Anonym (niederländisch, 17. Jh.) Jan Abrahamsz. Beerstraaten, Umkreis
Ansicht einer Burg mit halb verfallenem Turm,
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Anonym (niederländisch, 17. Jh.) Jan Abrahamsz. Beerstraaten, Umkreis

Ansicht einer Burg mit halb verfallenem Turm,

Anonym (niederländisch, 17. Jh.) Jan Abrahamsz. Beerstraaten, Umkreis

Ansicht einer Burg mit halb verfallenem Turm

Wohl aufgrund des Motivs wurde die Zeichnung mit Jan van Goyen assoziiert. Am Wasser gelegene Schlösser zählten in der Tat zu seinem Standardrepertoire, und in der Komposition finden sich Anklänge an Gemälde wie das 1643 datierte „Schloss mit Wassertor“ oder das „Große Schloss mit vielen Anbauten“ aus dem Jahre 164(7).(Anm.1)
Vor der Zuschreibungsproblematik stellt sich jedoch die Frage, ob diese Ansicht einer teilweise von Wasser umgebenen Burg nach dem Leben aufgenommen wurde oder ob es sich um eine Phantasieansicht handelt. Angesichts der flüchtigen Ausführung und mit Blick auf den im Sinne einer „Blindzone“ undefinierten Vordergrund möchte man ersteres favorisieren. Dabei interessierten den Zeichner in erster Linie die baulichen Details und das verfallene Mauerwerk.
Bislang konnte das dargestellte Schloss nicht identifiziert werden. Grundsätzlich sind Eigenheiten wie die überdachten Wehrgänge untypisch für nordniederländische Architektur und weisen eher auf flämischen oder deutschen Kontext.(Anm.2) Daraus ergibt sich nicht zwangsläufig die Autorschaft eines flämischen Künstlers. Unter den Architekturaufnahmen des 17. Jahrhunderts stehen unserem Blatt einige Zeichnungen Simon de Vliegers recht nahe;(Anm.3) stärker aber noch sind die Bezüge zu Zeichnungen des Jan Abrahamsz. Beerstraaten. Dies betrifft die sorgfältige Wiedergabe der maroden Strukturen, aber auch die breit mit dem Pinsel angedeutete Vegetation.(Anm.4) Beerstraatens Schlossansichten sind in der Regel sorgfältiger gearbeitet, aber diese Unterschiede wären vielleicht auf die verschiedenen Funktionen von Skizze und Reinzeichnung zurückzuführen.(Anm.5)

Annemarie Stefes

1 Standort unbekannt, Beck 1973, Nr. 658; deutscher Privatbesitz, ebd. Nr. 683. – Näher noch stehen unserem Blatt Kompositionen der Haarlemer Van Goyen-Nachfolger Frans de Hulst (um 1606–1661) und Wouter Knijff (um 1606/07–1694), denen bislang jedoch keine Zeichnungen zugeschrieben werden konnten, vgl. Hans-Ulrich Beck: Künstler um Jan van Goyen. Maler und Zeichner, Doornspijk 1991, S. 235 und S. 185, 186; vgl. De Hulsts „Stadtmauer mit Befestigungen“, Staatliche Museen zu Berlin, Gemäldegalerie (Kriegsverlust), Inv.-Nr. 882 b, Hans-Ulrich Beck: Künstler um Jan van Goyen. Maler und Zeichner, Doornspijk 1991, Nr. 532; oder Knijffs „Ufermauer mit Bastion und Rundturm“, Standort unbekannt, ebd. Nr. 673; „Rundbastion mit sechseckigem Turmanbau“, Haarlem, Frans Hals Museum, Inv.-Nr. OS I-235, ebd. Nr. 630.
2 Erik Löffler, Mitteilung vom 7. 10. 2009 auf Grundlage einer Digitalphotographie. Löffler glaubte angesichts der eng benachbarten Türme, dass es sich um eine Burg und nicht um eine Stadtmauer handelt, im Grundriss verwandt mit Schlössern wie z. B. Wijnendale bei Torhout in Westflandern.
3 Z. B. eine „Stadtansicht“ in der Kunsthalle Bremen, Kupferstichkabinett, Inv.-Nr. 56/552 (187 x 308 mm), Corpus Gernsheim 61 243, oder „Straßenszene mit verfallenen Gebäuden“ in niederländischem Privatbesitz, Christiaan P. van Eeghen: Simon de Vlieger as a Draftsman, I: The Pen Drawings, in: Master Drawings 44, 2006, S. 3-47, Abb. 9; vgl. auch die Reinier Zeeman zugeschriebene Inv.-Nr. 22760.
4 Für den Baumschlag vgl. Inv.-Nr. 21682; für das mit feinem Strich erfasste brüchige Mauerwerk und die fleckige Lavierung vgl. „Ruine des alten Amsterdamer Rathauses“, 1652, oder „Stadsgracht bei der Heiligewegspoort“, Gemeente Amsterdam, Stadsarchief, Inv.-Nr. Spl. 266, Abb.-Nr. 010001000171 bzw. Inv.-Nr. Spl. 241, Abb.-Nr. 010001000672. Vgl. ebenfalls „Küste mit Schiffen und Figuren“, Edinburgh, National Gallery of Scotland, Inv.-Nr. RSA 542, Keith Andrews: Catalogue of Netherlandish Drawings in the National Gallery of Scotland, 2 Bde., Edinburgh 1985, Bd. 1, S. 4.
5 Vgl. „Schloss Teylingen“, 1665, Haarlem, Teylers Museum, Inv.-Nr. Q 45, Plomp 1997 a, Nr. 25. Eine ähnlich isoliert am Wasser gelegene Burg begegnet auf einem Gemälde an unbekanntem Standort, 1929 in London, Kunsthandel P. Larsen, Photo RKD.

Details zu diesem Werk

Beschriftung

Verso in der Mitte L. 1233; unten Mitte bezeichnet: "v. Goyen" (Bleistift, 20. Jh.)

Wasserzeichen / Kettenlinien

-
13-20 mm (h)

Verso

Titel verso: Skizze eines Gewölbes

Technik verso: Graphit, ausgelöscht

Provenienz

Ludwig Hermann Philippi (1848-1908), Hamburg (L. 1335); Legat Philippi 1908

Bibliographie

Stefes, Annemarie: Niederländische Zeichnungen 1450-1850. Katalog II van Musscher - Zegelaar, hrsg. von Gaßner, Hubertus und Stolzenburg, Andreas, Die Sammlungen der Hamburger Kunsthalle Kupferstichkabinett, Bd. 3, Böhlau Verlag Köln Weimar Wien 2011, S.663-664, Nr.1269