Anonym (niederländisch), (?)
Grablegung Christi, um 1590
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Anonym (niederländisch), (?)

Grablegung Christi, um 1590

Anonym (niederländisch), (?)

Grablegung Christi, um 1590

Dieses mit einem Konvolut vorwiegend spanischer Arbeiten erworbene Blatt wurde in der Kunsthalle den anonymen Niederländern zugeordnet. Julius Held indes hielt in einer Karteinotiz eine italienische Hand aus dem Cambiaso-Kreis für wahrscheinlicher, was angesichts der Lichtwirkung und der feinlinearen Durchbildung grundsätzlich nachzuvollziehen ist.(Anm.1) Die manieristisch gelängten Proportionen, besonders im Hintergrund, deuten jedoch eher auf niederländischen Kontext: Komposition und Figurentypen erinnern an Gemälde und Stiche aus dem Kreis um Maerten de Vos, z. B. dessen gestochene Grablegungen von 1584 (H. 673) und von 1587/88 (H. 391).(Anm.2) Die grundsätzliche Verwandtschaft mit einer gemalten Grablegung des Hendrick de Clerck (1570–1630) lässt an eine Entstehung um 1590/1600 denken.(Anm.3)
Eine von Fritz Koreny vorgeschlagene Verbindung zu Karel van Mander ist hingegen wenig wahrscheinlich, auch wenn man geneigt wäre, die Beischrift unten links in diesem Sinne zu deuten.(Anm.4) Die ähnlich auf Stichen Van Manders der 1590er Jahre (H. 2, H. 4) zu beobachtenden Kostüme bestätigen allenfalls den zeitlichen Kontext.
Angesichts dieser stilistischen Anhaltspunkte wird es sich wohl um die Arbeit eines unbekannten, vermutlich in Italien tätigen Niederländers handeln.(Anm.5) Schematische Abbreviaturen in der Andeutung von Gesichtszügen, Kopftüchern und Füßen sowie anatomische Ungeschicklichkeiten wie dem zu kurz proportionierten linken Unterarm Christi wären auch als Hinweis auf Kopistenhand nach möglicherweise gemalter Vorlage zu deuten.

Annemarie Stefes

1 Undatierte Karteinotiz im Archiv des Kupferstichkabinetts der Hamburger Kunsthalle, vgl. Cambiasos „Hl. Familie“, Paris, Musée du Louvre, Département des Peintures, Inv.-Nr. 9236.
2 Für den mit Reliefs verzierten Sarkophag kann grundsätzlich Van Manders „Grablegung“ (H. 672) zum Vergleich herangezogen werden; vgl. auch Jan van der Straets vor 1584 gestochene „Grablegung“, Baroni Vannucci 1997, Nr. 694.36, mit Vorzeichnung in Florenz, Gabinetto Disegni e Stampe degli Uffizi, Inv.-Nr. 7785F, ebd. Nr. 407.
3 Cambrai, Musée Municipal de Cambrai, Inv.-Nr. 24, Le siècle de Rubens dans les collections publiques francaises, Ausst.-Kat. Paris, Grand Palais 1977, Nr. 20.
4 Vorgeschlagen bei Ansicht des Originals, 19. 4. 2005. Vgl. die Signatur auf Van Manders „Raub der Europa“, 1589, Leiden, Prentenkabinet der Universiteit, Inv.-Nr. PK-T-AW-1050, Marjolein Leesberg: Karel van Mander, hrsg. von Huigen Leeflang, Christiaan Schuckman, The new Hollstein. Dutch & Flemish Etchings, Engravings and Woodcuts 1450-1700, Bd. (6), Rotterdam 1999, Abb. 3. Gode Krämer würde die Beischrift als „S Brandes“ deuten (mündlich, 29. 10. 2004, nach Ansicht des Originals).
5 Soweit durch die Kaschierung zu erkennen, handelt es sich bei dem Trägermaterial um italienisches Papier.

Details zu diesem Werk

Beschriftung

unten links Spuren einer Beischrift: "nran [?] ["M" oder "B"] ander [? oder andes]" (sehr undeutlich, schwarze Kreide); unten Mitte: "R" (Feder in Braun), rechts: "Jc [?ligiert?] real [? oder "ce?]" (Feder in Braun)

Wasserzeichen / Kettenlinien

-
ca. 27 mm (h)

Provenienz

1891 erworben bei Bernard Quaritch, London (Inventar Bd. XI, 1933-38, S. 59: "aus einem im Jahre 1891 für L[engl. Pfund] 180 angekauften Konvolut vorwiegend spanisch. Handzeichnungen")

Bibliographie

Stefes, Annemarie: Niederländische Zeichnungen 1450-1850. Katalog II van Musscher - Zegelaar, hrsg. von Gaßner, Hubertus und Stolzenburg, Andreas, Die Sammlungen der Hamburger Kunsthalle Kupferstichkabinett, Bd. 3, Böhlau Verlag Köln Weimar Wien 2011, S.652-653, Nr.1247