nr. 38 („Post tristia dulcor“), Anm. 47.
2 Aukt.-Kat. Paris, Drouot Richelieu, 25. 6. 1993, Nr. 39.
3 Z. B. ein Damenbildnis aus der ehemaligen Sammlung Klaver, Marijn Schapelhouman, Peter Schatborn: Tekeningen van oude Meesters. De verzameling van Jacobus A. Klaver, Ausst.-Kat. Amsterdam, Rijksprentenkabinet, Zwolle 1993, Nr. 86.
4 Kunsthalle Bremen, Kupferstichkabinett, Inv.-Nr. 37/249, Zuschreibung an Welsing durch J. W. Niemeijer, Notiz in der Photokartei des RKD.
5 Brüssel, Musées Royaux des Beaux-Arts, Sammlung De Grez, Inv.-Nr. 4060/4002; Paris, Musée du Louvre, Département des Arts Graphiques, Inv.-Nr. 23251 und Inv.-Nr. 22348, Frits Lugt: École hollandaise, Musée du Louvre, Cabinet des Dessins. Inventaire général des dessins des écoles du Nord, Bd. 2, Paris 1931, Nr. 893 und 894.

Details zu diesem Werk

Beschriftung

Bezeichnet unten rechts auf einem Schriftband: "KEN SELVEN" (Feder in Braun)

Wasserzeichen / Kettenlinien

nicht feststellbar
nicht feststellbar

Provenienz

Georg Ernst Harzen (1790-1863), Hamburg (L. 1244) (Catalogue d'une Collection de Portraits, fol. 197, Inc. 3: "Un amateur dans son cabinet écrivant. à mi corps. Dessin au bistre"); Legat Harzen 1863 an die „Städtische Gallerie“ Hamburg; 1868 der Stadt übereignet für die 1869 eröffnete Kunsthalle (Inventar Bd. XIII, 1933-49?, S. 192: "Vermächtnis Harzen")

Bibliographie

Stefes, Annemarie: Niederländische Zeichnungen 1450-1850. Katalog II van Musscher - Zegelaar, hrsg. von Gaßner, Hubertus und Stolzenburg, Andreas, Die Sammlungen der Hamburger Kunsthalle Kupferstichkabinett, Bd. 3, Böhlau Verlag Köln Weimar Wien 2011, S.622-623, Nr.1188