Franz und Johannes Riepenhausen, Zeichner, Mitarbeit
Der Abschied des jungen Raffael von seiner Mutter, 1816
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Franz und Johannes Riepenhausen, Zeichner, Mitarbeit

Der Abschied des jungen Raffael von seiner Mutter, 1816

Franz und Johannes Riepenhausen, Zeichner, Mitarbeit

Der Abschied des jungen Raffael von seiner Mutter, 1816

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde die europäische Literatur und Kunst von einer einzigartigen Raffael-Renaissance bestimmt. In Deutschland waren es vor allem Ludwig Tieck und Johann Heinrich Wackenroder, durch deren romantische Schriften dieser Künstlerkult belebt wurde. Unter den vielfältigen Hommagen an den Genius Raffael nimmt der 1816 als Kupferstichfolge veröffentlichte Zyklus der Gebrüder Riepenhausen eine besondere Stellung ein. Nie zuvor hatte sich jemand den einzelnen Lebensstationen des Künstlers so intensiv gewidmet. Nur der französische Maler Jean-Dominique Ingres beschäftigte sich während seines römischen Aufenthaltes etwa zur gleichen Zeit mit diesem Thema (vgl. Ausst.-Kat. Stendal 2001, S. 158-161).
Der junge Raffael nimmt mit einem Kuss Abschied von seiner treusorgenden, auf einem Stuhl sitzenden Mutter, während der mit der Hand am Stecken die Richtung weisende Vater, der den Jungen zum Besuch einer Malschule bestimmt hatte, ihn ungeduldig an die Hand nimmt. Den beiden voraus eilt ein Diener mit dem Gepäck des Jungen. Hinter der Mutter, rechts von dem weit geöffneten Fenster, das einen Ausblick in die umbrische Landschaft gewährt, hängt ein Gemälde an der Wand, das sicher von der Hand des Vaters stammt.
Das Motiv des von der Mutter Abschied nehmenden jungen Raffael beschäftigte die Gebrüder Riepenhausen bereits seit ihrer Ankunft in Rom. Schon 1806 entstand eine erste, mit einer groben Rohrfeder gezeichnete Studie, die - im Gegensatz zu der späten Hamburger Version von 1816, die sich durch nazarenische Ruhe und Ausgewogenheit auszeichnet - die Szene in noch klassizistisch-pathetischer Pose präsentiert (Darmstadt, Hessisches Landesmuseum; Ausst.-Kat. Stendal 2001, S. 166, Nr. V.2). Mit entschlossenem und energischem Schritt leitet der Vater hier den Sohn, der sich zu seiner vor einem Fenster sitzenden Mutter umwendet. Im Hinterggrund stehen zwei Dienerinnen, die ihrer Trauer Ausdruck geben. Der Vater nimmt hier keinen Anteil am Leid, das Mutter und Sohn verbindet, während er die Szene auf dem vorliegenden Blatt durchaus mit verständnisvollem Blick verfolgt.
Bei der Hamburger Zeichnung, deren Komposition kaum von dem Kupferstich abweicht, handelt es sich um eine Reinzeichnung, die wohl doch weitgehend von Franz Riepenhausen allein im Auftrag eines Sammlers angefertigt wurde.

Andreas Stolzenburg

Details zu diesem Werk

Beschriftung

Unten links signiert, bezeichnet und datiert: "Riepenhausen Rom 1816." (Feder in Braun)

Provenienz

Erworben 1949 vom Kunstantiquariat Helmuth Domizlaff, München. - Gelistet in lostart.de

Bibliographie

Sterbliche Götter. Raffael und Dürer in der Kunst der deutschen Romantik, hrsg. von Michael Thimann, Christine Hübner, Ausst.-Kat. Göttingen, Kunstsammlung der Universität Göttingen, Rom, Casa di Goethe, Petersberg 2015, S.120, Abb.44 auf S. 122

Johannes Grave: Medien der Reflexion. Die graphischen Künste im Zeitalter von Klassizismus und Romantik, in: Geschichte der bildenden Kunst in Deutschland, Bd. 6, hrsg. v. Andreas Beyer. München, Berlin, London, New York 2006, S. 439-497, S.483-484, Nr.397, Abb.

Geschichte der bildenden Kunst in Deutschland. Klassik und Romantik. Band 6, hrsg. von Beyer, Andreas, München 2006, S.483-484, Nr.397, Abb.

Peter Prange, Petra Roettig, Andreas Stolzenburg u. a.: Von Runge bis Menzel. 100 Meisterzeichnungen aus dem Kupferstichkabinett der Hamburger Kunsthalle, Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle 2003, S.60, Nr.25, Abb.S. 61

Peter Prange, Petra Roettig, Andreas Stolzenburg u.a.: Ideas on Paper. 100 Masterdrawings from the collections of the Hamburger Kunsthalle (in griech. Sprache), hrsg. von Marilena Cassimatis, Andreas Stolzenburg, Ausst.-Kat. Athen, Nationalgalerie 2003, S.198, Nr.84, Abb.

Zwischen Antike, Klassizismus und Romantik. Die Künstlerfamilie Riepenhausen, Ausst.-Kat. Winckelmann-Gesellschaft / Winckelmann-Museum Stendal, Mainz 2001., S.166-167, Nr.bei Nr. V.2

Helmut Börsch-Supan, Zwei Raffaele aus Göttingen: die Brüder Riepenhausen, Stuttgart/Weimar: Metzler 1994, S.225

Petra Kuhlmann-Hodick: Das Kunstgeschichtsbild. Zur Darstellung von Kunstgeschichte und Kunsttheorie in der deutschen Kunst des 19. Jahrhunderts, Bd. 2, Frankfurt am Main 1993, S.85, Nr. 411c

Deutsche Romantik. Handzeichnungen. Band 2: Johann Friedrich Overbeck (1798-1869) bis Christian Xeller (1784-1872), hrsg. von Marianne Bernhard, München 1973, S.1990, Abb.S. 1397