☰
Anonym (hollÀndisch, 17. Jh.), (?) Gerard (auch Gerrit) Dou, ehemals zugeschrieben
Interieur mit lesendem (?) MĂ€dchen,
ZurĂŒck Bildinfos ➕ ➖ ➕ 🗖 ❭

Anonym (hollÀndisch, 17. Jh.), (?) Gerard (auch Gerrit) Dou, ehemals zugeschrieben

Interieur mit lesendem (?) MĂ€dchen,

Anonym (hollÀndisch, 17. Jh.), (?) Gerard (auch Gerrit) Dou, ehemals zugeschrieben

Interieur mit lesendem (?) MĂ€dchen

Diese und die folgende Zeichnung variieren das Motiv einer sitzenden jungen Frau, die in groben ZĂŒgen noch einmal auf der RĂŒckseite von Inv.-Nr. 21854 skizziert wurde. Ihre BeschĂ€ftigung ist nicht eindeutig zu bestimmen, doch angesichts des Abstandes zwischen den HĂ€nden scheint sie zumindest auf Kat.-Nr. 21853 eher in einem Buch zu lesen als eine Handarbeit auszufĂŒhren. Abweichungen in KostĂŒm und Mobiliar lassen vielleicht auf einen gewissen zeitlichen Abstand zwischen beiden Studien schließen.(Anm.1)
Über diese Zeichnungen gehen die Meinungen auseinander. In der Kunsthalle galten sie bis zuletzt als Werke des Gerard Dou (1613–1675), obwohl Sumowski sie bereits 1980 als Imitationen des 18. Jahrhunderts bewertete. In einer Notiz in der Photokartei des RKD wurden sie in das 19. Jahrhunderts gesetzt; dieser Auffassung waren auch Charles Dumas und Robert-Jan te Rijdt.(Anm.2) TatsĂ€chlich besteht in dem rauen, stellen-weise verwischten Abrieb der Kreide ein gewisser Zusammenhang mit Zeichnungen aus dem ersten Viertel des 19. Jahrhunderts, z. B. von Jan Hulswit oder Albertus Brondgeest (1786–1849).(Anm.3) Peter Schatborn hingegen wĂŒrde die Zeichnungen eher im mittleren 17. Jahrhundert verorten und sah sich erinnert an Werke Quirin van Breke-lenkams (1622/30–1669/79).(Anm.4) Auch das durch Kettenlinien strukturierte, farbig grundierte Papier wĂ€re eher ein Hinweis auf Entstehung in dieser Zeit.(Anm.5) Zwar hĂ€tte man auch im frĂŒhen 19. Jahrhundert bewusst altes Papier verwendet haben können.(Anm.6) Dann aber wĂ€re fĂ€lschende Absicht vorausgesetzt, und Harzen – ein ausgewiesener Kenner niederlĂ€ndischer Zeichenkunst des 17. Jahrhunderts – hĂ€tte sich tĂ€uschen lassen von einem zeitgenössischen Falsifikat.
Eine ehemals Dou, jetzt Van Brekelenkam unter Vorbehalt zugeschriebene „Studie einer nĂ€henden Frau“ in Leipzig stimmt in Format und Technik annĂ€hernd mit unseren Zeichnungen ĂŒberein und zeigt ein Ă€hnliches Nebeneinander von feinen und großzĂŒgigen Schraffen.(Anm.7) Dennoch ist ein gemeinsamer Urheber wenig wahrscheinlich angesichts der dort feiner abgestuften Modellierung und den disziplinierten, kompakter die Formen umschließenden Umrisslinien. Auszuschließen sind auch die alte Zuschreibung an Gerrit Dou bzw. Leendert Van der Cooghen, mit dem das Blatt in einem rĂŒckseitigen Hinweis in Verbindung gebracht wurde.(Anm.8) Der barhĂ€uptige MĂ€dchentypus erinnert an GemĂ€ldefiguren des Hendrick van der Burgh, doch sind von dessen Hand keine Zeichnungen ĂŒberliefert.(Anm.9) So bleiben beide Zeichnungen vorerst unbestimmt. Angesichts der aufgefĂŒhrten BezĂŒge ist allerdings eher von einer Entstehung im 17. Jahrhundert auszugehen.

Annemarie Stefes

1 Hinweis von Peter Schatborn, 16. 5. 2009.
2 Charles Dumas, mĂŒndliche Mitteilung vom 3. 2. 2009; Robert-Jan te Rijdt, mĂŒndliche Mitteilung vom 15. 5. 2009 („erstes Viertel 19. Jahrhundert“), jeweils auf Grundlage einer Digitalphotographie.
3 Robert-Jan te Rijdt, Mitteilung August 2009.
4 Hinweis vom 16. 5. 2009 auf Grundlage einer Digitalphotographie. FĂŒr grundsĂ€tzlich verwandte GemĂ€ldefiguren vgl. die um 1663/64 anzusetzende „Klöppelnde Frau“, Aukt.-Kat. New York, Sotheby’s, 23. 1. 2003, Nr. 12, oder die „Lesende Frau am Fenster“, Aukt.-Kat. London, Phillips, 4. 7. 2000, Nr. 49. Zu den Van Brekelenkam zugeschriebenen Figurenstudien in Braunschweig, Herzog Anton Ulrich-Museum, Kupferstichkabinett, Inv.-Nr. Z 683 und Inv.-Nr. Z 684, fehlt hingegen der direkte stilistische Bezug.
5 In Ă€hnlicher Weise grundiert sind die Hundestudien Ludolf de Jonghs (Inv.-Nr. 22867, 22868) oder Pieter Lastmans Rötelstudie auf orangegelben Papier (Inv.-Nr. 23980); vgl. auch Karel Dujardins „Studie eines stehenden Kavaliers“, Leiden, Prentenkabinet der UniversitĂ€t, Inv.-Nr. PK-P-AW 0254, Dutch Figure Drawings from the Seventeenth Century, bearb. Peter Schatborn, Ausst.-Kat. Amsterdam, Rijksprentenkabinet, Washington, National Gallery of Art, Den Haag 1981, Nr. 40.
6 Altes Papier fĂŒr seine Figurenstudien verwendete auch Johannes Christiaan Schotel (1787–1838), nach freundlicher Mitteilung von Robert-Jan te Rijdt, August 2009.
7 Leipzig, Museum der bildenden KĂŒnste, Inv.-Nr. N.I. 409 (schwarze und weiße Kreide auf gelblich getöntem Papier, 187 x 139 mm). FĂŒr die Information zu der unpublizierten Zeichnung danke ich Jan Nicolaisen.
8 Authentische Dou-Zeichnungen sind deutlich detaillierter gearbeitet und erfĂŒllen als autonome Kunstwerke eine ganz andere Funktion: Vgl. „PortrĂ€t der Mutter des KĂŒnstlers“, Paris, MusĂ©e du Louvre, DĂ©partement des Arts Graphiques, Inv.-Nr. 22579, Werner Sumowski: Drawings of the Rembrandt School. Bd. 3, Dou - Eeckhout, hrsg. von Walter L. Strauss, New York 1980, Nr. 528; vgl. Ronni Baer: The Life and Art of Gerrit Dou, in: Ausst.-Kat. Washington/London/Den Haag 2000/01, S. 26-52, S. 40 und 51, Anm. 138. Vgl. auch die in ihrer szenischen Komposition unserem Blatt etwas nĂ€her stehende, jedoch griffiger und markanter gezeichnete „Köchin“, Paris, MusĂ©e du Louvre, DĂ©partement des Arts Graphiques, Inv.-Nr. RF 663, Werner Sumowski: Drawings of the Rembrandt School. Bd. 3, Dou - Eeckhout, hrsg. von Walter L. Strauss, New York 1980, Nr. 529. Kein Bezug besteht zu dem von Sumowski erwĂ€hnten „Sitzenden MĂ€dchen“, Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett, Inv.-Nr. KdZ 13307, Werner Sumowski: Drawings of the Rembrandt School. Bd. 3, Dou - Eeckhout, hrsg. von Walter L. Strauss, New York 1980, Nr. 540 xx. – Die im Werkverzeichnis von Coenen 2004 verzeichneten Werke Van der Cooghens sind durchweg konzentrierter gearbeitet und feiner strukturiert als die Hamburger BlĂ€tter.
9 Vgl. Aukt.-Kat. London, Christie’s, 27. 10. 1989, Nr. 162; vgl. auch dessen „Dorfschule“, Cambridge, Fitzwilliam Museum, Inv.-Nr. 395. Bislang wurde diesem KĂŒnstler nur eine einzige Zeichnung zugeordnet – ohne stilistische Relevanz fĂŒr das Hamburger Blatt: „Blick durch ein Fenster auf Pieterskerk und Rathaus“, Leiden, Regionaal Archief, Inv.-Nr. 21879, Peter C. Sutton: Hendrick van der Burch, in: The Burlington Magazine 122, 1980, S. 315-326, Abb. 52; Michiel C. Plomp: Drawing and Printmaking in Delft during the Seventeenth Century, in: Vermeer and the Delft School, Ausst.-Kat. Metropolitan Museum, New York 2001, S. 171-195 S. 584, Anm. 50. Ein konkreter Bezug zwischen unserer Zeichnung und dem Werk des Hendrick van der Burgh wurde darĂŒber hinaus von Peter Sutton ausgeschlossen (Mitteilung per E-Mail, 30. 6. 2009).

Details zu diesem Werk

Beschriftung

Auf dem Verso in der Mitte alte Zuschreibung: "van der Kooge / (G. Douw)" (Bleistift, Kunsthalle); unten links: Stempel der Hamburger Kunsthalle (L. 1328); unten rechts nummeriert: "5a" (Bleistift)

Wasserzeichen / Kettenlinien

-
24-26 mm (h)

Verso

Titel verso: FlĂŒchtige Studie eines nach rechts herabgeneigten mĂ€nnlichen Kopfes

Technik verso: Schwarze Kreide

Provenienz

Boguslaw Jolles (2. HĂ€lfte 19. Jh.), Dresden und Wien; Georg Ernst Harzen (1790-1863), Hamburg (L. 1244) (NH Ad:01:02, fol. 16: "Gerh. Douw. 2 Bl Naturstudien eines sitzenden mit Handarbeit beschĂ€ftigten MĂ€dchens, mit geringen VerĂ€nderungen. Kreide auf gelb laviertes Papier, gehöht. 4.10.6.2."; NH Ad: 02: 01, S. 248); Legat Harzen 1863 an die „StĂ€dtische Gallerie“ Hamburg; 1868 der Stadt ĂŒbereignet fĂŒr die 1869 eröffnete Kunsthalle

Bibliographie

Stefes, Annemarie: NiederlĂ€ndische Zeichnungen 1450-1850. Katalog II van Musscher - Zegelaar, hrsg. von Gaßner, Hubertus und Stolzenburg, Andreas, Die Sammlungen der Hamburger Kunsthalle Kupferstichkabinett, Bd. 3, Böhlau Verlag Köln Weimar Wien 2011, S.673, Nr.1288

Werner Sumowski: Drawings of the Rembrandt School. Dou - Eeckhout, hrsg. von Walter L. Strauss, Bd. 3, , S.1170, bei Nr. 540xx