Die unsignierte Zeichnung galt bislang als eigenhändiges Werk des Anthonie van Borssum. Jedoch hielt schon Sumowski das Blatt für eine Imitation von fremder Hand, und dies zu Recht.(Anm.1) Zwar sind einzelne Partien durchaus gekonnt wiedergegeben, insgesamt wirkt die Linienführung jedoch zu wenig entschieden bei Gegenüberstellung mit motivisch verwandten Van Borssom-Zeichnungen.(Anm.2) Partien wie der Baum mit den häkchenartig markierten Zweigen weisen eindeutig auf eine Entstehung im 18. Jahrhundert.(Anm.3)
Unsere Zeichnung wurde bei leichten Vereinfachungen im Detail gegenseitig im „Ploos-Procedée“ reproduziert von Henricus Spilman (1721–1784). Die Beischrift dieser Radierung – „v Borsum H. Spillman“ – verweist auf Inventor und Stecher. Ein Exemplar dieses Druckes war schon auf der Auktion Verbrugge (1831) der Zeichnung beigegeben und befindet sich heute im Besitz der Hamburger Kunsthalle.(Anm.4) Für die vorliegende Zeichnung kann, ausgehend von den Übertragungsspuren, ein direkter funktioneller Zusammenhang mit dem Reproduktionsstich angenommen werden.(Anm.5)
Dabei ist Spilman selbst als Zeichner des Blattes auszuschließen, wie die Abweichungen im Detail nahe legen und das für Spilman untypische Bäumchen links, das auf der Radierung stark vereinfacht wiedergegeben wurde. Bei vorliegender Zeichnung handelt es sich daher entweder um eine von unbekannter Hand zum Zwecke der Reproduktion angefertigte Kopie nach einer bislang unbekannten Van Borssom-Zeichnung, oder um eine seinerzeit nicht erkannte Fälschung aus dem 18. Jahrhundert.(Anm.6)

Annemarie Stefes

1 Brief vom 27. 5. 1971.
2 Z. B. „Winterlandschaft mit Eisläufern“, Otterloo, Kröller-Müller Museum, Inv.-Nr. K1.1,32, Sumowski 2, 1979, Nr. 320; vgl. auch Zeichnungen in Boston, Sammlung Maida und George Abrams, ebd. Nr. 319, und Paris, Fondation Custodia, Inv.-Nr. 2650 und Inv.-Nr. 4540, ebd. Nr. 305, Mària van Berge-Gerbaud: Rembrandt et son école. Dessins de la collection Frits Lugt, Paris 1997, Nr. 31 und 32.
3 Freundlicher Hinweis von Robert-Jan te Rijdt, 24. 10. 2009 auf Grundlage einer Digitalphotographie.
4 Inv.-Nr. 21734 a, Wurzbach 20; das für diesen Abzug verwendete Papier ist grober strukturiert als der Bildträger der Zeichnung und wirkt darin moderner.
5 Wie bei rückseitiger Betrachtung gut zu erkennen, wurden die Konturen teilweise mit fetthaltigem Material nachgezogen.
6 Robert-Jan te Rijdt, siehe Anm. 3.