Arnold Houbraken ist in erster Linie als Vitenschreiber bekannt – seine zwischen 1718 und 1721 publizierte „Groote Schouburgh der Nederlantsche Konstschilders en Schilderessen“ ist die wichtigste biographische Quelle zur niederländischen Kunst des 17. Jahrhunderts. Houbraken war aber auch selbst als Künstler tätig. Ausgebildet bei dem ebenfalls aus Dordrecht stammenden Samuel van Hoogstraten, lag der Schwerpunkt seiner Zeichnungen auf biblischer, mythologischer und allegorischer Thematik.
Auf dem Hamburger Blatt werden die Flügel des Chronos durch zwei Frauengestalten beschnitten, ein Sinnbild für die „Überwindung der Zeit durch Jugend und Schönheit“.(Anm.1) Die untersichtige Perspektive klassifiziert die Darstellung als Deckenentwurf und nicht als Vorzeichnung zu einem Stich, wie noch von Stubbe (1963) behauptet wurde. Houbraken verwendete – anders als etwa sein Zeitgenosse Gerard de Lairesse (Anm.2) – die Röteltechnik in der Regel für eigenständige Zeichnungen oder Gemäldeentwürfe;(Anm.3) seine Stechervorlagen schuf er gewöhnlich in lavierter Feder (Inv.-Nr. 22053a).
Zwar ist kein direkt mit der Zeichnung korrespondierendes Bild bekannt, doch findet sich ein thematisch verwandtes Deckengemälde Houbrakens im Arent Maertenshofje in seiner Geburtsstadt Dordrecht.(Anm.4) Vielleicht bestand ein funktionaler Zusammenhang – dann wäre für unsere Zeichnung eine Entstehung vor Houbrakens Umzug nach Amsterdam (1709/10) in Betracht zu ziehen.
Eine im Stil verwandte unsignierte Rötelzeichnung im Hochoval wurde 1995 unter dem Namen des Gerard de Lairesse versteigert, ist aber wohl ebenfalls Houbraken zuzuordnen.(Anm.5)

Annemarie Stefes

1 Wohl in Anlehnung an das Gemälde von Simon Vouet im Prado, „Los Placeres y el tiempo“, 1627, Madrid, Museo del Prado, Inv.-Nr. 2987, Jacques Thuillier u.a.: Vouet, Ausst.-Kat. Paris, Galeries Nationales du Grand Palais, Paris 1990/91, Nr. 19.
2 Z. B. Lairesses Entwurf für das „Titelblatt der ‚Nederlandsche Historien‘ des P. C. Hooft“, um 1677, Privatbesitz, Alain Roy: Gérard de Lairesse, Paris 1992, Nr. D. 44.
3 Z. B. Köln, Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud, Graphische Sammlung, Inv.-Nr. Z 1876, Hella Robels: Niederländische Zeichnungen vom 15. bis 19. Jahrhundert im Wallraf-Richartz-Museum in Köln, Köln 1983, Nr. 327; Leipzig, Museum der Bildenden Künste, Inv.-Nr. N. I. 435.
4 „Allegorische Darstellung mit Mars und Chronos“, John Loughman: Een stad en haar kunstconsumptie: openbare en privé verzamelingen in Dordrecht. 1620-1718, in: Ausst.-Kat. Dordrecht 1992, S. 34-64, Abb. 10.
5 Aukt.-Kat. Amsterdam, Sotheby’s, 15. 11. 1995, Nr. 173, im RKD auch unter den Houbraken-Zeichnungen abgelegt. Stilistisch orientierte sich der junge Houbraken an Werken des eine knappe Generation älteren Lairesse, vgl. ein zwischen 1690 und 1700 entstandenes Gemälde in Amsterdam, Rijksmuseum, Inv.-Nr. SK-A-4942, Vom Adel der Malerei. Holland um 1700, hrsg. von Ekkehard Mai, Sander Paarlberg, Gregor J.M. Weber, Ausst.-Kat. Köln/Dordrecht/Kassel 2006, S. 156, Nr. 26.