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Antonio Pollaiuolo (Umkreis)
Johannes der TĂ€ufer (rechts) und ein Mann in einem Gewand (Christus?, Apostel?),
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Antonio Pollaiuolo (Umkreis)

Johannes der TĂ€ufer (rechts) und ein Mann in einem Gewand (Christus?, Apostel?),

Antonio Pollaiuolo (Umkreis)

Johannes der TĂ€ufer (rechts) und ein Mann in einem Gewand (Christus?, Apostel?)

Das Blatt gehört zu einer kleinen Gruppe von Zeichnungen im Kabinett, bei denen ein mehr oder weniger starker Einfluss der Kompositionen Antonio Pollaiuolos erkennbar ist.
Die aus bedeutenden englischen Sammlungen stammende Zeichnung mit Johannes dem TĂ€ufer und einer mĂ€nnlichen Figur – wahrscheinlich Christus – steht in Zusammenhang mit dem von Pollaiuolo fĂŒr das Baptisterium S. Giovanni in Florenz entworfenen Zyklus von Stickereien mit Szenen aus dem Leben Johannes des TĂ€ufers.(Anm.1) Dieser Auftrag der Konsuln der Mercanzia (Kaufmannszunft) wurde in den Jahren zwischen 1466 und ca. 1480 von elf namentlich bekannten Stickern ausgefĂŒhrt. Im Museo dell’Opera del Duomo in Florenz haben sich 27 dieser Stickereien erhalten, die fĂŒr verschiedene MessgewĂ€nder gedacht waren. Dagegen sind offensichtlich keine direkten Entwurfszeichnungen Pollaiuolos nachweisbar.
Vergleicht man die erhaltenen Stickereien mit der Zeichnung, so fĂ€llt auf, dass es keine exakten Entsprechungen gibt. Es finden sich jedoch zahlreiche Details der Figuren in den Werken wieder. So entspricht die Figur des TĂ€ufers weitgehend derjenigen auf der Stickerei „Die Zöllner befragen Johannes“ (Lukas 2, 12–13).(Anm.2) Unterschiedlich ist, dass Johannes auf der Zeichnung in Bewegung dargestellt ist und zudem keinen Umhang trĂ€gt. Diese Charakteristika finden sich wiederum stĂ€rker ausgeprĂ€gt auf der Stickerei „Johannes begegnet dem Hohenpriester“ (Anm.3). Auch die links stehende Figur vereint Elemente verschiedener Figuren aus dem Johannes-Zyklus. Die Haltung der Arme und HĂ€nde und teilweise die Gewandung gehen auf den rechts stehenden Mann auf der Stickerei „Johannes verehrt Christus“ zurĂŒck.(Anm.4) Die Physiognomie erinnert eher an diejenige von Christus auf derselben Stickerei. Es kann also mit einiger Vorsicht gefolgert werden, dass es sich bei der linken Figur um eine Darstellung Christi handelt. Interessanterweise werden sowohl bei Johannes dem TĂ€ufer als auch bei der Christus Ă€hnelnden Figur die auf den Stickereien stets verwendeten Heiligenscheine fortgelassen.
Die Beispiele fĂŒr Ähnlichkeiten ließen sich noch ergĂ€nzen. Hieraus wird deutlich, dass die Hamburger Gruppe sehr gut in das Formenrepertoire der EntwĂŒrfe fĂŒr den Johannes-Zyklus passt. Denkbar wĂ€re daher sogar, dass die Zeichnung das Detail eines nicht umgesetzten Entwurfs Pollaiuolos – z. B. fĂŒr eine Begegnung zwischen Christus und Johannes dem TĂ€ufer – ĂŒberliefert.(Anm.5) Andererseits ist aber auch vorstellbar, dass hier ein Zeichner in Kenntnis der EntwĂŒrfe fĂŒr die Stickereien kompilatorisch und nachschöpfend tĂ€tig gewesen ist.
Wenn auch die Funktion des Hamburger Blattes nicht vollkommen schlĂŒssig zu klĂ€ren ist, so dĂŒrfte seine Entstehung doch relativ sicher im nĂ€heren Umkreis von Pollaiuolo, vielleicht in seiner Werkstatt, im letzten Drittel des 15. Jahrhunderts, anzusetzen sein.
In Lille befindet sich eine kĂŒnstlerisch schwache Zeichnung, die hinsichtlich der Komposition mit dem Hamburger Blatt ĂŒbereinstimmt.(Anm.6) Allerdings sind dort die Figuren gegenĂŒber den deutlich umrissbetonten Körpern in Hamburg stĂ€rker durchgezeichnet, wie z. B. die Muskeln und Sehnen an den frei liegenden Körperteilen verdeutlichen. Zudem sind die beiden MĂ€nner in eine felsige Landschaft hineingestellt. Technisch deutlich unterschiedlich zur Hamburger Zeichnung ist ein Blatt in Berlin, auf dem die oben erwĂ€hnte Szene „Die Zöllner befragen Johannes den TĂ€ufer“ exakt der Stickerei folgend wiedergegeben ist.(Anm.7)
Conrad Martin Metz fertigte ein kĂŒnstlerisch wenig ĂŒberzeugendes Faksimile der Hamburger Zeichnung an.(Anm.8)

David Klemm

1 Sascha Schwabacher: Die Stickereien nach EntwĂŒrfen des Antonio Pollaiuolo in der Opera di S. Maria del Fiore zu Florenz, Zur Kunstgeschichte des Auslandes, H. 83, Straßburg 1911; Alison Wright: The Pollaiuolo Brothers. The Arts of Florence and Rome, New Haven, London 2005, S. 257–285.
2 Sascha Schwabacher: Die Stickereien nach EntwĂŒrfen des Antonio Pollaiuolo in der Opera di S. Maria del Fiore zu Florenz, Zur Kunstgeschichte des Auslandes, H. 83, Straßburg 1911, Taf. XIV.
3 Ebd., Taf. XXIX.
4 Ebd., Taf. XVI.
5 Eine vergleichbare Zweiergruppe findet sich z. B. auf der Stickerei „Johannes der TĂ€ufer begegnet dem Hohenpriester“. Sascha Schwabacher: Die Stickereien nach EntwĂŒrfen des Antonio Pollaiuolo in der Opera di S. Maria del Fiore zu Florenz, Zur Kunstgeschichte des Auslandes, H. 83, Straßburg 1911, Taf. XXIX.
6 Lille, Palais des Beaux-Arts, Inv.-Nr. Pl. 670; vgl. Barbara Brejon de Lavergnée: Catalogue des Dessins Italiens. Collections du Palais des Beaux-Arts de Lille, Paris 1997, S. 420.
7 Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett, KdZ 5028; Die italienischen Zeichnungen des 14. und 15. Jahrhunderts im Berliner Kupferstichkabinett, bearb. v. Hein-Th. Schulze Altcappenberg, hrsg. v. Staatliche Museen zu Berlin, Preußischer Kulturbesitz, Ausst.-Kat. Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett, SaarbrĂŒcken, Saarland Museum, Berlin 1995, S. 253–254, Nr. 138.
8 Conrad M. Metz: Imitations of Ancient and Modern Drawings from the Restoration of the Arts in Italy to the Present Time (...), London 1798; vgl. Rudolph Weigel: Die Werke der Maler in ihren Handzeichnungen. Beschreibendes Verzeichniss der in Kupfer gestochenen, lithographirten und photographirten Facsimiles von Originalzeichnungen grosser Meister, Leipzig 1865, S. 515, Nr. 51. Ein Exemplar dieses Druckes gelangte mit der Zeichnung in die Sammlung.

Details zu diesem Werk

Beschriftung

Auf dem Blatt unten links bezeichnet: "WE." (ligiert); unterhalb davon: Stempel der Sammlung Reynolds (L. 2364); unten in der Mitte Stempel der Sammlung Richardson (L. 2184); unten rechts nummeriert: "16" (Bleistift); auf dem Untersatzkarton nummeriert: "7" (Feder in Schwarz); "36" (Bleistift), rechts davon nummeriert: "W 323" (Bleistift); unterhalb davon nummeriert: "5" (Bleistift); rechts davon bezeichnet: "Ant°. Pollaiolo. 1426." (Feder in Braun); nummeriert: "25 (Bleistift); auf dem Verso oben in der

Provenienz

Jonathan Richardson sen. (1665-1745), London (L. 2184); Sir Joshua Reynolds (1723-1792), London (L. 2364); Conrad Martin Metz (1749-1827) (laut Angabe bei Weigel 1865, S. 515); William Roscoe (1753-1831), Liverpool (L. 2645); John Thane (1748-1818), London (L. 1544); William Esdaile (1758-1837), London (L. 2617); englischer Sammler[Namen im Auktionskatalog Esdaile 1840 nicht genau zu entziffern], Samuel Woodburn (1786-1853), London (L. 2584); auf dessen Nachlaßauktion (Lugt, Ventes 21988) als Botticelli erworben (NH Ad : 03 : 16, Sp.12); NH Ad : 02 : 01, S. 210 (als Botticelli); NH Ad : 01 : 03, fol. 91 als Botticelli: "St Johann Baptist und ein andrer Heiliger. Feder und Oker auf gelb grundirtem Papier. 5.5. 5.6. Samml. Richardson. Jos. Reynolds. Roscoe und Esdaile 1816. Nebst Facsimilie aus Ottley's Werke[irrtĂŒmlich, da das Faksimile von Metz stammt], worauf die Zeichnung dem Ant. Pollaiuolo zugeschrieben." / [am Rand:] "Sehr vorzĂŒglich"; Legat Harzen 1863 an die "StĂ€dtische Gallerie" Hamburg; 1868 der Stadt ĂŒbereignet fĂŒr die 1869 eröffnete Kunsthalle

Bibliographie

David Klemm: Italienische Zeichnungen 1450-1800. Kupferstichkabinett der Hamburger Kunsthalle, Die Sammlungen der Hamburger Kunsthalle Kupferstichkabinett, Bd. 2, Köln u. a. 2009, S.297-298, Nr.438

Wilhelm Koopmann: Einige weniger bekannte Handzeichnungen Raffaels, in: Jahrbuch der Königlich Preußischen Kunstammlungen 12, 1891, S. 40-49, S.41

A Catalogue of the Very Important Collection of the late William Esdaile, Esq. Part III. Comprising Drawings, by Italian, German, Flemish, and Dutch Masters; which will besold by Auction,, Christie and Manson, 18.-23. 6. 1840, London, 1840, S.5, Nr.1

Catalogue of the Genuine and Entire Collection of Drawings and Pictures, The Property of William Roscoe Esq. which will be sold by Auction, By Ma. Winstanley, at his Rooms in Marble Street, Liverpool, on Monday 23d September, and the Five Following Days, 1816, S.9, Nr.36