Caspar David Friedrich
Dorf mit zwei Kirchen, 26. Juni 1799
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Caspar David Friedrich

Dorf mit zwei Kirchen, 26. Juni 1799

Caspar David Friedrich

Dorf mit zwei Kirchen, 26. Juni 1799

Das Blatt aus dem „Großen Mannheimer Skizzenbuch“ stellt den Blick auf ein in einer Senke liegendes Dorf dar, links führt an zwei mit Reet gedeckten Bauernkaten ein Weg hinab ins Dorf. Die mit Bleistift quadrierte Ansicht wird zum unteren Bildrand durch eine waagerechte Linie mit der Feder begrenzt, nach oben schließt die obere waagerechte Linie der Quadratur das Bildfeld so ab, dass Landschaft und Himmel im etwa gleichen Verhältnis zu einander stehen. Innerhalb der Darstellung finden sich zahlreiche Bezeichnungen mit Buchstaben, die als Farbangaben zu verstehen sind. Das ausgewogene Verhältnis von Landschafts- und Himmelszone legt die Komposition bereits in der Zeichnung bildhaft fest und war sicher zur Ausführung in einem anderen Medium vorgesehen.
Die offensichtlich schnell und flott ausgeführte Zeichnung weist trotzdem in den Details eine große Sicherheit und Genauigkeit – etwa in den Türmen – auf, die mit den nur flüchtigen Angaben zur Vegetation im Vordergrund kontrastiert.
Hermann Zschoche zufolge ist der Blick auf Oederan dargestellt, das sich südwestlich von Freiberg befindet. (Anm.1) Friedrich hatte sich während seiner Sommerreise 1799 in der Gegend aufgehalten und u. a. auch die Burg Kriebstein besucht (vgl. Kat. 41099), doch hat Frank Richter das Dorf überzeugend mit dem kleinen Örtchen Hainichen identifiziert, der sich nördlich von Oederan befindet. (Anm.2) Der Vergleich mit einer Lithographie von Johann Friedrich Wilhelm Wagner, dessen Ansicht Hainichen nach dem Stadtbrand von 1832 zeigt (Anm.3), erweist, dass Friedrichs Ansicht mit dem charakteristischen Kirch- und links daneben dem Rathausturm aus entgegengesetzter Richtung entstand. Zwar weist das Rathaus auf Wagners Lithographie gegenüber Friedrichs barocker Haube eine klassizistische Bekrönung auf, doch stimmt der Kirchturm auf beiden Darstellungen so weitgehend überein, dass Richters Identifizierung als gesichert gelten kann. Der Blick auf Friedrichs Ansicht geht in Richtung des südwestlich gelegenen Frankenberg, das Friedrich wohl oben in seiner Beschriftung nennt.
Hainichen war für Friedrich kein unbekannter Ort, denn möglicherweise war es auch der Ort einer unglücklichen Liebe, die Friedrich 1800 veranlasst hatte, Dresden zu verlassen und eine längere Reise in die Heimat anzutreten. In einem Brief an den dänischen Maler Johann Ludvig Lund wohl vom September 1800 erwähnt Friedrich eine Wanderung mit drei Holländern nach Freiberg, die sie zuvor nach „Meisen Nossen Waldheim Kribstein und H [geführt hatte, Ergänzung des Verf.] Sie wissen schon was ich meine, wo ich denn auch mein[e?] M sprach“. (Anm.4) Es ist wahrscheinlich, dass mit dem Kürzel „H“ Hainichen gemeint ist, doch muss offen bleiben, ob sich hinter „M“ tatsächlich Friedrichs Geliebte verbirgt.

Peter Prange

1 Zschoche 1998, S. 15.
2 Richter 2009, S. 140. Grummt 2011, S. 214, liest bei der Beschriftung oben „Augustusburg“, doch dürfte das in der Nähe von Oederan gelegene Frankenburg gemeint sein.
3 Richter 2009, Abb. 4.
4 Vgl. Zschoche 2006, S. 16.

Details zu diesem Werk

Beschriftung

Oben links datiert: "den 26t Juni .99." (Bleistift); rechts daneben: "Weg nach Frankenberg" (Bleistift); unten links datiert: "den 26t Juni 99." (Feder in Schwarz); innerhalb der Darstellung bezeichnet: "a", "b", "o", "Acker" (?) (alle Bleistift); auf dem Verso oben links datiert: "d 5 Juli/ .99." (Bleistift); links in der Mitte datiert: "d 7t Juli .99." (darüber mit Feder in Grau 1800) (Bleistift, Feder in Grau)

Unten rechts nummeriert: "5" (Bleistift)

Verso

Titel verso: Baumgruppen und Felsblöcke

Technik verso: Bleistift, schwarze und weiße Kreide

Provenienz

Harald Friedrich, Hannover, ? - 1906; Ankauf von diesem, 1906

Bibliographie

Christina Grummt: Caspar David Friedrich. Die Zeichnungen. Das gesamte Werk, Bd. 1, München 2011, S.40, 214-216, Abb., Nr.213

Richter, Frank: Caspar David Friedrich. Spurensuche im Dresdner Umland und in der Sächsischen Schweiz, Verlag der Kunst Dresden Ingwert Paulsen jr., Husum 2009, S.16, 140, Nr.9 (recto) 42 (verso), Abb.3 auf S. 139, S. 16 (recto) , S. 34 (verso)

Kretschmann, Thomas: Hainichen. Das Striegistal und Rossau, 2009, S.215-216, Abb.

Frank Richter: Caspar David Richter und die Sächsische Schweiz, in: Idea. Jahrbuch der Hamburger Kunsthalle 2005 bis 2007, Hamburg 2009, S.140, Abb.3

Caspar David Friedrich. Die Erfindung der Romantik, hrsg. von Hubertus Gaßner, Ausst.-Kat. Museum Folkwang, Essen; Hamburger Kunsthalle 2006, S.367, Abb.S. 166

Caspar David Friedrich. Die Briefe, hrsg. und kommentiert von Herrmann Zschoche, Hamburg 2005, S.17

Herrmann Zschoche: Caspar David Friedrich auf Rügen, Amsterdam/Dresden 1998, S.15 (recto)

Karl-Ludwig Hoch: Caspar David Friedrich in der Sächsischen Schweiz. Skizzen, Motive, Bilder, Dresden/ Basel 1995, S.20, Anm. 55 (verso)

Capar David Friedrich in seiner Zeit: Zeichnungen der Romantik und des Biedermeier, 6 Bde, hrsg. von Manfred Fath, Bd. 3, , Weinheim 1991, S.66, Nr.bei Nr. 10, Anm. 4

Caspar David Friedrich - seine Zeichnungen in der Hamburger Kunsthalle, Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle, Hamburg 1990, S.32, Nr.3

Caspar David Friedrich. Winterlandscape, hrsg. von John Leighton, Colin J. Bailey, Ausst.-Kat. The National Gallery, London 1990, S.59, Nr.bei Kat Nr. 5

Karl-Ludwig Hoch: Caspar David Friedrich und die Sächsische Schweiz, in: Pantheon. Internationale Jaheszeitschrift für Kunst 1990, Nr. 48, S. 130-134, S.131 (verso)

Colin J. Bailey: German nineteenth-century drawings. Catalogue of the collection of drawings in the Ashmolean Museum Oxfod, Bd. 5, Oxford 1987, S.36, Nr.bei Nr. 30

Helmut Börsch-Supan: Caspar David Friedrich. Landschaft als Sprache, München 1987, Abb.2 auf S. 14

Tina Grütter: Melancholie und Abgrund. Die Bedeutung des Gesteins bei Caspar David Friedrich, Berlin 1986, zugl. Zürich, Univ., Diss. 1984, S.109

Gerd Unverfehrt: Caspar David Friedrich, München 1984, Abb.Abb, Vorsatz (Detail)

Marianne Bernhard, Hans H. Hofstätter: Caspar David Friedrich. Das gesamte graphische Werk, München 1974, Abb.S. 96, S. 212 (verso)

Helmut Börsch-Supan, Karl Wilhelm Jähnig: Caspar David Friedrich. Gemälde, Druckgraphik und bildmäßige Zeichnungen, München 1973, S.47, Anm. 55, Nr.bei Kat. Nr. 190

Werner Sumowski: Caspar David Friedrich-Studien, Wiesbaden 1970, S.182, Nr.bei Nr. 5, Abb.402

Sigrid Hinz: Caspar David Friedrich als Zeichner. Ein Beitrag zur stilistischen Entwicklung und ihrer Bedeutung für die Datierung der Gemälde, Bd. 2, Greifswald, Univ., Diss. 1966, S.18, Nr.119

Alfred Lichtwark: Kunsthalle zu Hamburg. Verzeichnis der Geschenke und Erwerbungen des Jahres 1906, Hamburg 1906, S.42, Nr.103

Ausstellung deutscher Kunst aus der Zeit von 1775-1875. Zeichnungen, Aquarelle. Pastelle, Ölstudien. Miniaturen und Möbel, Ausst.-Kat. Königliche Nationalgalerie Berlin 1906, S.39, Nr.2415