Das Blatt weist eine alte Zuschreibung an Londonio auf, was aufgrund des Motivs einleuchtend erscheint (vgl. hierzu Inv.-Nr. 21244). Wenn auch derart sorgfältige Kompositionen in Rötel seltener nachweisbar sind, gibt es dennoch Vergleichsbeispiele. So gilt eine Studie dieser Art in Mailand als seitenverkehrte Vorzeichnung für die Radierung „Hirte auf einem Esel mit Schafherde“.(Anm. 1) Übereinstimmend ist das leicht verschwommene, weiche Erscheinungsbild der Zeichnungen. Allerdings ist das Hamburger Blatt deutlich fester und deckender gezeichnet. Auffallend ist auch, dass die Strichführung im Vergleich zu gesicherten Blättern Londonios weniger differenziert ist.(Anm. 2)
Die Zeichnung wirkt wie eine Variation von Gemälden oder Graphiken Londonios. Eine genaue Entsprechung liegt aber nicht vor.
Mit einiger Sicherheit ist die Zeichnung – wie auch die in technischer Hinsicht sehr ähnliche Inv.-Nr. 1963-532 als Werk eines im Umfeld von Londonio tätigen oder von ihm stark beeinflussten Nachahmers einzuschätzen.

David Klemm

1 Mailand, Biblioteca Ambrosiana, Cod. F 278 inf. n. 11. Vgl. Disegni del Settecento Lombardo, hrsg. v. Amalia Barigozzi Brini u. Rossana Bossaglia, Ausst.-Kat. Mailand, Biblioteca Ambrosian, Vicenza 1973, S. 47, Nr. 54. Der Bezug zur Radierung findet sich bei Monica Scola: Catalogo ragionato delle incisioni di Francesco Londonio, Mailand 1994, S. 52–53.
2 Vgl. Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett, Inv.-Nr. 21244; Wien, Albertina, Grafische Sammlung, Inv.-Nr. 2974-2977; vgl. Veronika Birke, Janine Kertész: Die italienischen Zeichnungen der Albertina. Generalverzeichnis, Bd. II (Inv. 1201-2400), Veröffentlichungen der Albertina Bd. 34, Wien, Köln, Weimar 1994, S. 1653–1655.