Anonym (deutsch, 15. Jh.), (?) Israhel van Meckenem, ehemals zugeschrieben
Hl. Hieronymus, 1483
Zurück Bildinfos ➕ 🗖

Anonym (deutsch, 15. Jh.), (?) Israhel van Meckenem, ehemals zugeschrieben

Hl. Hieronymus, 1483

Anonym (deutsch, 15. Jh.), (?) Israhel van Meckenem, ehemals zugeschrieben

Hl. Hieronymus, 1483

Das aus den Sammlungen Metz und Esdaile stammende Blatt ist 1840 als ein Werk Israels van Meckenem (um 1440/45–1503) versteigert worden. Dass die Autorschaft van Meckenems auszuschließen ist, hatte bereits Harzen erkannt und das Blatt in seinem handschriftlichen Inventar der Schule von Zwolle zugeordnet. Vergleicht man den Hamburger Hieronymus mit Stichen des Meisters IAM von Zwolle, der wohl mit Jan van den Mynnestren identisch ist, so ist seine Entstehung in Mynnestrens Umkreis wenig wahrscheinlich, denn ihm fehlt die für den Meister IAM typische Neigung zu einer expressiven Dramatik bei gleichzeitiger gedrängter Räumlichkeit in reich dekorierten, spätgotischen Rahmen.(Anm. 1)
Später hatte Stange es auf Grund motivischer und formaler Beziehungen mit verschiedenen Kirchenväter-Gemälden des Meisters von Großgmain in Verbindung gebracht.(Anm. 2) Auch Winzinger, der die Qualität des Blattes als „überaus ärmlich“ einschätzte, ist Stange in dieser Annahme gefolgt und hat zum Vergleich auf einen dem Meister von Großgmain (nachweisbar 1483–1499) zugeschriebenen „Hieronymus“ in der Sammlung Thyssen-Bornemisza verwiesen.(Anm. 3) Über die allgemeine thematische Disposition hinaus bestehen allerdings kaum Verbindungen zum Hamburger Blatt, zu klar und luzide ist die Raumauffassung auf der Tafel der Sammlung Thyssen-Bornemisza. Auch dem Meister von Großgmain bzw. seinem Umkreis zugeschriebene Zeichnungen wie ein „Marientod“ in Rotterdam (anm. 4) weisen über zeittypische Merkmale hinaus keine Ähnlichkeit mit dem Hamburger Blatt auf: Das Strichbild auf dem Blatt in Rotterdam ist insgesamt festergefügt und die gesamte Komposition überzeugt durch eine räumliche Klarheit und Geschlossenheit. Eine solche Geschlossenheit weist das Hamburger Blatt nur auf den ersten Blick auf, denn über die Tatsache hinaus, dass die Datierung „1483“ unten am Rand und die Buchstaben auf dem Buch erst nachträglich mit einer anderen, braunen Feder eingetragen wurden, ist die räumliche Disposition des Innenraums nicht überzeugend gelöst. Zwar bemüht sich der Zeichner um eine nachvollziehbare Raumauffassung, doch wie das Schreibpult, das Regal mit den Büchern und die seitliche Wand mit dem Fenster perspektivisch aufeinander bezogen sind, ist wenig glaubhaft. Die interieurartige Szene ist abgeschnitten durch die Balustrade vorne, auf der Hieronymus sitzt und sich dem Löwen zuwendet. Die zarte Gestalt des Kirchenlehrers verschwindet fast unter seinem die rechte Bildhälfte nahezu gänzlich ausfüllenden Gewand und nicht immer wird klar, wo sich darunter sein Körper befindet – besonders deutlich etwa an seinem linken Arm. Die Tendenz zur Flächigkeit kennzeichnet auch den Löwen, der direkt einem Stich entnommen sein könnte. Links daneben bzw. dahinter erscheint in etwas gedrängter Anordnung ein Stifter, dessen Attribut – möglicherweise ein Fuchskopf mit Flügeln – leider nicht identifiziert werden konnte. Insgesamt entsteht der Eindruck einer kompositorisch sehr uneinheitlichen Szene, die aus mehreren Teilen zusammengesetzt erscheint. Auch die Lichtführung ist nicht einheitlich – zwar suggeriert der Schatten innen an der rechten Wand, dass das Licht durch das Fenster kommt, doch legen die anderen Schattierungen nahe, dass die Szenerie frontal beleuchtet wird. Winzinger ist seinerzeit dieser disparate Charakter nicht entgangen, denn er wollte in dem Blatt eine Fälschung eines möglicherweise Wiener Meisters erkennen, der Vorlagen des Meisters von Großgmain oder von Rueland Frueauf d. Ä. (1455/60–1518/22) verarbeitet hat. Auch wenn der Künstler mit dem Blatt wohl kaum eine direkte Fälschung beabsichtigte – dazu ist es zu früh nachweisbar –, ist der pasticcioartig zusammengesetzte Charakter des Blattes doch auffallend, weshalb eine Entstehung unter der Verwendung verschiedener Vorlagen wahrscheinlich ist. Möglicherweise ist das Blatt später entstanden als in der nachträglich beigefügten Datierung angegeben ist, auch wenn es stilistisch dem letzten Viertel des 15. Jahrhunderts entspricht.

Peter Prange

1 Zum Meister IAM von Zwolle zuletzt Jan Piet Filedt Kok: Master IAM of Zwoll: The Personality of a Designer and Engraver, in: Festschrift to Erik Fischer: European Drawings from Six Centuries, Kopenhagen 1990, S. 341–356.
2 Vgl. Notizen auf alter Karteikarte.
3 Winzinger 1965, S. 147, Anm. 9, zum Gemälde vgl. auch Isolde Lübbeke: The Thyssen-Bornemisza Collection. Early German Painting 1350–1550, London 1991, S. 310–313, Nr. 72, Abb.
4 Rotterdam, Museum Boijmans-van Beuningen, Inv.-Nr. DN 164/61, vgl. Duitse Tekeningen 1400–1700. Catalogus van de verzameling in het Museum Boijmans-van Beuningen, Rotterdam 1974, S. 22, Nr. 11, Abb.

Details zu diesem Werk

Beschriftung

Unten nachträglich datiert: "1483" (Feder in Braun); auf dem Verso unten links Aufkleber: "Metz sale 1801 WE" (Feder in Braun); Mitte Stempel der Hamburger Kunsthalle (L. 1233 ?)

Provenienz

Conrad Martin Metz (1749-1827), London (L. 598 a und b); William Esdaile (1758-1837), London (L. 2617); Georg Ernst Harzen (1790-1863), Hamburg (L. 1244) NH Ad: 01: 04, fol. 143: "15. Jahrhundert Zum heiligen Hieronymus der in seiner Zelle am Schreibpult sitzt, der mit dem Cardinalshute und einem {...} weitfaltigem Gewande bekleidet ist kommt ein Löwe und reicht ihm die von einem Dorn durchstoßene Pfote dar, die der Heilige mit prüfendem Blick in die Hände nimmt. An der Wand befindet sich ein Bord mit Büchern und Phiolen. Zur Seite erscheint ein kniender Donator die Hand zum Gebet faltend. Bez. 1483. Schön und sorgfältig ausschraffierte Federzeichnung im Styl der Schule von Zwolle. Auf Pergament 7.3.8.4."; und Ad: 02: 01, S. 239; Legat Harzen 1863 an die „Städtische Gallerie“ Hamburg; 1868 der Stadt übereignet für die 1869 eröffnete Kunsthalle

Bibliographie

Peter Prange: Deutsche Zeichnungen 1450-1800. Katalog, Die Sammlungen der Hamburger Kunsthalle Kupferstichkabinett, Bd. 1, Köln u.a. 2007, S.392-393, Nr.1176

A Catalogue of the Very Important Collection of the late William Esdaile, Esq. Part III. Comprising Drawings, by Italian, German, Flemish, and Dutch Masters; which will besold by Auction,, Christie and Manson, 18.-23. 6. 1840, London, 1840, S.36, Nr.482

Catalogue of a Select Collection of Genuine and Capital Drawings, by the Great Masters of all the Schools, chiefly of the Italian, forming a series of Artists, from a very early period down to the present time [...] the entire Cabinet of C. M. Metz, T. Philipe, 4.-6. Mai 1801, Warwick Street, Golden Square, London 1801, S.11, Nr.80