Caspar David Friedrich
Bildnis des Bruders Christian Friedrich (Selbstbildnis?), um 1802
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Caspar David Friedrich

Bildnis des Bruders Christian Friedrich (Selbstbildnis?), um 1802

Caspar David Friedrich

Bildnis des Bruders Christian Friedrich (Selbstbildnis?), um 1802

Das Blatt ist neben dem Selbstbildnis mit aufgestütztem Arm (Inv.-Nr. 1932-153) das bekannteste Selbstbildnis Friedrichs. Alfred Lichtwark hatte erstmals das Blatt als Vorlage zu dem seitenverkehrten Holzschnitt angesehen, den der Bruder des Künstler, der Holzschnitzer Christian Friedrich, angefertigt hatte (Anm. 1), doch widersprach dieser Ansicht Carl Georg Heise, der das Blatt für kein Selbstbildnis hielt und die Autorschaft Friedrichs ablehnte.(Anm. 2) Seit Herbert von Einems Friedrich-Buch von 1938 wird das Blatt jedoch unwidersprochen als Selbstbildnis Friedrichs angesehen.
Helmut Börsch-Supan vermutete in dem Blatt „jedoch nicht die Vorlage, die Christian Friedrich unmittelbar für den Holzschnitt benutzt hat, denn die geordnetere Strichführung, die Bereicherung der Binnenzeichnung und der Schraffur des Hintergrundes, sowie die Klärung von Details der Kleidung, wodurch sich der Holzschnitt von der Zeichnung unterscheidet, dürfte auf Caspar David Friedrich zurückgehen. Es muß also eine verlorene Zeichnung als Zwischenglied angenommen werden. Die schmälere Proportion des Holzschnittes steigert den Eindruck des Aufragenden und Aufrechten.“(Anm. 3) Die Ansicht, dass es sich bei dem vorliegenden Blatt nicht um die endgültige Vorlage für den Holzschnitt handelt, hat sich in der Forschung aber nicht durchgesetzt, heute wird das Hamburger Blatt allgemein als Vorlage für den Holzschnitt angesehen. Tatsächlich sind die von Börsch-Supan beobachteten Unterschiede zu gering, als dass zwingend eine weitere Vorzeichnung vorhanden gewesen sein müsste. Der Einsatz der Feder nimmt bereits in der Zeichnung die Umsetzung in den Holzschnitt vorweg, dabei ist sie sehr getreu im gleichen Maßstab in den Holzschnitt umgesetzt worden, besonders im Gesicht und in den Haaren lassen sich kaum Unterschiede feststellen, die Angabe der Kleidung und des schraffierten Hintergrundes hat Friedrich dagegen in der Zeichnung als nicht so wichtig erachtet und die weitere Ausgestaltung dieser Details dem Holzschneider überlassen.
Dass es sich bei dem Hamburger Blatt um die unmittelbare Vorlage handelt, erhellt auch die technische Analyse: Neben der Bleistiftunterzeichnung, die vor allem am Halstuch, dem Rock und am Haar sichtbar ist, ist das Blatt – was bisher unbeobachtet blieb – an den Konturen teilweise durchgegriffelt. Dazu passt, dass es mit Öl getränkt wurde und auf dem Verso großflächig mit schwarzer Kreide geschwärzt und der Umrisskontur wiederholt wurde.(Anm. 4)
Der Physiognomie mit dem kurzen Haar und insbesondere dem Wangenbart nach zu urteilen, handelt es sich um ein Frühwerk. Entsprechend datierte von Einem das Blatt um 1800, doch hat sich seit Wilhelm Kästner die von ihm vorgeschlagene Datierung „um 1802“ durchgesetzt. Kästner hatte als Beleg für seine Datierung eine Miniatur von 1800 des dänischen Malers Johan Ludwig Lund heran gezogen, die sich im Kestner-Museum in Hannover befindet.(Anm. 5)
Börsch-Supan hat, da Holzschnitte im ausgehenden 18. und beginnenden 19. Jahrhunderts hauptsächlich als Buchschmuck Verwendung fanden, auch für Friedrichs Holzschnitt eine ähnliche Funktion vermutet. Möglicherweise plante Friedrich eine Publikation eigener Gedichte – zwei seiner überlieferten Gedichte stammen aus dem Jahr 1803 -, der er sein Selbstbildnis beigeben wollte.(Anm. 6) Diese Vermutung lässt sich bisher nicht bestätigen, auch muss zweifelhaft bleiben, ob die Reproduktion seines Selbstbildnisses einen aktuellen Anlass hatte. Möglicherweise plante Friedrich, die eher anspruchslose Selbstdarstellung an Freunde zu verschenken.(Anm. 7)

Peter Prange

1 Lichtwark 1905, S. 19-27.
2 Heise 1923/24, S. 273.
3 Börsch-Supan 1973, S. 263.
4 Ein Blatt in Privatbesitz, das Zschoche 2005, S. 20, Taf. 1, als Selbstbildnis Friedrichs veröffentlicht hat, soll dem Hamburger Blatt zeitlich vorausgehen - seine Bezeichnung des Hamburger Bildnisses als „Wiederholung“ suggeriert eine frühere Entstehung des Porträts in Privatbesitz -, doch handelt es sich sicher um eine wohl kaum eigenhändige Nachzeichnung nach dem Hamburger Blatt.
5 Kästner 1938, S. 38.
6 Börsch-Supan 1973, S. 47, Anm. 58.
7 Busch 2010, S. 7

Details zu diesem Werk

Beschriftung

Auf dem Verso: rechts in der Mitte nummeriert: "21" (Bleistift)

Verso

Titel verso: Durchzeichnung der äußeren Konturen (schwarze Kreide)

Provenienz

Harald Friedrich, Hannover, ? - 1906; Ankauf von diesem, 1906

Bibliographie

What makes a masterpiece, hrsg. von Christopher Dell, 2019, S.252-255, Abb.

Christina Grummt: Caspar David Friedrich. Die Zeichnungen. Das gesamte Werk, Bd. 1, München 2011, S.359-360, Abb., Nr.359

Friedrich. Runge. Klinkowström. Die Geburt der Romantik, Ausst.-Kat. Greifswald, Pommersches Landesmuseum, Greifswald 2010, Abb.S. 15

Werner Busch: Caspar David Friedrichs Selbsterkundung, in: Ähnlichkeit und Entstellung. Entgrenzungstendenzen des Porträts, hrsg. von Werner Busch, Oliver Jehle, Bernhard Maaz und Sabine Slanina, München-Berlin 2010, S. 72-73

Caspar David Friedrich und Umkreis, Ausst.-Kat. Galerie Hans, Hamburg 2008, S.36, Nr.bei Nr. 9

Helmut Börsch-Supan, Caspar David Friedrich. Gefühl als Gesetz, München 2008, S.134, Abb.130

Caspar David Friedrich. Die Erfindung der Romantik, hrsg. von Hubertus Gaßner, Ausst.-Kat. Museum Folkwang, Essen; Hamburger Kunsthalle 2006, S.360, Abb.S. 82 links

Caspar David Friedrich. Die Briefe, hrsg. und kommentiert von Herrmann Zschoche, Hamburg 2005, S.20

Werner Busch: Caspar David Friedrich. Ästhetik und Religion, München 2003, S.11, Anm. 1

Caspar David Friedrich - seine Zeichnungen in der Hamburger Kunsthalle, Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle, Hamburg 1990, S.33, Nr.19

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Gertrud Fiege: Caspar David Friedrich in Selbstzeugnissen und Bilddokumenten, hrsg. von Kurt Kusenberg, Reinbek bei Hamburg 1977, Abb.S. 6

Runge in seiner Zeit, hrsg. von Werner Hofmann, Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle 1977, S.271, Nr.283, Abb.

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Marianne Bernhard, Hans H. Hofstätter: Caspar David Friedrich. Das gesamte graphische Werk, München 1974, Abb.S. 339

Deutsche Romantik. Handzeichnungen. Band 1: Carl Blechen (1798-1840) bis Friedrich Olivier (1791-1859), hrsg. von Marianne Bernhard, München 1973., S.1989, Abb.S. 352

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Sigrid Hinz: Caspar David Friedrich als Zeichner. Ein Beitrag zur stilistischen Entwicklung und ihrer Bedeutung für die Datierung der Gemälde, Bd. 1, Greifswald, Univ., Diss. 1966, S.37, 41

Sigrid Hinz: Caspar David Friedrich als Zeichner. Ein Beitrag zur stilistischen Entwicklung und ihrer Bedeutung für die Datierung der Gemälde, Bd. 2, Greifswald, Univ., Diss. 1966, S.52, Nr.338

Kunst in Dresden 18.-20. Jahrhundert. Aquarelle - Zeichnungen - Druckgraphik. Ausstellung zur Erinnerung an die Gründung der Dresdner Kunstakademie 1746, Ausst.-Kat. Kurpfälzisches Museum, Heidelberg 1964, S.56, Nr.bei Kat. Nr. 176

Helmut Börsch-Supan: Die Bildgestaltung bei Caspar David Friedrich, München 1960, zugl. Berlin, Univ. Diss. 1958, S.74

Jens Christian Jensen: Die Bildniszeichnung der deutschen Romantik, Ausst.-Kat. Lübeck, St. Annen-Museum und Overbeck-Gesellschaft, 30. 6. - 15. 9.1957, Lübeck 1957, S.14, Nr.36

Deutsche Romantiker. 100 Gemälde und Zeichnungen aus der Hamburger Kunsthalle, Ausst.-Kat. Öffentliche Kunstsammlung, Basel 1949, S.18, Nr.13

Kurt Wilhelm-Kästner, Ludwig Rohling, Karl Friedrich Degner: Caspar David Friedrich und seine Heimat, Bekenntnisse Deutscher Kunst, Bd. 2, Berlin 1940, S.38, 64, Nr.3

Herbert von Einem: Caspar David Friedrich, Berlin 1938, S.9, Abb.2

Carl Georg Heise: Rezension von Willi Wolfradt: Caspar David Friedrich und die Landschaft der Romantik, Berlin 1924, in: Kunst und Künstler, Bd. XXII, 1923/24, S.273

Alfred Lichtwark: Holzschnitte von Caspar David Friedrich, in: Jahrbuch der Gesellschaft Hamburgischer Kunstfreunde II, Hamburg 1905, S. 19-27, S.19-27, Abb.