Anonym, Oberitalien, 2. Hälfte 15. Jahrhundert
Prometheus belebt den ersten Menschen,
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Anonym, Oberitalien, 2. Hälfte 15. Jahrhundert

Prometheus belebt den ersten Menschen,

Anonym, Oberitalien, 2. Hälfte 15. Jahrhundert

Prometheus belebt den ersten Menschen

Das auf der Auktion der Sammlung Mouriau 1858 als „Mantegna“ angebotene Blatt wurde im Kupferstichkabinett aufgrund der erheblichen Unterschiede zum Zeichenstil dieses Künstlers unter die anonymen Italiener des 15. Jahrhunderts eingeordnet. Denkbar ist jedoch eine Herkunft aus dem von Mantegna beeinflussten Paduaner Kunstkreis des dritten Viertels des 15. Jahrhunderts. Die verhaltene Berührung zweier nackter Männer zeigt auch ein Blatt im British Museum, das ehemals Antonio Pollaiuolo, von Popham/Pouncey dann aber einem anonymen Künstler der Region von Padua zugeordnet worden ist.(Anm.1) Dieses Blatt ist jedoch feiner gezeichnet und gibt die Anatomie der Männer exakter wieder.
Die Hamburger Zeichnung zeigt wohl den antiken Mythos, nach dem Prometheus den ersten Menschen erschafft (Ovid, Metamorphosen, I, 76–88). Diese Überlieferung wurde in der Antike wiederholt dargestellt, wobei offensichtlich der Schöpfungsvorgang vor allem als bildhauerischer Akt gezeigt worden ist.(Anm.2) Dabei wird Prometheus stets deutlich größer als der von ihm geformte erste Mensch gestaltet.
In der Renaissance und im weiteren Verlauf des 16. Jahrhunderts ist das Thema relativ selten nachweisbar. Immerhin wurden damals offensichtlich erstmals Darstellungen gewählt, die Prometheus und den ersten Menschen in gleicher Größe zeigen. Eine mit der Hamburger Lösung vergleichbare Komposition der beiden stehenden Figuren zeigt ein anonymer Kupferstich nach Hendrick Goltzius.(Anm.3) Übereinstimmend sind Prometheus’ zarte Berührung mit der linken Hand sowie die Nacktheit und das lange Haar beim ersten Menschen.

David Klemm

1 British Museum, Department of Prints and Drawings, Inv.-Nr. 1854-6-28–59; Arthur Ewart Popham, Philip Pouncey: Italian Drawings in the Department of Prints and Drawings in the British Museum. The Fourteenth and Fifteenth Centuries, 2 Bde., London 1950, I, S. 194, Nr. 310.
2 Lexicon Iconographicum Mythologiae Classicae, Zürich, München 1986 VII, 1, S. 543–547; VII, 2, Tafeln 428–430.
3 The Illustrated Bartsch 3 (3), 32 (104).

Details zu diesem Werk

Beschriftung

Unten links: Stempel der Sammlung Mouriau (L. 1853); Reste einer Umfassungslinie (Feder in Dunkelbraun); auf dem Verso in der Mitte Stempel der Hamburger Kunsthalle (L. 1328); unten links: Stempel der Sammlung Mouriau (wie bei L. 1853, aber gezeichnet, wohl nicht vom Sammler), rechts davon bezeichnet: "Mouriau." (unterstrichen, Bleistift); unten rechts bezeichnet: "Mantegna" (unterstrichen, Bleistift)

Wasserzeichen / Kettenlinien

WZ: Taukreuz/Antoniuskreuz in einkonturigem Kreis; ähnelt vom Typus Briquet 9126-9135.

Provenienz

Sammlung A. Mouriau.(Mitte 19. Jh.), Belgien (L. 1853); erworben vom Kunstmakler Christian Meyer (1811-1886), Hamburg (nicht bei Lugt), von diesem verkauft am 15.03.1866 an die „Städtische Gallerie“ Hamburg (Hamburger Kunsthalle, Archiv, Eingangsbuch „Inventarium der hamburgischen städtischen öffentlichen Gemälde Gallerie“, S. 77, Nr. 18 als „Mantegna“), übergegangen 1869 in den Besitz der Kunsthalle.

Bibliographie

David Klemm: Italienische Zeichnungen 1450-1800. Kupferstichkabinett der Hamburger Kunsthalle, Die Sammlungen der Hamburger Kunsthalle Kupferstichkabinett, Bd. 2, Köln u. a. 2009, S.384-385, Nr.584

Catalogue de la riche Collection de dessins anciens, composant le Cabinet de M. A. Mouriau, ancien Capitaine au service de Belgique, 11./12.3.1858, M. Delbergue-Cormont, Paris, Hotel des Commissaires-Priseurs 1858, S.32, Nr.175