Andrea di Leone, Zeichner, zugeschrieben Nicolas Poussin, ehemals zugeschrieben Sébastien Bourdon, ehemals zugeschrieben
Tobit läßt die von Sanherib erschlagenen Israeliten begraben,
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Andrea di Leone, Zeichner, zugeschrieben Nicolas Poussin, ehemals zugeschrieben Sébastien Bourdon, ehemals zugeschrieben

Tobit läßt die von Sanherib erschlagenen Israeliten begraben,

Andrea di Leone, Zeichner, zugeschrieben Nicolas Poussin, ehemals zugeschrieben Sébastien Bourdon, ehemals zugeschrieben

Tobit läßt die von Sanherib erschlagenen Israeliten begraben

Die Zeichnung zeigt Tobit, der in Mißachtung des Befehls von König Sanherib, diejenigen Juden begräbt, die von diesem Herrscher getötet worden waren (Tobit, 1, 18ff). Diese Komposition wurde von Anthony Blunt mit einem Gemälde selben Inhalts in Verbindung gebracht, das sich früher in der Czernin Galerie in Wien befand und heute im Metropolitan Museum New York (Sammlung Ganz) bewahrt wird.(Anm.1) Dieses Gemälde wurde wiederum von Blunt aus stilkritischen Gründen dem Maler Andrea di Leone zugeschrieben. Blunt war es auch, der eine Reihe von Zeichnungen mit dem Gemälde verbinden konnte. Entscheidende Bedeutung kommt dabei einer Zeichnung im Victoria and Albert Museum zu, die den Gesamtentwurf mit einigen Unterschieden wiedergibt.(Anm.2) Sie wurde bislang von Blunt und Ward als Vorzeichnung des Gemäldes bestimmt. Das Hamburger Blatt ist nun eindeutig mit der Zeichnung in London zu verbinden. Beide Blätter sind nahezu gleich groß. Die geringen Unterschiede können auf eine Beschneidung des Londoner Blattes zurückzuführen sein.(Anm.3) Interessanterweise wurden beide Blätter zunächst Nicolas Poussin und dann Sébastien Bourdon zugeschrieben.(Anm.4) Dies mag angesichts einer klassischen Tendenz der Komposition und an die beiden Franzosen erinnernde Motive auch kaum verwundern. Die kompositionellen Unterschiede sind minimal, dagegen ist die zeichnerische Umsetzung unterschiedlich. Insgesamt ist der Londoner Entwurf etwas detailreicher ausgeführt, er wirkt dadurch konturierter. Einige Details – so das Gewand des Tobit – sind auf der Hamburger Zeichnung plastischer und dem Gemälde entsprechender herausgearbeitet. Überhaupt entspricht die malerische Auffassung der Hamburger Zeichnung dem Gemälde stärker. Eine definitive Entscheidung, welches der beiden Blätter früher entstanden ist, lässt sich jedoch schwer bestimmen.
Ähnlich gezeichnete Blätter sind von di Leone bislang kaum nachweisbar. In der lockeren Art der Lavierung kommt dem Hamburger Blatt eine Zeichnung in London mit einer Szene aus dem Neuen Testament nahe.(Anm.5) Eine Zuschreibung an de Leone kann somit – unter leichtem Vorbehalt – vertreten werden.
Unabhängig von der Zuschreibungsdiskussion ist die Komposition – wie Blunt aufzeigte – wesentlich von Ideen Giovanni Benedetto Castigliones zu demselben Thema angeregt worden. Dies betrifft zum einen eine Radierung (Anm.6) und zum anderen eine Zeichnung in Chatsworth, die die Hauptgruppe in wesentlichen Zügen wiedergibt.(Anm.7) Leone könnte nach Blunts Ansicht mit Castiglione während dessen mehrfachen Romaufenthalten 1634, 1645 oder 1648 in Verbindung getreten sein. Die von Blunt angeführten Zeichnungen mit weiteren Variationen der Tobit-Szene sind unzweifelhaft von anderer Hand als die beiden oben besprochenen Blätter und lassen sich besser mit dem Castiglione-Kreis verbinden.

David Klemm

1 Anthony Blunt: „A Poussin-Castiglione Problem”, in: Journal of the Warburg and Courtauld Institutes 3, 1939-40, S. 142-147, S. 142–147.
2 London, Victoria & Albert Museum, Inv.-Nr. D 1072-1900; vgl. Peter Ward-Jackson: Victoria and Albert Museum Catalogues: Italian Drawings, Bd. 1: 15th-16th-century; Bd. 2: 17th -18th century, London 1979 , II, S. 60–61, Nr. 737.
3 So ist z. B. der Kopf des gestorbenen Kriegers unten rechts wohl ursprünglich komplett auf dem Blatt gewesen.
4 Ward-Jackson 1979, II, S. 61. Die Figur des knienden Mannes im Vordergrund ist, wie Ann Percy feststellte, von Poussin übernommen. Vgl. Michael Jaffé: The Devonshire Collection of Italian Drawings, 4. Venetian and North Italian Schools, London 1994, S. 150.
5 London, British Museum, Department of Prints and Drawings, Inv.-Nr. F. F. 2-110.
6 Blunt hat die Verbindung der Komposition zu einer Erfindung Castigliones hergestellt; vgl. The Illustrated Bartsch 46 (21), 5 (12).
7 Anthony Blunt: „A Poussin-Castiglione Problem”, in: Journal of the Warburg and Courtauld Institutes 3, 1939-40, S. 142-147, S. 143, Taf. 27 a; Chatsworth, Devonshire Inv.-Nr. 622; Michael Jaffé: The Devonshire Collection of Italian Drawings, 4. Venetian and North Italian Schools, London 1994, S. 150, Nr. 860.

Details zu diesem Werk

Beschriftung

Auf dem Verso unten rechts: Stempel der Hamburger Kunsthalle (L. 1233)

Wasserzeichen / Kettenlinien

WZ: Buchstabenkombination „BR“, darüber Kreis; nicht identifiziert.

Provenienz

Wahrscheinlich zwischen 1869 und 1896 durch Schenkung oder Erwerbung aus unbekannter Quelle in den Besitz der Hamburger Kunsthalle gelangt.

Bibliographie

Peter Forster und Rebecca Krämer: Caravaggios Erben. Barock in Neapel, Ausst.-Kat. Museum, Wiesbaden 2016, Nr.5, Abb.S. 215

David Klemm: Italienische Zeichnungen 1450-1800. Kupferstichkabinett der Hamburger Kunsthalle, Die Sammlungen der Hamburger Kunsthalle Kupferstichkabinett, Bd. 2, Köln u. a. 2009, S.216-217, Nr.292