Friedrich Preller (der Ältere)
Gebirgslandschaft mit Geiern, 1854
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Friedrich Preller (der Ältere)

Gebirgslandschaft mit Geiern, 1854

Friedrich Preller (der Ältere)

Gebirgslandschaft mit Geiern, 1854

Im Februar 1855 bestätigte Preller gegenüber Caroline Prinzessin von Sayn-Wittgenstein (1819-1889) den Erhalt von 29 Louis d’or für vier Zeichnungen. Auch das vorliegende, 1854 entstandene Blatt stammt aus dem Besitz der Prinzessin, doch lässt sich nicht eindeutig belegen, dass es zu den vier von Preller für die Prinzessin ausgeführten Zeichnungen gehört.(Anm. 1)
Das Motiv der alpinen Landschaft mit Geiern hat Preller wiederholt dargestellt, doch ist das Hamburger Aquarell sicher die eindrucksvollste Version des Themas. Auf einem hoch über dem Tal gelegenen schroffen Felsvorsprung haben sich zwei Geier niedergelassen, ein dritter ist im Anflug. Die Felsen sind bemoost, abgebrochene und gestürzte Tannen verkörpern den Kampf der Vegetation in einer unwirtlichen Umgebung, einzig im Hintergrund des Felsplateau behauptet sich eine hochgewachsene Tanne gegen die Elemente der Natur, während dahinter der Blick auf die schneebedeckten Berge der Alpen fällt. Das Motiv bzw. die Idee soll auf einer Tirolreise 1850 vorbereitet worden sein (Anm. 2), wo Preller die Hochgebirgswald gleichermaßen beengte und faszinierte als eine Gegend, „wo der Mensch keine Bedeutung mehr hat“, wie er 1853 an Marie Soest schrieb.(Anm. 3)
Allerdings scheint sich Preller schon vorher mit dem Thema beschäftigt zu haben. 1849 erwähnt Johann Hermann Detmold in einem Brief an Hofrat Eckermann in Weimar eine Zeichnung mit Geiern im Besitz von L. Brentano (Anm. 4), doch ist diese heute nicht mehr bekannt. Bereits 1850 entstand in Weimar eine erste Version, die Boetticher erwähnt.(Anm. 5) In den folgenden Jahren, insbesondere 1853 bei einem Aufenthalt in Belgien hat Preller Geier im Zoologischen in Antwerpen intensiv studiert (Anm. 6), auf deren Grundlage er in den Jahren 1854-1856 verschiedene Versionen des Themas ausarbeitete. Boetticher führt zwei weitere Zeichnungen auf, die ein Gemälde vorbereiten, das im Auftrag der Großherzogin von Weimar entstand und sich dort heute befindet.(Anm. 7) Dem im Format dem Gemälde nahezu entsprechenden Karton von 1855 ging dabei eine Kohlezeichnung voraus, die sich beide heute ebenfalls in Weimar befinden.(Anm. 8) Das Hamburger Aquarell dagegen entstand 1854 als eigenständige Version wohl im Auftrag der Prinzessin Sayn-Wittgenstein. Zuletzt hat Preller 1867 eine weitere Version ausgeführt, die sich ehemals in der Sammlung Cichorius befand.(Anm. 9)

Peter Prange

1 "Ihrer Durchlaucht der Frau Fürstin Wittgenstein habe ich an Zeichnungen gefertigt: eine Zeichnung in Sepia /Waldgegend/ eine Zeichnung in Sepia /Copie nach Wislicenus/ eine große Zeichnung in Kohle /Composition im Charakter des Tiroler Hochgebirgs/ eine große Zeichnung in Aquarell /Seesturm/ und dafür die Summe von 29 Louis d'or erhalten, worüber ich hiemit dankend bescheinige unterthänigst Friedrich Preller/ Weimar d. 15. Februar 1855", vgl. Staatsbibliothek zu Berlin, Handschriftenabteilung, Nachlass Sayn-Wittgenstein, Kasten 7, Briefe von Friedrich Preller, Bl. 12. Für die Information danke ich Tanja Baensch, Hamburg. Im Katalog des 1921 in München versteigerten Nachlasses der Prinzessin Sayn-Wittgenstein sind drei 1854 datierte Zeichnungen aufgeführt, darunter auch das vorliegende, das am ehesten der „Composition im Charakter des Tiroler Hochgebirgs“ entspricht, doch stimmt die Technik nicht überein. Es ist deshalb wahrscheinlich, dass Preller 1854 noch weitere Blätter als die vier erwähnten für die Prinzessin Sayn-Wittgenstein ausgeführt hat.
2 Vgl. C. G. Boerner, Leipzig, Auktion 90, 5.-6.5.1908, S. 46, Nr. 382.
3 Brief vom 17. Juli 1853 an Marie Soest, zitiert nach Ina Weinrautner: Friedrich Preller d. Ä. (1804-1878). Leben und Werk, Münster 1997, S. 332.
4 Weinrautner 1997, S. 331-332.
5 Felsiges Tal im Hochgebirge, an einem Felsen zwei Geier, Aquarell, bez.: F P 1850 Weimar, 235 x 175 mm, ehem. Besitz Frau von Seebach, vgl. Friedrich von Boetticher: Malerwerke des neunzehnten Jahrhunderts. Beitrag zur Kunstgeschichte, Dresden 1898, Bd. II, 1, S. 317, Nr. 79. Es ist offensichtlich dasselbe Blatt, das Julius Gensel: Friedrich Preller d. Ä., Bielefeld-Leipzig 1904, S. 90, Abb. 92 abgebildet hat, und das 1938 zusammen mit dem Hamburger Blatt versteigert wurde. Allerdings wird dort als Technik Pinsel in Braun und Grau gegenüber einem Aquarell bei Boetticher angegeben, doch stimmt es im Format überein, vgl. Aukt.-Kat. Boerner 1938, S. 24, Nr. 306.
6 Ein Blatt mit zwei auf Baumstümpfen sitzenden Geiern, das sich ehemals in der Sammlung Arnold Otto Meyer befand, war bereits 1843 im Zoo von Antwerpen entstanden: Zwei Geier, nach rechts, auf Baumstümpfen sitzend, 1843, Bleistift, 240 x 190 mm, vgl. C. G. Boerner, Leipzig, Auktion 124, 16-18.3. 1914, S. 66, Nr. 604. In Meyers Sammlung befand sich ein weiteres, offensichtlich aber später entstandenes Blatt mit der Darstellung zweier Geier: Zwei Geier, von vorn, der eine auf einem Baumstumpf, der andere auf einer Felsenplatte, eine tote Ente zerreißend, Bleistift, 155 x 235 mm, vgl. C. G. Boerner, Leipzig, Auktion 124, 16-18.3. 1914, S. 66, Nr. 605.
7 Geier auf Felsen im Hochgebirge, 1856, 78 x 68 cm, Klassik Stiftung Weimar, Kunstsammlungen und Museen, Inv. Nr. G 83 e, vgl. Boetticher 1898, Bd. II, 1, S. 312, Nr. 66, und Friedrich Preller. Ausstellung anlässlich seines 100. Todestages, Ausst.-Kat. Kunstsammlungen Weimar 1978, o. S., Nr. 26, Abb.
8 Geier auf Felsen im Hochgebirge, Carton, 1855, 74 x 63 cm, Verbleib unbekannt, vgl. Boetticher 1898, Bd. II, 1, S. 317, Nr. 92, und Gensel 1904, S. 89, Abb. 91 (?); Hochgebirgslandschaft mit großen Felsblöcken im Vordergrunde, auf denen zwei Geier sitzen, Bleistift, 400 x 330 mm, Privatbesitz, vgl. Boetticher 1898, Bd. II, 1, S. 319, Nr. 146, wohl identisch mit dem bei Weinrautner 1997, S. 331 an 2. Stelle genannten Blatt.
9 Hochgebirgslandschaft mit Geiern auf felsiger Spitze, 1867, Pinsel in Braun, 510 x 440 mm, vgl. C. G. Boerner, Leipzig, Auktion 90, 5.-6.5.1908, S. 46, Nr. 382, heute Dresden, Staatliche Kunstsammlungen, Kupferstich-Kabinett, Inv. Nr. C 1908-644, vgl. die bei Weinrautner 1997, S. 331, an 8. Stelle genannte Vergleichszeichnung.

Details zu diesem Werk

Beschriftung

Unten rechts datiert, monogrammiert und bezeichnet: "18 FP[ligiert, wobei das F spiegelverkehrt ist] 54./ Weimar." (Pinsel in Schwarz)

Auf dem Verso unten links nummeriert: "1[?]55[?]" (Bleistift, unterstrichen); unterhalb davon der Sammlerstempel "CH[ligiert]" (blau, Carl Heumann, L. 555b)

Provenienz

Friedrich Preller (1804-1878); Fürstin Carolyne Sayn-Wittgenstein (1819-1887); ?; 26.11.1921; Emil Hirsch, Antiquariat, München, Karlstraße 10; ?; Sammlung Carl Heumann (1886-1945), Lugt 555b, Chemnitz; C. G. Boerner, Leipzig, Auktion vom 25.5.1938; auf der Auktion Boerner erworben für die Hamburger Kunsthalle

Bibliographie

Gedächtnisausstellung zur 150. Wiederkehr des Geburtstags von Friedrich Preller d. Ä., Ausst.-Kat. Kurpfälzisches Museum der Stadt Heidelberg, Heidelberg 1954, S.30, Nr.127

Deutsche Handzeichnungen der Romantikerzeit. Deutsche Graphik des frühen XIX. Jahrhunderts. Deutsche Zeichnungen der zweiten Hälfte des XVI. Jahrhunderts, Auktion 199, 25. 5. 1938, C. G. Boerner, Leipzig 1938, S.32, Nr.305

100 Jahre Deutsche Zeichenkunst 1750-1850. Sammlung Konsul Heumann Chemnitz, Ausst.-Kat. Kunsthütte zu Chemnitz im Städtischen Museum, Chemnitz 1930, S.32, Nr.178

Sammlung von Handzeichnungen aus dem Besitze der Fürstin Carolyne Sayn-Wittgenstein. Vorwort von Dr. Eberhard Hanfstaengl, Auktion 26.11., Emil Hirsch, München 1921., S.36, Nr.267, Abb.Tafel XXXVI.