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Anthonis Mor, Zeichner, ehemals zugeschrieben
Studie eines bÀrtigen Mannes im Profil nach rechts, 1570 - 1600
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Anthonis Mor, Zeichner, ehemals zugeschrieben

Studie eines bÀrtigen Mannes im Profil nach rechts, 1570 - 1600

Anthonis Mor, Zeichner, ehemals zugeschrieben

Studie eines bÀrtigen Mannes im Profil nach rechts, 1570 - 1600

Mit breitem Kohlestrich ist das PortrĂ€t eines bĂ€rtigen Herrn im Profil wiedergegeben. Verso findet sich die Ă€hnlich summarisch angelegte Studie eines Feldherrn in RĂŒstung.
Nicht lĂ€nger aufrecht zu erhalten ist die alte Zuschreibung an Anthonis Mor. Nur eine Zeichnung kann ihm – unter Vorbehalt – zugewiesen werden, und zu dieser fehlt der stilistische Bezug.(Anm.1) Auch die Verwandtschaften mit gemalten PortrĂ€ts des KĂŒnstlers sind eher grundsĂ€tzlicher Natur.(Anm.2) Generell haben sich aus dem 16. Jahrhundert nur sehr wenige PortrĂ€tzeichnungen erhalten.(Anm.3) Aus diesem Grund ist eine Bestimmung des Urhebers ohne Bezug zu einem korrespondierenden GemĂ€lde so gut wie unmöglich.
Allerdings lassen sich der Kleidung wichtige Hinweise fĂŒr die zeitliche Einordnung des Blattes entnehmen. Der Dargestellte trĂ€gt einen breiten Kragen, wie er zwischen 1580 und 1600 weit verbreitet war.(Anm.4) Die in diesem Kontext altmodisch wirkende krempenlose Kappe(Anm.5) ist möglicherweise als „Platzhalter“ fĂŒr eine spĂ€ter detaillierter auszufĂŒhrende Studie zu verstehen. Eine Ă€hnliche Inkongruenz der KostĂŒme lĂ€sst sich auch auf der Verso-Studie beobachten: WĂ€hrend der rechts skizzierte hohe Helm an Rubens’ nur in Kopie ĂŒberliefertes Reiterbildnis Erzherzog Albrechts von 1617 erinnert,(Anm.6) begegnet der darĂŒber gezeichnete flache Hut Ă€hnlich auf einem um 1545 datierten Holzschnitt des Cornelis Anthonisz (H. 30).
In Barttracht und Kragen erinnert die Recto-Zeichnung an ein GemĂ€lde des Isaac Claesz. van Swanenburg (1537–1614) aus dem Jahre 1592.(Anm.7) Zu dem ĂŒberschaubaren zeichnerischen ƒuvre dieses KĂŒnstlers, grĂ¶ĂŸtenteils bestehend aus lavierten Federzeichnungen, fehlt ein unmittelbarer stilistischer Kontext, doch finden sich Verwandtschaften zwischen der Verso-Studie und einem gezeichneten „SchĂŒtzenstĂŒck“ in den Umrissen und der schwungvollen, doch schematisch verkĂŒrzten Gestaltung von GesichtszĂŒgen, Haaren und Bart.(Anm.8) Um eine Zuweisung an Van Swanenburgh fĂŒr das Hamburger Blatt abzuleiten, sind diese BezĂŒge zu allgemein, doch können sie mindestens die zeitliche Einordnung und die Verankerung im hollĂ€ndischen Kulturkreis bestĂ€tigen.


1 „Bildnis des Carolus Clusius“, um 1565, Rotterdam, Museum Boijmans Van Beuningen, Inv.-Nr. N 188 (schwarze und rote Kreide, 303 x 231 mm), Egbert Haverkamp Begemann: Vijf Eeuwen Tekenkunst, Rotterdam 1957, Nr. 7. Bei dem lange fĂŒr Mor gehaltenen „Bildnis des Lambert Lombard“ in Amsterdam wird es sich wohl um eine Kopie des 17. Jahrhunderts nach verlorenem Original handeln: Amsterdam, Rijksprentenkabinet, Inv.-Nr. RP-T-1893-A-2780, Karel G. Boon: Netherlandish Drawings of the Fifteenth and Sixteenth Centuries, Catalogue of the Dutch and Flemish Drawings in the Rijksmuseum, 2Bde. Den Haag 1978, Nr. 375.
2 Vgl. etwas das Feldherrnbildnis auf der RĂŒckseite des Blattes mit Mors „Bildnis des jungen Wilhelm von Oranien“ von 1555, Museumslandschaft Hessen Kassel, GemĂ€ldegalerie Alte Meister, Inv.-Nr. 479, Max Jacob FriedlĂ€nder: Antonis Mor and His Contemporaries, hrsg. von Henri Pauwels und G. Lemmens, Early Netherlandish Painting, Bd. 13, Leyden 1975, Nr. 355; vgl. auch ein Frans Pourbus (I) (1545-1581) zugeschriebenes, möglicherweise nach Vorlage Mors kopiertes Feldherrnbildnis, Standort unbekannt, Aukt.-Kat. Berlin, Lepke, 12. 6. 1918, Nr. 80.
3 Zu den wenigen Beispielen gehören je eine Zeichnung von Willem Key, Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett, Inv.-Nr. KdZ 14727, Von Bruegel bis Rubens. Das goldene Jahrhundert der flÀmischen Malerei, Ausst.-Kat. Köln, Wallraf-Richartz-Museum, Antwerpen, Koninklijk Museum voor Schone Kunsten, Wien, Kunsthistorisches Museum, 1992/93, Nr. 115.1, und Adrian Thomasz. Key, Wien, Grafische Sammlung Albertina, Inv.-Nr. 14269, Otto Benesch: Die Zeichnungen der NiederlÀndischen Schulen des XV. und XVI. Jahrhunderts, Beschreibender Katalog der Handzeichnungen in der Graphischen Sammlung Albertina, Bd. 2, Wien 1928, Nr. 129.
4 Hinweis von Rudi Ekkart, 13. 5. 2009.
5 Vergleichbare Kopfbedeckungen begegnen auf dem Jan van Scorel zugeschriebenen Bildnis der „Mitglieder der Utrechter Jerusalemsbruderschaft“, um 1541, Utrecht, Centraal Museum, Inv.-Nr. 2376.
6 Privatbesitz, Albrecht & Isabella, Ausst.-Kat. BrĂŒssel, MusĂ©es Royaux d'Art et d'Histoire, Turnhout 1998, Nr. 64. – FĂŒr den Feldherrn in RĂŒstung lassen sich auch Stiche wie das „Bildnis Erzherzog Albrechts“ in der 1604 erschienenen „HeldenrĂŒstkammer Erzherzog Ferdinands II.“ zum Vergleich heranziehen, Albrecht & Isabella, Ausst.-Kat. BrĂŒssel, MusĂ©es Royaux d'Art et d'Histoire, Turnhout 1998, Nr. 71, Abb. S. 71.
7 „PortrĂ€t des Allaert Pietersz. Boelens“, Schloss Surenburg, Ekkart 1998, Abb. 54. Eine gewisse NĂ€he besteht darĂŒber hinaus zu dem 1568 datierten SelbstportrĂ€t des KĂŒnstlers, Leiden, Stedelijk Museum De Lakenhal, Inv.-Nr. S 1738, ebd. Abb. 38.
8 Um 1600, Amsterdam, Rijksprentenkabinet, Inv.-Nr. RP-T-1905-97, Rudolf E. O. Ekkart: Isaac Claesz. van Swanenburg 1537-1614. Leids schilder en burgemeester, Zwolle 1998, Abb. 79.

Details zu diesem Werk

Beschriftung

Auf dem Verso unten rechts Stempel der Hamburger Kunsthalle (L. 1233)

Wasserzeichen / Kettenlinien

-
ca. 28-29 mm (v), einmal abweichend 14 mm (v)

Verso

Titel verso: Stehender Mann in RĂŒstung, Einzelstudien eines Helms und eines federgeschmĂŒckten Hutes

Technik verso: Kohle

Provenienz

1957 erworben im Buch- und Kunstantiquariat Heinrich Vetter, MĂŒnchen, aus Mitteln der Campe'schen Historischen Kunststiftung

Bibliographie

Stefes, Annemarie: NiederlĂ€ndische Zeichnungen 1450-1850. Katalog I Van Aken-Murant, hrsg. von Gaßner, Hubertus und Stolzenburg, Andreas, Die Sammlungen der Hamburger Kunsthalle Kupferstichkabinett, Bd. 3, Böhlau Verlag Köln Weimar Wien 2011, S.392-393, Nr.690

Die Campe'sche Historische Kunststiftung. Erwerbungen seit 1945, Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle; Museum fĂŒr Kunst und Gewerbe Hamburg, Hamburg 1964, S.26, Nr.282

Alfred Hentzen: Hamburger Kunsthalle. Erwerbungen 1951-1957, in: Jahrbuch der Hamburger Kunstsammlungen 3, 1958, , S.197, Abb.

Wolf Stubbe: Hamburger Kunsthalle. Erwerbungen 1951-1957. II. Handzeichnungen, in: Jahrbuch der Hamburger Kunstsammlungen 3, 1958, S. 192-218, S.203, Abb.10