Anonym, Florenz, 1. Hälfte 16. Jahrhundert
Maria Magdalena salbt Christus die Füße,
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Anonym, Florenz, 1. Hälfte 16. Jahrhundert

Maria Magdalena salbt Christus die Füße,

Anonym, Florenz, 1. Hälfte 16. Jahrhundert

Maria Magdalena salbt Christus die Füße

Die Zeichnung gehört zu einem Konvolut von Blättern, die Harzen Baldassare Peruzzi zuschrieb, von denen jedoch nach heutiger Einschätzung keines mehr von diesem Künstler stammt. Eine alternative Zuschreibung erweist sich jedoch als sehr schwierig. Sicher scheint, wie zuletzt Nicholas Turner (Anm.1) und David Franklin (Anm.2) vorschlugen, eine Herkunft des Blattes aus dem Florentiner Kunstkreis.
In Übereinstimmung mit van Regteren Altena (Anm.3) dachte Turner zunächst an Rosso Fiorentino (1494–1540), wobei ihn vor allem die seltsamen Gesichter mit ihrem unheilvollen („baleful“) Ausdruck an dessen Florentiner Figurentypen erinnerten.
Turner schlug außerdem als mögliche Zeichner den jungen Francesco Salviati (1510–1563), Pierfrancesco di Jacopo Foschi (1502–1567) und Antonio di Donnino del Mazziere (1492–1527) vor. Während David Franklin Salviati als Urheber ausschloss, stellen die beiden letztgenannten Künstler für ihn durchaus Möglichkeiten dar, auch wenn sich direkte Verbindungen zu konkreten Werken nicht herstellen lassen. Heiko Damm kam unabhängig davon zu einer ähnlichen Einschätzung.(Anm.4)
Wie schwierig die Bestimmung ist, belegt die Tatsache, dass außer den genannten Namen auch Sogliani und Berruguete (Franklin) zumindest in Erwägung gezogen worden sind.(Anm.5)
Thema und Art der Einbindung der Komposition in eine Art Lünette deuten darauf hin, dass sie möglicherweise für einen Kreuzgang oder wohl noch eher für ein Wandfeld in einem Speisesaal gedacht gewesen ist.
Die Bildlösung steht zweifelsfrei in der Tradition der in Florenz besonders häufig nachweisbaren Abendmahlsdarstellungen. Besonders ähnlich ist eine Miniatur aus dem Evangelistar von Santa Maria del Fiore von 1469, das u. a. von Ser Ricciardo di Nanni ausgemalt worden ist.(Anm.6) Vor allem die Figur der Maria Magdalena ist in ihrer extrem gebückten Haltung und dem offen herabfallenden Haar derart übereinstimmend, dass eine zufällige typologische Verwandtschaft als Erklärung auszuschließen ist.

David Klemm

1 Mitteilung per E-Mail auf der Grundlage einer Digitalphotographie, 14.1.2007.
2 Mitteilung per E-Mail auf der Grundlage einer Digitalphotographie, 17.4.2007.
3 Notiz auf Karteikarte.
4 Mündliche Mitteilung auf der Grundlage einer Digitalphotographie, 25.4.2008.
5 Nicholas Turner erinnerte die rechte Figur mit Hut an Darstellungen von Michelangelo, der in hohem Alter einen ähnlich geformten Strohhut getragen hat. Vgl. z. B. die Miniatur von Francesco di Hollanda, Abb. in Heinrich Koch: Michelangelo, 5. Aufl., Reinbek bei Hamburg 1979 (1. Aufl. 1966), S. 155.
6 Vgl. Annarosa Garzelli: Miniatura Fiorentina del Rinascimento 1440-1525. Un Primo Censimento, hrsg. v. Annarosa Garzelli, 2 Bde., Inventari e cataloghi toscani 19, Florenz 1985, S. 62–63, Abb. 184.

Details zu diesem Werk

Beschriftung

Reste einer Umfassungslinie (Feder in Schwarz); auf dem Verso oben links nummeriert: N° 5 (Bleistift); oben in der Mitte bezeichnet: "L. de Vinci" (Bleistift); Stempel der Sammlung Dimsdale (L. 2426); unten links: Stempel der Hamburger Kunsthalle (L. 1328)

Wasserzeichen / Kettenlinien

WZ: Wahrscheinlich Schere in Wappenschild, unter der Schere evtl. Buchstabe „H“; nicht identifiziert.

Provenienz

Thomas Dimsdale (1758-1823), London (L. 2426); von Georg Ernst Harzen (1790-1863), Hamburg (L. 1244), 1854 in London wohl auf der Auktion Woodburn erworben); NH Ad : 03 : 16, Sp.14; NH Ad : 02 : 01, S. 217 (als Baldassare Peruzzi); NH Ad : 01 : 03, fol. 102 (als Baldassare Peruzzi): "Magdalena salbt die Füsse des Heilands beym Gastmahl des [offensichtlich Auslassung von Harzen] Strenge Röthelzeichnung. 12.0. 8.2 Samml. Dimsdale"; Legat Harzen 1863 an die "Städtische Gallerie" Hamburg; 1868 der Stadt übereignet für die 1869 eröffnete Kunsthalle

Bibliographie

David Klemm: Italienische Zeichnungen 1450-1800. Kupferstichkabinett der Hamburger Kunsthalle, Die Sammlungen der Hamburger Kunsthalle Kupferstichkabinett, Bd. 2, Köln u. a. 2009, S.390-391, Nr.592

Wilhelm Koopmann: Einige weniger bekannte Handzeichnungen Raffaels, in: Jahrbuch der Königlich Preußischen Kunstammlungen 12, 1891, S. 40-49, S.47