Dirk Helmbreeker
Brustbild eines nach rechts herabblickenden Jünglings,
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Dirk Helmbreeker

Brustbild eines nach rechts herabblickenden Jünglings,

Dirk Helmbreeker

Brustbild eines nach rechts herabblickenden Jünglings

Harzen erwarb dieses Blatt und die beiden anzuschließenden Zeichnungen als Werke Dirck Helmbreekers und setzte sie in Bezug zu einer annähernd gleichformatigen Zeichnung in München.(Anm.1) Das Münchner Blatt trägt eine auf Helmbreeker weisende alte Annotation und ist vermutlich in Italien entstanden, wo der Künstler die meiste Zeit seines Lebens verbrachte.(Anm.2) Auch die Hamburger Studien wurden mit diesem Italienaufenthalt assoziiert, und die alte Beischrift auf Inv.-Nr. 22031 („Dominichino“) lässt auf eine italienische Inspirationsquelle schließen.(Anm.3)
Wagner hielt die Hamburger Blätter für mögliche Vorarbeiten zu einer „Geburt Christi“, ausgehend von den betenden Händen, dem innigen Ausdruck des herabblickenden Jünglings (Inv.-Nr. 22032) und dem andächtig erhobenen Blick des Jünglings auf Inv.-Nr. 22030.(Anm.4) Helmbreeker, der 1668 als Laienbruder in den Jesuitenorden aufgenommen wurde, spezialisierte sich in Italien nicht nur auf Genreszenen in der Nachfolge des Pieter van Laer, sondern schuf auch religiöse Darstellungen. Ein entsprechendes Gemälde konnte den Hamburger Zeichnungen bislang nicht zugeordnet werden, aber Figuren wie das Mädchen auf der Rückseite von Inv.-Nr. 22032 begegnen ähnlich auf den „Hirten am Brunnen“ von 1682.(Anm.5)
Der zu seiner Zeit ausgesprochen erfolgreiche Künstler ist als Zeichner weitgehend unerforscht. Zu den wenigen signierten Blätter zählen ein dem Münchner Frauenkopf vergleichbares männliches Porträt in Leiden und ein 1653 datiertes Frauenbildnis, das deutlich seine künstlerische Prägung durch die Haarlemer Zeichner Cornelis Visscher, Cornelis Bega und Leendert van der Cooghen verrät.(Anm.6) Die Hamburger Studien sind im Vergleich zu diesen Blättern weniger differenziert modelliert und unterscheiden sich auch von dem Münchner Frauenkopf in der härteren, besonders auf den Handstudien recht sperrig wirkenden Schraffur. Grundsätzlich sticht an den Hamburger Studien ihre Zweckbezogenheit ins Auge: Es handelt sich um reine Arbeitsblätter zur Anlage eines Motivrepertoires. Zu diesem Zweck wurden die einzelnen Aufnahmen mithilfe des Abklatschverfahrens gespiegelt: So ist die Rückseite von Inv.-Nr. 22030 ein Gegendruck von Inv.-Nr. 22031, und die matten Verso-Zeichnungen von Inv.-Nr. 22031 und Inv.-Nr. 22032 wurden sicherlich gleichermaßen im Abklatschverfahren von unbekannten Vorlagen gewonnen. Angesichts des leicht aufgeweichten Strichs kann man davon ausgehen, dass auch von den Vorderseiten der drei Zeichnungen Gegendrucke abgenommen wurden.
Bei genauer Betrachtung lassen sich jeweils zwei verschiedene Rottöne unterscheiden: ein helles Orangerot und ein wohl durch Anfeuchten erzielter dunklerer, ins Bläuliche gehender Farbton, der sich auf den Gegendrucken weniger intensiv abzeichnet. Ein vergleichbarer Hang zur Mehrfarbigkeit ist auf der Rückseite einer Helmbreeker zugeschriebenen Studie in Los Angeles zu beobachten.(Anm.7) Angesichts dieser Bezüge soll an der traditionellen Zuschreibung festgehalten werden, ungeachtet gewisser Unsicherheiten wie der schwachen anatomischen Wiedergabe der Handinnenfläche auf Inv.-Nr. 22031. Vermutlich wurden derartig zweckbestimmte Studienblätter in der Regel vernichtet, was den geringen Bestand erhaltener Zeichnungen aus Helmbreekers italienischer Zeit erklären könnte.

Annemarie Stefes

1 München, Staatliche Graphische Sammlung, Inv.-Nr. 1965 (Rötel, 106 x 83 mm), Wolfgang Wegner: Die niederländischen Handzeichnungen des 15.-18. Jahrhunderts. Textband, Kataloge der Staatlichen Graphischen Sammlung München, 2 Bde, München 1973, Nr. 619, signiert „T. Helmbreeker oland“.
2 Helmbreeker lebte von 1654–75 und 1677–96 in Italien, unterbrochen von mehreren, jeweils höchstens zweijährigen Aufenthalten in Lyon, Paris und seiner Heimatstadt Haarlem.
3 Jochen Wagner, in: Eckhard Schaar: Rembrandt und sein Jahrhundert, Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle 1994, S. 155. Eine vergleichbare Domenichino-Zeichnung konnte unserem Blatt bislang nicht zur Seite gestellt werden, aber die grundsätzliche Anregung durch Rötelzeichnungen wie dessen „Knienden Mann“ in London, British Museum, Department of Prints and Drawings, Inv.-Nr. 1905,0810.1 erscheint plausibel.
4 Wagner, in: Eckhard Schaar: Rembrandt und sein Jahrhundert, Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle 1994, S. 155.
5 Aukt.-Kat. Versailles, Blanche, 26./27. 4. 1967, Nr. 140.
6 Leiden, Prentenkabinet der Universiteit, Inv.-Nr. PK-P-AW 1055, Corpus Gernsheim Nr. 35052; Wien, Grafische Sammlung Albertina, Inv.-Nr. 9866, Walther Bernt: Die niederländischen Zeichner des 17. Jahrhunderts, Bd. 1, München 1957, Nr. 287.
7 Los Angeles, J. Paul Getty Museum, Inv.-Nr. 91.GB.67.

Details zu diesem Werk

Beschriftung

Auf dem Verso unten links Stempel der Hamburger Kunsthalle (L. 1328)

Wasserzeichen / Kettenlinien

-
27-30 mm (h)

Verso

Titel verso: Brustbild eines nach links gewandten Mädchens

Technik verso: Rötel (Abklatsch)

Provenienz

Georg Ernst Harzen (1790-1863), Hamburg (L. 1244) (NH Ad:01:02, fol. 29: "Theodor Helmbreker. 3 Bl auf beiden Seiten Röthelstudien enthaltend von bäuerlichen Halbfiguren und Händen. 2.7.3.10 [in margine] v. München?"; NH Ad: 02: 01, S. 253); Legat Harzen 1863 an die „Städtische Gallerie“ Hamburg; 1868 der Stadt übereignet für die 1869 eröffnete Kunsthalle

Bibliographie

Stefes, Annemarie: Niederländische Zeichnungen 1450-1850. Katalog I Van Aken-Murant, hrsg. von Gaßner, Hubertus und Stolzenburg, Andreas, Die Sammlungen der Hamburger Kunsthalle Kupferstichkabinett, Bd. 3, Böhlau Verlag Köln Weimar Wien 2011, S.272, Nr.428

Rembrandt und sein Jahrhundert, Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle 1994, Nr.58, Abb.S. 63

Wolfgang Wegner: Die niederländischen Handzeichnungen des 15.-18. Jahrhunderts. Textband, Kataloge der Staatlichen Graphischen Sammlung München, Bd. 1, München 1973, Nr.619