Anonym (italienisch?, 16. Jh.)
Ecce Homo,
Zurück Bildinfos ➕ 🗖

Anonym (italienisch?, 16. Jh.)

Ecce Homo,

Anonym (italienisch?, 16. Jh.)

Ecce Homo

Das Blatt gelangte als anonyme Zeichnung ins Kabinett und hat seitdem keinerlei nähere Bestimmung erfahren. Dies verwundert, da die Zeichnung mit ihrer freien Federführung und großzügigen Lavierung eine charakteristische Handschrift aufweist. Mögen diese stilistischen Hinweise durchaus nach Italien verweisen, so könnten doch einzelne Gesichtstypen der Christus umgebenden Personen auch von nordeuropäischen Lösungen angeregt worden sein. Derartig bullige und derbe Köpfe sind für italienische Künstler des 16. Jahrhunderts untypisch.
Das Verso ist mit einer kleinteiligen Federführung sicherlich von einer anderen Hand gezeichnet. Die darauf befindlichen Studien nach Albrecht Dürer belegen den starken Einfluss des Künstlers auf das 16. Jahrhundert. Aufgrund der wenig charakteristischen Handschrift ist dabei letztlich nicht definitiv zu entscheiden, ob der Kopist aus Italien, Deutschland, Frankreich oder den Niederlanden stammt.
In diesem Fall wählte der anonyme Zeichner seine Vorlagen aus den christlichen Bilderzyklen Dürers. So sind hier die Figuren eines schlafenden Wächters und des von hinten gesehenen Hohenpriesters aus Dürers um 1508/10 entstandener Kleinen Holzschnittpassion entlehnt.(Anm.1)
Interessant ist, dass der Künstler einzelne Figuren aus unterschiedlichen Graphiken Dürers auswählte und sie relativ genau wiedergab. Ein unbekannter Sammler hat sich aufgrund dieser Übereinstimmungen dazu verleiten lassen, das Blatt Dürer zuzuweisen, doch wurde diese Vermutung später zu Recht durch Streichung des Namens abgelehnt. In der Mitte des 19. Jahrhunderts dachte Georg Ernst Harzen dagegen aufgrund der Tierstudien an ein Mitglied der für dieses Genre berühmten Familie Bassano, doch haben diese Skizzen mit gesicherten Zeichnungen der Familie nichts zu tun. Letztlich muss die Frage nach dem Urheber offen bleiben.

David Klemm

1 Es handelt sich bei der rechts schlafenden Figur um ein Detail aus dem Holzschnitt „Die Auferstehung“ (Kleine Passion, um 1510); The Illustrated Bartsch 10 (7), 45 (120), vgl.Rainer Schoch, Matthias Mende, Anna Scherbaum: Albrecht Dürer. Das druckgraphische Werk, Bd. 2: Holzschnitte und Holzschnittfolgen, München, London, New York 2002, S. 332–333, Nr. 215, Abb. S. 333; bei der rechts stehenden Figur handelt es sich um den Ankläger Christi aus Dürers Holzschnitt „Christus vor Pilatus“ (Kleine Passion 16, um 1508/09); The Illustrated Bartsch 10 (7), 31 (120), vgl. Rainer Schoch, Matthias Mende, Anna Scherbaum: Albrecht Dürer. Das druckgraphische Werk, Bd. 2: Holzschnitte und Holzschnittfolgen, München, London, New York 2002, S. 310–311, Nr. 201, Abb. 310.

Details zu diesem Werk

Beschriftung

Auf dem Verso oben rechts bezeichnet und nummeriert: "A 2 [die "2" unterhalb] No. 26 - " (Feder in Braun); unten links bezeichnet: "L. Bassano / 7.6 7.10" (Bleistift), rechts davon: mehrere Zahlenfolgen (Bleistift); unten rechts: "Albert Durer:" (Feder in Schwarz, durchgestrichen); unten rechts nicht mehr entzifferbare Beschriftung (Bleistift)

Wasserzeichen / Kettenlinien

WZ (Fragment): Traube mit Laub im Kreis oder Wappenschild, darunter nicht identifizierbarer Schriftzug auf Spruchband; nicht identifiziert.

Verso

Titel verso: Detailstudien nach Dürer; Tierstudien; Kruzifix von Putti getragen

Technik verso: Feder in Schwarz und Braun

Provenienz

Georg Ernst Harzen (1790-1863), Hamburg (L. 1244); NH Ad : 02 : 01, S. 224 (als anonym): "Christus dem Volke dargestellt. Fol. Feder, Bister, Schule v. Bassano. Hinten Studien nach Dürers kl. Holzpassion."; Legat Harzen 1863 an die "Städtische Gallerie" Hamburg; 1868 der Stadt übereignet für die 1869 eröffnete Kunsthalle

Bibliographie

David Klemm: Italienische Zeichnungen 1450-1800. Kupferstichkabinett der Hamburger Kunsthalle, Die Sammlungen der Hamburger Kunsthalle Kupferstichkabinett, Bd. 2, Köln u. a. 2009, S.422-423, Nr.658

Parcours. Die Rücken der Bilder, Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle 2004, S.52